[Debatte-Grundeinkommen] Die Wernersche Steuerlüge

Tobias Crefeld tc-wasg at onlinehome.de
Sa Feb 24 21:58:48 CET 2007


On Fri, 23 Feb 2007 18:02:15 +0200 "Joerg Drescher" <iovialis at gmx.de>
wrote:

> Im Prinzip ist es Haarspalterei, der Steuer irgendeinen Namen
> zuzuweisen. 

Wie der Name schon andeutet, steuert der Staat durch die jeweiligen
Bemessungsgrundlagen der einzelnen Steuern. Insofern ist der Name für
sich sicherlich nur Schall und Rauch, aber für die dahinter stehende
jeweilige Steuer sollte man sich schon konkret mit der jeweiligen
Steuer auseinandersetzen.

Aber denk Dir nichts: Selbst viele MdB können z.B. Steuern und Abgaben
nicht auseinanderhalten. ;)


> Betrachtung. Wie man diese Steuer nun nennt, spielt keine Rolle
> (Werner sagt Konsumsteuer dazu, Dilthey sagt Sozialumsatzsteuer).

Wenn man eine neue Steuer erfindet, dann sollte man diese genauer
beschreiben. Konsumsteuer ist ein Oberbegriff, der alle Steuerarten
zusammenfasst, die Waren und Dienstleistungen für den (privaten)
Endverbraucher verteuern. Was "Sozialumsatzsteuer" ist, weiß ich nicht,
da es sich vermutlich um eine Begriffsbildung handelt.

Was mich in dieser Diskussion schon länger stört, ist die Gleichsetzung
von MwSt. und Konsumsteuer. Gerade im Zusammenhang mit den
Horrorszenarien "60% Mehrwertsteuer" ist dies wenig hilfreich.
Tatsächlich gibt es längt Konsumsteuern, die in diesem Bereich liegen:
Ich nenne nur mal exemplarisch die Mineralölsteuer. Aber auch andere
Konsumsteuern für Tabak oder bestimmte Luxusgüter werden längst mit
einem sehr viel höheren Steuersatz beaufschlagt.


> führt sie ab. Nun kann man argumentieren, daß der Unternehmer das
> Geld besitzt und damit direkter Zahler ist - oder man argumentiert,
> daß der Konsument an den Unternehmer Geld gibt und der Unternehmer
> davon indirekt Steuern zahlt. Besteuert wird in beiden Fällen der
> tatsächliche Handel.

Nein, das ist so pauschal hinsichtlich Konsumsteuern nicht richtig.
Umsatzsteuern werden immer nur einmal erhoben und das ist unmittelbar
beim Verkauf an den Endverbraucher. Der vorsteuerabzugsberechtigte
Händler übernimmt nur das Inkasso für den Staat und führt die Mwst.
unmittelbar entsprechend des von ihm festgesetzten Verkaufspreis ab.
In seinem eigenem Einkauf taucht die Mehrwertsteuer für die gehandelten
Produkte überhaupt nicht auf und die selbst "verbrauchten" Produkte
gelten als Produktionsmittel, die wie die weiterverkauften Produkte
behandelt werden.


> Es gibt allerdings Ausnahmen: z.B. KFZ-Steuer. Für den Besitz eines
> Autos zahlt der Eigentümer Steuern. Hierbei findet kein Handel statt,
> sondern die Steuer richtet sich nach den Besitzverhältnissen. Es gibt
> außerdem noch z.B. eine Jagdsteuer, die sich nicht auf die
> Besitzverhältnisse bezieht, sondern auf eine Tätigkeit ohne Handel.

Es gibt noch sehr viel mehr dieser Steuern. Es sind eben nicht alle
Steuern Konsumsteuern. Eine Vermögenssteuer oder eine Gewinnsteuer wie
z.B. die Kapitalsertragssteuer ist ja auch völlig unabhängig vom
Konsum. Ja, im Gegenteil bezieht sie sich auf Geld, dass mangels Konsum
dem Wirtschaftskreislauf vorenthalten wird.


> Als weiteres Beispiel will ich den Spruch "Geld stinkt nicht"
> anführen. Kaiser Vespasian erhob auf öffentliche Toiletten eine
> spezielle Latrinensteuer. Der Latrinenverwalter führte diese Steuer
> an den Staat ab - der Benutzer zahlte dafür. Ist nun der Benutzer
> Steuerzahler oder der Latrinenverwalter?

Natürlich ist der Latrinenbesitzer der Steuerschuldner, weil dieser an
den Kaiser als Steuergläubiger zahlen muss. 
Würden sich hingegen des Kaisers Schergen direkt vor der Latrine
aufstellen und für die Benutzung kassieren, so wäre dies eine Abgabe,
die durch den Benutzer zu entrichten ist. Genauso wäre es eine Abgabe,
wenn der Benutzer für die Benutzungsberechtigung aller Latrinen des
Kaiserreichs eine Jahrespauschale zahlen würde, weil er ja eine
Leistung dafür erhält.
Wenn der Benutzer dagegen an den Latrinenbesitzer zahlt, handelt es
sich um keine Abgabe. Die Steuer, die der Besitzer dann an den Kaiser
zahlt, kann hingegen als Konsumsteuer ausgeführt sein, wenn er pro
Benutzung einen festgelegten fixen oder prozentualen Betrag steuerlich
abführen muss. Oder er zahlt für den Betrieb der Latrine pauschal -
dann ist es keine Konsumsteuer.

M.W. ist der Begriff des "Steuerzahlers" per se unscharf und wird
deswegen auch nur in der politischen Debatte verwendet. Das FA verwendet
lieber den Begriff des Steuerschuldners. Damit ist klar, wer den Betrag
rein technisch ans Finanzamt abführen muss. 
Wer "eigentlich" zahlt, ist in einer Marktwirtschaft eine eher
politisch-philosophische Frage. Der Computer, der weiterhin für 500 EUR
im Laden steht, wovon nunmehr 19% statt 16% an den Staat wandern,
kostet primär den Händler Marge. Wenn er die 3% Differenz aufschlägt,
kann er das zwar ausgleichen, muss aber möglicherweise auf Umsatz
verzichten und hat letztlich nominell doch wieder weniger an Gewinn
übrig. Der Händler entscheidet also primär. Den Endverbraucher tangiert
es dagegen eventuell, vielleicht aber auch nicht, wenn Konsumsteuern
erhöht werden. Daher zählt man die Konsumsteuer auch zu den indirekten
Steuern.


> Die Frage, wer tatsächlich Steuern zahlt, konnte ich hoffentlich
> durch diesen Beitrag klären. 

Ich fürchte, das kann nur sehr teilweise gelingen, wenn Begriffe
nach Gusto frei definiert werden.



BTW: Die meisten heute verfügbaren Mailprogramme beherrschen eine
Verkettung zusammengehöriger Mails über Referenzen auf Mail-ID oder
Betreff. 
Vielleicht könnte man das unerfreuliche TOFU mit ellenlangen Zitaten
bereits in der Liste verfügbarer Beiträge anderer mal wieder etwas
reduzieren, Danke!

-- 
Gruß,
 Tobias.



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