[Debatte-Grundeinkommen] Verhältnis BGE zur Volkswirtschaft, Antwort an Manfred Bartl, Band 23, Eintrag 19

Manfred Bartl sozial at gmail.com
So Feb 11 22:44:00 CET 2007


Hallo, Florian!

Wenn etwas jemandes Wahrnehmung entgangen sein sollte, dann der
Deinen, dass sowohl die DDR als auch Nordkorea sowohl nach außen als
auch im Zahlungsverkehr ihrer Bürger untereinander Geld verwendet
haben bzw. in Nordkorea Geld verwendet wird.

Das Schicksal der DDR wurde besiegelt durch zwei Faktoren: a) Die
Marx'sche Logik wurde nie wirklich angewandt, schließlich war die DDR
eine staatskapitalistische Oligarchie, niemals ein sozialistisches
Land - und schon gar kein kommunistisches. b) Selbst wenn alles so
gewesen wäre, wie man nach außen hin gespielt hat, hätte es trotzdem
nichts genutzt, da ringsum der Kapitalismus an der DDR saugte:
einerseits der Staatskapitalismus der Sowjetunion, andereseits der
Westen.
Der Untergang der DDR hatte weder mit Marx noch mit (DDR-)Geld zu tun!

Was Du im Folgenden über die Dörfer und das Grundeinkommen ausgeführt
hast, ist - ich staune - nichts anderes als eine flammende
Begründungsschrift zur Abschaffung des Geldes! Das scheint Dir selbst
gar nicht bewusst zu sein :-)

Dank jahrhundertelanger Globalisierung IST die Welt doch heute EIN
Dorf! Es kann überhaupt nicht mehr passieren, dass einer vorbeikommt
und will eine Ziege haben, an deren Aufzucht er nicht tasächlich zu
einem gewissen Quantum mitgearbeitet hat, und sei es, weil er den
Faden gesponnen hat, der den Schuh des Mannes zusammenhielt, der dem
Bruder der Ziegenbesitzers (der der Ziege zweimal Wasser gegeben hat)
vor 20 Jahren in Mekka mal erzählt hat, dass Ziege das deutsche Wort
für Chebli ist, worüber er herzlich gelacht hat. (Und das ist wohl
noch ein viel zu direkter Bezug für ein wirklich gutes Beispiel!) Wo
sollte so einer heute herkommen, der eine Ziege braucht und nicht
behaupten kann, zu der Ertragsgemeinschaft zu gehören, die dieses
Produkt erzeugt hat? Doch wohl nur von außerhalb unseres
Sonnensystems!

Das andere Problem, ist das es ein Problem darstellen solle, dass man
einem "Fremden" nichts geben wolle. Nachdem ich bereits nachgewiesen
habe, dass es auf diesem Planeten keine Fremden (mehr) gibt, ist das
eigentliche Problem also die menschliche Gier, auch Freunden nichts
abgeben zu wollen, oder die menschliche Dummheit, nicht zu wissen,
dass man bei jedem beliebigen Dialog auf diesem Planeten einen Freund,
weil Bewohner desselben Dorfes bzw. derselben Ertragsgemeinschaft vor
sich hat. Dass Gier und Dummheit problematisch sind, weiß man aber
nicht erst seit heute :-)

Auch das Beispiel der kargen Oberpfalz und der öligen Wüste machen
klar: Weg mit dem Geld! Denn wenn es unter diesen Umständen um das
neoliberale Konzept der Chancengleichheit so schlecht steht, dann wird
die Wahrheit einer zukünftigen (weil zukunftswürdigen)
Gesellschaftsgestaltung am anderen Ende der politischen Skala stehen,
richtig?!! Und da weder Marktwirtschaft noch Kapitalismus Ziegen oder
Kartoffeln produzieren - schon gar nicht zu viel, wie Du
fälschlicherweise behauptest - , sondern Menschen dies produzieren,
die schon nach unserem vorbildlichen Grundgesetz lebenslang gleich
sein sollen, braucht man entweder ein Grundeinkommen oder - wegen des
die Menschen immer wieder in Reich und Arm auseinandertreibenden Duo
Infernales Marktwirtschaft und Kapitalismus - am besten gleich die
Abschaffung des Geldes!

Deine Mail, Florian, hat dies wieder einmal aufs kräftigste bestätigt!

Mit freundlichen Grüßen
Manfred Bartl




On 2/9/07, Florian Hoffmann <florian at hoffmannlaw.de> wrote:
>
> Lieber Manfred,
>
> das Schicksal der DDR und das Schicksal der verhungernden Nordkoreaner ist
> offensichtlich spurlos an Deiner Wahrnehmung vorübergegangen. Beides sind
> oder waren Systeme, die der Marx'schen Logik (und Deiner) gefolgt sind und
> das Geld abgeschafft haben.
>
> Damit die Diskussion nicht in die falsche Richtung läuft, ist es notwendig
> zu verstehen, weshalb es Geld gibt. Das Ganze läßt sich an einem Beispiel
> einfach darstellen:
>
> Zwei kleine Dörfer in archaischer Zeit, also mehr oder weniger Großfamilien,
> leben nebeneinander, die einen betreiben Viehwirtschaft, die anderen
> Ackerbau (gemeint ist also unsere arbeitsteilige Wirtschaft). Was innerhalb
> der Dörfer bzw. der Großfamilien geschieht ist, dass sie teilweise
> arbeitsteilig den Alltag bewerkstelligen: Der/die eine geht in den Wald
> sammeln, der nächste macht Feuer, kocht, der nächste wäscht die Wäsche, der
> Vierte hütet die Ziegen im einen Dorf, bzw. er bearbeitet den Acker im
> anderen, usw.. Am Ende essen im jeweiligen Dorf alle gemeinsam aus dem
> selben Topf. Die gemeinsame Leistung und die Verteilung des Ertrags erfolgt
> solidarisch ohne Gegenleistung.
>
> Anders sieht es aus, wenn einer aus dem anderen Dorf kommt und eine Ziege
> haben will. Die bekommt er nur, wenn er einen Sack Kartoffeln mitbringt. Das
> Ganze nennt sich Tauschwirtschaft. Die Tauschwährung heißt Kartoffel oder
> Ziehe, was man nimmt, ist eigentlich egal.
>
> Extrem schwierig wird die Veranstaltung, wenn es fünf Dörfer sind, die
> untereinander tauschen wollen und wenn jedes auf ein anderes Gut
> spezialisiert ist. Für diesen Fall hat man sich vor Urzeiten irgend wann mal
> auf Gold als Tauschware geeinigt, weil: Es befriedigt ein Bedürfnis nach
> einer Ware, die viele haben wollen: Schmuck. Es ist knapp und hat daher
> einen stabilen und hohen Tauschwert (Eisen ist deshalb ungeeignet). Es
> oxidiert nicht und ist daher beständig. Es ist in kleine und kleinste
> Einheiten teilbar und läßt sich auch leicht wieder zusammenfügen. Und es ist
> leicht aufzubewahren und zu transportieren, weil klein. Das alles ließe sich
> weder mit der Ziege, noch mit den Kartoffeln bewerkstelligen.
>
> Das Problem ist also, dass man einem Fremden nichts gibt, für das man
> gearbeitet hat und das einem physisch gehört, wenn der andere nicht ein
> Stück Ziege oder Kartoffel mitbringt und da läßt, was heißt: Das Dorf ist im
> Außenverhältnis egoistisch-kapitalistisch (was mir gehört, gehört mir)
> organisiert, und im Innenverhältnis altruistisch (ich gebe, alle geben ohne
> zählbare Gegenleistung - natürlich bekommen alle etwas vom Kuchen). Den
> Gütertausch, die eigentliche Marktwirtschaft, in der immer nach der Ziege,
> also nach dem absolut gleichwertigen (!) Tauschgegenstand gefragt wird,
> abzuschaffen würde bedeuten: Abschaffung der Arbeitsteilung mit der anonymen
> Außenwelt (Schaffner, Bahn, Rewe, etc.) aber auch mit der, die dahinter
> steht (Buswerkstatt, Uniformschneider, Stromlieferant, Kaffeelieferant,
> etc.).
>
> Deine berechtigte Frage: Wenn der Tausch aller Güter in der Marktwirtschaft
> immer zu gleichen Werten geschieht, wie ist dann ein BGE zu positionieren?
> Meine Antwort:
>
> Alle profitieren von der Arbeitsteilung unterschiedlich, d. h. die Knappheit
> (!) des aus der jeweiligen Leistung resultierenden Angebots und damit der
> Preis (das Tauschverhältnis) ist unterschiedlich. Knappheit ist
> Situationsbedingt, willkürlich und ungerecht, wenn man an die Dörfer und die
> Menschen auf der Welt oder in einem Land insgesamt denkt. Der eine sitzt auf
> einem kargen Ackerboden in der Oberpfalz, der andere auf einer Ölquelle in
> der Wüste; der eine ackert das ganze Jahr kläglich, der andere bohrt ein
> Loch und installiert eine Meßuhr (wirklich keine echte "Leistung"); der eine
> hat zu wenig, um glücklich leben zu können, der andere zu viel.
>
> Also muß eine übergreifende Solidargemeinschaft geschaffen werden. Und also
> wird ein Konto eingerichtet, auf das ein Prozentsatz aller Umsätze,
> Einnahmen oder Einkommen (z. B. 30 %) von allen einbezahlt werden muß. Und
> am Ende des Monats werden die Ziegen - an alle gleich viel - verteilt. Der
> Ölscheich nimmt es nur zur Kenntnis (oder nicht einmal das), der Ackerbauer
> kann damit richtig was anfangen, ein echter Beitrag zu seinem
> Lebensunterhalt. Sobald die Ölquelle versiegt ist, und der Ölscheich wieder
> nur noch in der Wüste sitzt, freut er sich auch über die Ziege oder den Sack
> Kartoffeln, die allmonatlich angeliefert werden. Das ist das Schöne an der
> Marktwirtschaft und am Kapitalismus: Irgendwo gibt es immer Zigen und
> Kartoffeln zu viel! Und das BGE ist die Solidargemeinschaft, die diesen
> Ausgleich bewerkstelligt, die das Geld, die Ziegen, verteilt.
>
> Also bitte nicht das Geld abschaffen! denn wir - und unsere Nachfahren -
> haben auf die Dauer alle etwas davon!
>
> Schönes Wochenende!
>
> Florian Hoffmann
>
>
>

-- 
Manfred Bartl
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