[Debatte-Grundeinkommen] Studiengebühren

Tobias Crefeld tc-wasg at onlinehome.de
Sa Feb 24 22:07:16 CET 2007


On Mon, 19 Feb 2007 23:47:03 +0200 "Joerg Drescher" <iovialis at gmx.de>
wrote:

> vor ein paar Tagen hatte ich ein Gespräch mit einem Freund in
> Deutschland, der in Ulm studiert. Er meinte, daß die heutigen
> Studenten sich kaum mehr für die Gesellschaft einsetzen. Zum einen
> seien sie damit beschäftigt, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, zum
> anderen müssten sie sich zusätzlich engagieren, um die
> Studiengebühren aufzubringen.

Hier ein recht interessanter Beitrag, der mir heute zu genau diesem
Thema aus einem Land zuging, in dem Studiengebühren schon länger en
vogue sind. Man bekommt einen plastischen Eindruck, wohin die aktuelle
Poltik in der BRD driftet:

Artikel vom 24.02.2007 aus SÜDWEST AKTIV (Leider geschützt:
http://www.suedwest-aktiv.de/landundwelt/im_brennpunkt/2711827/artikel.php?SWAID=f5fdbdb0f9c16d549873b43e25ee882b )


>      >>> Land und Welt /  <<<  
>
> BILDUNG / Stark steigende Studiengebühren belasten junge Amerikaner
> über Jahrzehnte
>
> Eine Generation in der Schuldenfalle
>
> Studiert zu haben, ist auch in den USA Voraussetzung, um einen gut
> bezahlten Job zu ergattern. Doch den Besuch einer Hochschule können
> sich immer weniger junge Leute leisten. Bringen sie die hohen
> Studiengebühren dennoch über Kredite auf, zahlen sie Jahrzehnte daran
> ab.
>
> HEIKE WARMUTH, NEW YORK
>
> "Ja, es war ein großer Fehler, dass ich an der Columbia Universität
> studiert habe", gibt Mary Vaschone schweren Herzens zu. Wenn sie nur
> gewusst hätte, dass sie am Ende ihres dreijährigen Studiengangs in
> Sozialarbeit und öffentlichem Gesundheitswesen vor diesem erdrückenden
> Schuldenberg stehen würde, hätte sie wohl keinen Fuß in die im In- und
> Ausland hoch angesehene Elite-Uni in New York gesetzt.
>
> Der Grund ihres Bedauerns: Die horrenden Studiengebühren von 90 000
> Dollar (ein US-Dollar=0,77 Euro), die sich angesammelt haben und nun
> abbezahlt werden müssen. Dafür gehen pro Monat 540 Dollar drauf - für
> 30 Jahre. "Das ist fast die Hälfte der Miete für unsere
> Einzimmerwohnung", stöhnt sie. "Viel kann ich mir da nicht mehr
> leisten."
>
> Heute arbeitet die 33-Jährige in einem kleinen privaten Krankenhaus
> in der Bronx und verdient bei weitem nicht so viel, dass sie sich ein
> unbeschwertes Leben mit ihrem Mann David aufbauen kann. Obwohl sie
> sich das erhofft hatte. Immerhin ging sie ja auf eine der besten
> Universitäten der USA.
>
> Marys Mann David (33) war in seiner Wahl, auf welcher Universität er
> sein Architekturstudium absolvieren sollte, vorsichtiger. Er war zwar
> von der Harvard Universität akzeptiert worden, doch ein Blick auf die
> Kosten haben ihn abgeschreckt. "Ausschlaggebend war für mich die
> Antwort auf die Frage: Welche der beiden Ausbildungsmöglichkeiten
> garantiert mir am Ende die größte Freiheit", beschreibt er seinen
> damaligen Gedankengang. Er entschied sich für die Universität von
> Kalifornien, die ihm ein Stipendium angeboten hatte und die er - bis
> auf 10000 Dollar - schuldenfrei verlassen konnte.
>
> Mary und ihre Schuldenprobleme sind kein Einzelfall in den USA,
> sondern traurige Realität für viele junge Akademiker zwischen 25 und
> 35 Jahren. Die Mehrheit der gut ausgebildeten Jugendlichen, die ihr
> Studium mit einem Bachelor oder Magistertitel abschließen, haben,
> noch bevor sie in das Arbeitsleben eintreten, mit einer enormen
> Schuldenlast zu kämpfen. Die explodierenden Studiengebühren der
> Universitäten und die stagnierenden Stipendien der Regierung üben auf
> viele junge Amerikaner, die eine qualifiziertere Ausbildung
> anstreben, einen enormen wirtschaftlichen und sozialen Druck aus.
>
> Für ein Studium in den USA muss man heute drei Mal mehr berappen, als
> noch in den 80er Jahren: Im Schnitt 12 000 Dollar pro Jahr für eine
> staatliche Universität und 21 000 Dollar für eine private. Es kann
> schon vorkommen, dass man für eine der Topuniversitäten 50 660 Dollar
> im Jahr hinlegen muss. Wie etwa im kommenden Semester an der George
> Washington Universität in der Hauptstadt Washington. Sie ist die
> erste der Privat-Unis, die dann die 50 000 Dollar-Marke
> überschreitet. Kein vielversprechendes bildungspolitisches Szenario.
>
> Das Ende eines Traums
>
> Der Meinung ist auch Tamara Draut vom unabhängigen Forschungsinstitut
> Demos in New York, das sich seit Jahren mit dem Thema Schuldenfalle
> Universität auseinandersetzt. "Das jetzige System ärgert mich und ich
> bin der Meinung, dass sich das ändern muss", sagt sie. "Teil des
> amerikanischen Traumes ist es, es besser zu haben als die Eltern. Und
> das setzt eine College-Ausbildung voraus. Aber wenn diese dann die
> jungen Leute zu Schuldnern macht und wenn man trotz Bildung nicht
> viel verdient, dann ist hier was faul."
>
> Ihrer Meinung nach liegt das Problem vor allem darin, dass die
> öffentlichen Universitäten einerseits immer weniger Finanzzuwendungen
> der öffentlichen Hand erhalten. Sie andererseits aber immer mehr im
> direkten Wettbewerb und Preiskampf mit den privaten Unis stehen.
> "Alle wollen nur die besten und klügsten Studenten. Die staatlichen
> Unis können sie nur bekommen, wenn ihr Angebot wirklich gut ist. Das
> treibt die Kosten nach oben und geht zulasten der ärmeren Studenten."
>
> Die Verschuldung durch die hohen Studiengebühren ist ein ernstes
> Problem. Es wäre aber durchaus kontrollierbar, meinen Experten. Das
> setzt jedoch vorraus, dass die Jugendlichen am Arbeitsmarkt auch
> genug verdienen, um die Schulden zurückzahlen zu können. Doch mit der
> Verlagerung der US-Ökonomie weg von gut bezahlten Stellen in der
> Industrie und hin zu schlecht bezahlten Dienstleistungsjobs, geraten
> die jungen Leute immer mehr aufs finanzielle Glatteis.
>
> Das durchschnittliche Einkommen eines Arbeiters ohne
> College-Abschluss ist in den vergangenen 30 Jahren um ein Drittel
> gefallen, während jenes für Absolventen mit College-Abschluss
> stagniert. Mitte der 70er Jahre hat etwa ein männlicher
> College-Abgänger durchschnittlich 51 200 Dollar (aufgerechnet auf
> heute) verdient. In 2004 waren es nur mehr 50 700 Dollar.
>
> Das treibt die junge Generation in eine für viele unlösbare
> Schuldenfalle. Denn zu den Rückzahlungsleistungen kommt noch hinzu,
> dass viele Unternehmer in den USA ihren Angestellten keine Kranken-
> und Rentenversicherungsbeiträge mehr zahlen wollen oder können. Auch
> für andere Sozialleistungen stehen sie nicht als Geldgeber zu
> Verfügung. Die Jugend muss dafür selber aufkommen. Das kostet sehr
> viel Geld, da es ja keine verpflichtende staatliche
> Krankenversicherung gibt und die staatliche Rente nur einen Bruchteil
> des Durchschnittlohnes darstellt.
>
> Nicht versichert
>
> In den 70er Jahren waren noch 44 Prozent der jungen Arbeiter in ihren
> Firmen pensionsversichert. Heute sind es nur noch 17 Prozent. Die
> Anzahl der jungen Menschen, die eine betriebliche Krankenversicherung
> haben ist dermaßen gesunken, dass die Generation der unter
> 35-Jährigen nun eine der größten Gruppen der Nicht-Versicherten in
> den USA darstellt. Insgesamt sind das 18 Millionen Menschen.
>
> Immer mehr junge Leute gründen auch viel später einen eigenen
> Hausstand. Der Grund dafür: Die Wohnungsmieten in den Großstädten
> sind enorm in die Höhe geschnellt. Innerhalb der vergangenen sieben
> Jahre sind die Mietpreise etwa in San Franzisco um 75 Prozent, in
> Bosten um 62 Prozent gestiegen. Da bleibt das "Hotel Mama" oft die
> einzige Alternative.
>
> In dem vor kurzem erschienenen Buch "Generation Debt"
> ("Schulden-Generation") argumentiert etwa die 26-jährige Anya
> Kamenetz, dass die Hauptverantwortung für diese Fehlentwicklungen bei
> der Baby-Boom-Generation zu suchen sei. Diese habe es versäumt, für
> sich selber zu sparen, geschweige denn für die nachfolgenden
> Generationen. Das derzeitige 8,2 Trillionen US-Budgetdefizit ist
> dafür ein schlagender Beweis.
>
> Ohne ernstzunehmenden politischen Kurswechsel, wirtschaftliche
> Reformen und eine nachhaltige Finanzpolitik sagt Anya Kamenetz der
> junge Generation der US-Amerikaner eine düstere Zukunft voraus und
> warnt: "Mom, Dad hört mal zu: Die Dinge haben sich geändert. Uns geht
> es nicht so gut wie euch. Und wenn sich das nicht bald ändert, wird
> das auch so bleiben."
>
> Weiterführende Links:
>  [1]
> http://www.suedwest-aktiv.de/landundwelt/im_brennpunkt/2711834/artikel.php
>

-- 
Gruß,
 Tobias.



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