[Debatte-Grundeinkommen] Das Arbeits-Paradigma ist nicht richtig!

Manfred Bartl sozial at gmail.com
Di Feb 6 12:19:50 CET 2007


Lieber Joachim!

Ich kann Deine Ausführungen nur nachdrücklich unterstützen -
allerdings nur bis zu einem gewissen Punkt, dem Ende der Fahnenstange
sozusagen. Kurze Zwischenfrage: Meinst Du, dass der Mindestpreis die
"systemfremde Forderung nach Mindestlohn" repariert? Ein
"Mindestlohnanteil am Preis" scheint mir hier argumentativ
stringenter.

Aber zurückzum Grund meines Schreibens. Bei dem Punkt "Wenn XXX, dann
auch Mindestpreis" verlasse ich Deinen Pfad und behaupte, dass solche
erweiterten Eingrenzungen der Grundeinkommensidee, werden sie erst
einmal angedacht, auch fortgedacht werden - und dann sehr schnell zur
kompletten Abschaffung des Geldes führen müssen.

Das Grundeinkommen stellt sehr pointiert das Mensch-Sein in den
Mittelpunkt und nicht die Qualität oder die Quantität der Leistung
(auch wenn es "hintenrum" als Inspiration zur bewussten, freiwilligen
und lustvoller Leistungsabgabe angesehen wird). Das Mensch-Sein aber
kennt nur individuelle Aspekte einer Leistungsabfrage und Produkt- und
Dienstleistungszuteilung: Ein jeder nach seinen Fähigkeiten, einem
jeden nach seinen Bedürfnissen! Wenn man behauptet, Geld sei in einer
Gesellschaft (auch mit Grundeinkommen) notwendig zur Preisfindung, so
muss man doch erkennen, dass dieser Preis die Individualität eben
nicht berücksichtigt. Er ist - wenn überhaupt - nur ein
Durchschnittswert. Dann aber führt der Preis einer Ware oder einer
Dienstleistung grundsätzlich zum Öffnen der Schere zwischen Arm und
Reich. Geld ist ein Katalysator für die exponentielle Entwicklung von
Reichtum auf der einen und von Armut auf der anderen Seite - und zwar
in jedem Wirtschaftssystmen.

Ich halte daher das Grundeinkommen für die dringend notwendige
Reparatur der Folgeschäden des Kapitalismus - aber eine Lösung kann
nur die Abschaffung des Geldes sein.

Mit freundlichen Grüßen
Manfred Bartl


On 2/5/07, j.behncke <j.behncke at bln.de> wrote:
> Irgendwie ist da was dran, an der Argumentation.
>
> Ein paar Anmerkungen von mir:
>
> In der allgemeinen Diskussion wird die Arbeit vorrangig vor dem Begriff der
> Wertschöpfung behandelt: Nach dem Motto: wenn ich morgens in meine
> (gewärmte) Dienststube gehe, den ganzen Tag Leute ärgere, am Monatsende mein
> Gehalt erhalte, dann arbeite ich.
>
> Mag so gesehen werden -  Im physikalischen Sinne des Arbeitsbegriffs
> natürlich nicht: Arbeit= Kraft mal Weg, und noch so viel Krafteinsatz (
> ganzen Tag im Büro, verbraucht ja auch Kräfte ), ohne bewirkte Wegstrecke
> macht: Arbeit gleich null.
>
> Daß Einkommen nur für eine große Menge von fleißigen und nicht sehr
> bemittelten etwas mit Arbeit zu tun hat, wissen wir seit den Ackermännern
> dieser Welt. Leistungsloses Einkommen in Form von Zinsen auf Kapital war
> schon immer die Haupteinnahmequelle herrschender Schichten. Dagegen hat sich
> die christliche Arbeitsethik stets gewandt, mit erstaunlichem Erfolg: Der
> Großteil der Bevölkerung ist ruhig gestellt in dem ständigen Tagesablauf wie
> oben geschildert. Danach ist keine Kraft mehr für neue Gedanken. Nicht ohne
> Grund gingen die neuen Gedanken der Intellektuellen des 19. Jahrhunderts (
> Marx war nur einer von ihnen, und nicht einmal besonders bemittelt ) von
> Sprößlingen wohlhabender Familien aus. Wie auch sonst: Müßiggang ist aller
> Philosophie Anfang.
>
> Aber nach langer Vorrede zum Thema: Was ist eigentlich Wertschöpfung? Und
> ist der Wertschöpfungsbegriff nicht viel zentraler als der Arbeitsbegriff?
>
> Meine "poor mans version" der Wertschöpfung: Wenn das, was ich an resourcen
> einsetze, verglichen zu dem, was ich als Entgelt ( und dieses Entgelt ist in
> einer kapitalistischen Marktwirtschaft bestimmt von Angebot und
> Nachfrage )erhalte, verhältnismäßig gering ist,  habe ich eine hohe
> Wertschöpfung.
>
> Beispiel: Spezialisten, die brennende Ölquellen löschen können setzen ihr
> know how ein, ihr Leben und einige Betriebsmittel: Ergebnis: Extrem hohe
> Wertschöpfung und Verdienst, oder, anderes Beispiel: Fußballer,
> Schauspieler, die Millionen in ihren Bann ziehen: Hohe Wertschöpfung, weil
> hohe Nachfrage, hoher Verdienst.
>
> Gegenbeispiel: Die Wertschöpfung einer einfachen Studentin, die im Theater
> Mäntel auf den Haken hängt: Diese Tätigkeit kann jeder andere übernehmen,
> der Verdienst ist ensprechend gering, tendiert im System von Angebot und
> Nachfrage bei bestehendem hohen Angebot gegen Null: Daher die Notwendigkeit
> für ein Grundeinkommen.
>
> Viele, auch engagierte Freunde eines Grundeinkommens, verlangen parallel zum
> Grundeinkommen einen Mindestlohn, damit die Löhne nicht ins bodenlose
> sinken: Ich meine, die Forderung von Mindestlöhnen verbunden mit
> Grundeinkommen ist systemfremd: Dann sollte man auch Mindestpreise
> verlangen: Für Oberhemden mehr als 40 €, denn mit einem geringeren Preis
> werden die Lohnarbeiter in anderen Regionen in unserer globalisierten Welt
> ausgebeutet, oder nicht?
>
> Grüße
> Joachim Behncke, Berlin
>


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