[Debatte-Grundeinkommen] Zukunft mit BGE

Joerg Drescher iovialis at gmx.de
Do Feb 15 21:22:02 CET 2007


Hallo Guido (und der Rest der Liste),

es freut mich sehr, daß mehr und mehr Leute anfangen, hier etwas zu melden!
Der Listenmod wird zwar fluchen, doch ich finde es überaus wichtig, daß
jeder etwas zum Thema beiträgt. Manche meiner Beiträge sind bewußt
provokativ und müssen nicht unbedingt dem entsprechen, was ich tatsächlich
will. Ich lasse mich auch gerne von einem Standpunkt wegbringen, wenn die
Argumente dazu passen. Was ich schreibe soll zum denken anregen.
Konstruktive Kritik, die Alternativen zu dem aufzeigen, was ich von mir
gebe, ist mir lieber, wie bloße Kritik, die das zerpflückt, was ich
geschrieben hatte. Es ist leider für die meisten einfacher, nur nein zu
sagen, statt wirklich Alternativen zu geben ("so könnte man es meiner
Meinung nach nicht sehen, wäre es nicht so besser?").

Nun zum Fall "staatliches Vorschlagswesen":

Deine Argumente, Guido, will ich auf zwei Ebenen entkräften:
1.) Der Staat ist das Volk (so steht's jedenfalls im Grundgesetz) - das
heißt, daß auch das Volk ein entscheidendes Mitspracherecht bekommen soll.
Es gibt für diesen Fall den Vorschlag "direkter Demokratie" und gemeint sind
Volksentscheide über Abstimmungsverfahren. Das halte ich für sehr
gefährlich, denn ich unterstelle der Masse, daß sie sich nicht zwingend
Einblick über das Thema verschafft, über welches abzustimmen ist. Selbst im
Bundestag haben oft nicht alle Leute fachliche Kompetenz und stimmen nach
Parteimeinung (soviel zur Unabhängigkeit der Abgeordneten, die nach eigenem
Gewissen entscheiden sollen - geschehen bei der Gesundheitsreform, bei der
ersten Vertrauensfrage von Schröder).

2.) Ich gebe Dir recht, daß Ideen auch allein umgesetzt werden. Was aber,
wenn eine Idee (ein "Verbesserungsvorschlag") nicht die Person, nicht den
näheren Umkreis, sondern viel größere Bereiche betrifft? Z.B. könnte jemand
auf die Idee kommen, was mit dem Atommüll passieren soll und wie man diesen
entsorgt (mit 16 Jahren schrieb ich einmal ans Umweltministerium, man solle
den Müll auf den Mond schießen - es kam eine recht kompetente Antwort, warum
man das besser nicht macht - das war Ende der 80er). Und genau hier sollte
den interessierten Bürgern eine Möglichkeit geschaffen werden, auf
staatlicher Ebene mitzureden. So hat die kleinste Minderheit (das
Individuum) ein Mitspracherecht.

Weiter bin ich gegen das Mehrheitsabstimmungsverfahren, das meiner Meinung
nach nicht dem demokratischen Gedanken entspricht. Demokratie heißt für
mich, daß ein Entscheidungsprozeß stattfindet. Bei WikiPedia habe ich z.B.
gelesen, daß Attac das Konsenzprinzip für Entscheidungen verwendet (vgl:
http://de.wikipedia.org/wiki/Konsensprinzip). Dies kommt meiner Auffassung
von Demokratie viel näher, wie ein Abstimmungsverfahren, bei dem ich nur
"ja", "nein" oder gar nichts sagen kann (und die "gar-nichts-Sager" werden
immer mehr).

Die Idee des Vorschlagswesens stammt aus der Marktwirtschaft - es wurde 1888
erstmalig bei Krupp eingeführt und verbreitete und entwickelte sich immer
weiter. Heute findet man dazu Informationen unter dem Begriff
"Ideenmanagement". Selbst in öffentlichen Verwaltungen wird dies verwendet
und angeregt (z.B. Niedersachsen, bayrische Staatsregierung). Die DDR kannte
den Begriff "Neuerer", was einem Vorschlagswesen gleich kommt. Bisher wurden
diese Methoden eher auf den Bereich der Produktionsvereinfachung, bzw.
Verwaltungsvereinfachung angewandt. Warum, so meine Überlegung, nicht auch
für Vorschläge im gesellschaftlichen Bereich - ja, warum nicht in allen
Bereichen?

Das Projekt Megacities sammelt Ideen (meist für Großstädte) aus der ganzen
Welt, um sie an anderen Orten angepaßt anzuwenden. Die größte Quelle für
Innovationen liegt in der Gesamtheit der betroffenen Personen. In der
Marktwirtschaft erkannte man dies und begann es zu nutzen. Der Bürger ist
mündig genug, um sich durch Vorschläge zu beteiligen.

Wie das Verfahren genau aussehen soll, kann ich nicht sagen - mir geht es um
die grundlegende Idee.

Das BGE würde diese Idee ermöglichen.

Jörg (Drescher)


----- Original Message ----- 
From: Guido Casper
To: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
Sent: Thursday, February 15, 2007 4:12 PM
Subject: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Zukunft mit BGE


Joerg Drescher <iovialis at gmx.de> schrieb:
2.) Ein staatliches Vorschlagswesen, das Ideen aus der Bevölkerung sammelt,
welche Probleme wie gelöst werden können. Dies wäre gleichzeitig eine
Alternative zur direkten Demokratie und dem verbundenen
Abstimmungsverfahren.


Ich halte nichts davon, dass dann wieder der Staat darüber entscheidet, was
sinnvoll ist und was nicht. Das ist doch genau das Problem, dass wir heute
haben. Wenn ich finde, dass eine Idee es wert ist, umgesetzt zu werden, dann
setze ich sie um. Welche Unterstützung ich dafür von anderen bekomme, hängt
allerdings davon ab, was andere von der Idee halten. Fast jede Idee hat für
irgend jemanden einen Wert und/oder wird von jemandem wertgeschätzt. So
erhält jede unterstützenswerte Idee eine angemessene Unterstützung. Auch wer
in der Minderheit ist, erhält eine Chance. Niemand wird durch staatliche
Willkür bevorzugt oder benachteiligt. Übrigens: das nennt man
Marktwirtschaft. Ich erwähne das nur für den Fall, dass jemand meint,
Marktwirtschaft und Grundeinkommen schließen sich aus. Das Gegenteil ist der
Fall.

Guido



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