[Debatte-Grundeinkommen] Götz Werner und die Naivität der BGE-Fans

Manfred Bartl sozial at gmail.com
Do Jan 11 02:16:03 CET 2007


Tja, unter dem Hinweis, dass es nicht mehr so weiter laufen kann wie
bisher, verweise ich gerne auf das Grundübel, das praktisch allen
aktuellen Problemen unserer Wirtschaft und Gesellschaft zugrunde
liegt: es ist just diese unternehmerische Freiheit!

Gerade weil internationale Unternehmen so frei agieren können und auch
sich (real-)wirtschaftlich auf ein Land beschränkenden Unternehmen
immer mehr Möglichkeiten im internationalen Raum gegeben wird
(Schuldenverlagerung, Outsorcing, Standortfreiheit - siehe
beispielsweise die Inc.), haben wir so etwas wie Globalisierung.

Viele der betrieblichen Kostensenkungsmodelle sind nichts weiter als
Kosteneinsparungen zuungusten (eben die Inc.) oder gar zum Schaden
(wie etwa massive Arbeitnehmerfreisetzungen in Jahren mit dicken
schwarzen Zahlen) der öffentlichen Hand (also zu unser aller Schaden).

Selbst wer Konsumenten die Verantwortung zuschieben will, die Leute
kauften nur noch das Billigste, übertreibt schamlos. Schließlich sind
es die Unternehmen, die den Konsumenten auf genau dieses Verhalten
("Geiz ist geil", allgemeine Rabattschlachten wie  "wir schenken Ihnen
die Mehrwertsteuer") abrichten.

KEIN Unternehmen "kümmert" sich um seine Tausendschaften von
Mitarbeitern. Ich beispielweise bin 2001 im Zuge einer
"Restrukturierung" zusammen mit 500 anderen Kollegen (in zwei Schüben)
schlicht über Bord geworfen worden. Siehe die oben angedeutete
Deutsche Bank: Massenentlassungen trotz höchster Gewinnmargen.
Götz Werner mag sich um "seine" Mitarbeiter kümmern mit seinem
Engagement für Weiterbildung und Kultur. Aber kommt erst einmal RFID
zur Serienreife, dann wird auch er auf einmal nur noch die Hälfte
seiner heutigen Mitarbeiter beschäftigen - wenn's hoch kommt!

Unternehmen kümmern sich nicht um ihre Mitarbeiter und das ist auch
nicht die eigentliche Aufgabe von Unternehme(r)n. Kapitalistisch
betrachtet sollen Unternehmer Profit erwirtschaften und diesen
reinvestieren und die Mitarbeiter mit dem Geld ausstatten, das sie zum
Leben brauchen. Dies ist übrigens ein Gesellschaftsvertrag, das wird
gerne vergessen. Unternehmen (auch Familien- oder Inhaber-geführte)
gehören auf Grundlage unseres Gesellschaftsvertrages nicht etwa den
Unternehmern, sie sind lediglich die Besitzer des Unternehmens.
Unternehmen sollen nicht dem Zweck dienen, ihre Besitzer  mit
beliebigen Vermögen auszustatten, wie das etwa die Albrecht-Brüder
handhaben. Sie dienen vielmehr dem Zweck, die menschliche Zivilisation
zu erhalten und weiterzuentwickeln. Unternehmer sind als Angestellte
der Gesellschaft zu betrachten. Wer wie die Albrechts überwiegend fürs
eigene Säckel "wirtschaftet", ist nichts weiter als ein
Vertragsbrüchiger des Gesellschaftsvertrages. Und damit sie ihr
Gewissen nicht allzu schwer belasten, bekommen auch die leitenden
Angestellten ordentliche Gehälter - übrigens selbst in nicht auf
Gewinn ausgelegten Körperschaften wie den Krankenkassen und den
Kassenärztlichen Vereinigungen und der Bundesagentur für Arbeit.

Theoretisch wäre es natürlich möglich, dass Speditionsunternehmer den
Straßenbau finanzieren. Praktisch aber schicken Speditionsunternehmer
ihre Fahrer nach der (zu genau diesem Zweck eingeführten) Lkw-Maut auf
die Bundes- und Landstraßen, um ihren Verpflichtungen zu entgehen....
Aber abgesehen davon sollen Güter sowieso auf die Schiene!

Bahnfahrer sollen mehr für's Bahnfahren zahlen, damit "das Produkt"
ein "ehrliches" wird? Was soll das bedeuten? Eigentlich sollten
Passagiere der Busse und Bahnen GAR NICHTS zahlen, da sie das
"ehrliche Produkt" ÖPNV über ihrer Steuerabgaben eigentlich bereits zu
100 Prozent bezahlt haben. Dafür kostet der Liter Sprit immer noch
nicht 5 Euro, obwohl die Autofahrer anders offenbar nicht zum Umstieg
vom "unehrlichen Produkt" Individualverkehr auf das "ehrliche Produkt"
ÖPNV zu bewegen sind.

Gruß
Manfred


On 1/10/07, Stefan Meinert <info at stefan-meinert.de> wrote:
>
>  Manfred Bartl schrieb:
>  ... Skepsis ist im Falle Götz Werner allemal angebracht!!! Sein
> Finanzierungsmodell kann rundherum abgelehnt werden, weil es alle
> staatlichen direktwirtschaftsbezogenen Steuerungsmöglichkeiten über
> das Wirtschaften der Unternehmen abschafft....
>
>  Hier stellt sich mir aber die Frage, warum denn "der Staat" überhaupt so
> anmaßend ist, ein Unternehmen (be-)steuern zu wollen ?!?  Traut er einem
> Unternehmer, der sich u.U. um mehrere tausend Mitarbeiter kümmert, nicht zu,
> mit dem erwirtschafteten Geld  sinnvoll, verantwortungsbewußt und sozial
> umzugehen ?
>
>  Wäre es denn nicht möglich, daß ohne dieses Instrument z.B.
> Speditionsunternehmen den Straßenbau finanzieren (weil sie Haupt-Nutznießer
> sind), Bahnfahrer mehr für's Bahnfahren ausgeben, und Subventionen
> wegfallen, damit das Endprodukt dann wenigstens "ehrlich" ist ?
>
>  ... Götz Werner mag nicht der RETTER der Erwerbslosen und
> Heilsbringer der neuen Verteilungsgerechtigkeit sein - definitiv aber
> ihr PROPHET! :-)
>
>  Vor Allem aber jemand, der weiter denkt, als bis zu seiner eigenen
> Haustüre.
>
>  Ob Herrn Werners Modell das Patentrezept zur Lösung aller Probleme ist, mag
> dahingestellt sein.
>  Nicht aber, ob es so weitergehen kann, wie es jetzt läuft.
>
>  Viele Grüßle & Gute N8,
>  Stefan
>
>
>
>  Gruß
> Manfred
>
>
>
> On 1/10/07, MartinBetzwieser at aol.com <MartinBetzwieser at aol.com> wrote:
>
>
>  Das Götz Werner - Finanzierungskonzept hat neben den bekannten Kritiken,
> siehe Rätz S. 19 im Reader ein weiteres Problem, s. S. 6 im Reader:
>
> Es wird unterstellt, dass ein mensch, der bisher 1.500 ? Lohn bekam,
> also grob 10 ? Stundenlohn (wenn Vollzeit), nach Einführung des GE dann mit
> 1.000 ? Lohn zufrieden wäre.
> Das GE (500 ?) ist ja ohne Erwerbsarbeitsvoraussetzung, also extra.
> Wieso geht dann der mensch nicht nur noch 100 statt 150 Stunden arbeiten -
> und zwar ohne Lohneinkommensverlust? Also nicht wie in folgenden Absatz auf
> S. 6 unterstellt wird, mit Einkommensverlust?
>
> Oder stellt Götz Werner (und damit auch "Freiheit statt
> Volbeschäftigung", die dieses Konzept übernommen haben) drauf ab,
> dass bei einer GE-Einführung nach dem Wernerschen Modell die Stundenlöhne
> (ob nun tarifliche oder Mindestlöhne) gekürzt werden - in dem Falle um ein
> Drittel??
>
> Ronald Blaschke
>
>
>
> Selbstverständlich will Götz Werner die Löhne senken. In keiner seiner
> Publikationen und in keinem Interview, welches ich kenne, nimmt er dazu
> unter dem Bezug Stellung, die Arbeitszeit könne analog zum Verdienst gesenkt
> werden.
>
> s.
> http://www.unternimm-die-zukunft.de/Daten/FlyerGrundeinkommenMB.pdf
>
> s. http://www.unternimm-die-zukunft.de/index.php?id=54
> (Punkt "Auswirkungen")
>
> Herr Werner und ähnliche Unternehmer möchten
> - Löhne sparen
> - Sozialversicherung sparen
> - eigene Steuern sparen
> - Unternehmenssteuern sparen
> - Vermögenssteuern gibt es ja praktischerweise nicht
>
> Tut mir leid, aber wer Götz Werner als Retter der Erwerbslosen und
> Heilsbringer der neuen Verteilungsgerechtigkeit sieht, ist meiner Meinung
> nach ein bischen naiv.
>
> Gute Nacht
> Martin Betzwieser
> Frankfurt am Main
>



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