[Debatte-Grundeinkommen] Das Arbeits-Paradigma ist nicht richtig!

j.behncke j.behncke at bln.de
Mo Feb 5 17:55:31 CET 2007


Irgendwie ist da was dran, an der Argumentation.

Ein paar Anmerkungen von mir:

In der allgemeinen Diskussion wird die Arbeit vorrangig vor dem Begriff der
Wertschöpfung behandelt: Nach dem Motto: wenn ich morgens in meine
(gewärmte) Dienststube gehe, den ganzen Tag Leute ärgere, am Monatsende mein
Gehalt erhalte, dann arbeite ich.

Mag so gesehen werden -  Im physikalischen Sinne des Arbeitsbegriffs
natürlich nicht: Arbeit= Kraft mal Weg, und noch so viel Krafteinsatz (
ganzen Tag im Büro, verbraucht ja auch Kräfte ), ohne bewirkte Wegstrecke
macht: Arbeit gleich null.

Daß Einkommen nur für eine große Menge von fleißigen und nicht sehr
bemittelten etwas mit Arbeit zu tun hat, wissen wir seit den Ackermännern
dieser Welt. Leistungsloses Einkommen in Form von Zinsen auf Kapital war
schon immer die Haupteinnahmequelle herrschender Schichten. Dagegen hat sich
die christliche Arbeitsethik stets gewandt, mit erstaunlichem Erfolg: Der
Großteil der Bevölkerung ist ruhig gestellt in dem ständigen Tagesablauf wie
oben geschildert. Danach ist keine Kraft mehr für neue Gedanken. Nicht ohne
Grund gingen die neuen Gedanken der Intellektuellen des 19. Jahrhunderts (
Marx war nur einer von ihnen, und nicht einmal besonders bemittelt ) von
Sprößlingen wohlhabender Familien aus. Wie auch sonst: Müßiggang ist aller
Philosophie Anfang.

Aber nach langer Vorrede zum Thema: Was ist eigentlich Wertschöpfung? Und
ist der Wertschöpfungsbegriff nicht viel zentraler als der Arbeitsbegriff?

Meine "poor mans version" der Wertschöpfung: Wenn das, was ich an resourcen
einsetze, verglichen zu dem, was ich als Entgelt ( und dieses Entgelt ist in
einer kapitalistischen Marktwirtschaft bestimmt von Angebot und
Nachfrage )erhalte, verhältnismäßig gering ist,  habe ich eine hohe
Wertschöpfung.

Beispiel: Spezialisten, die brennende Ölquellen löschen können setzen ihr
know how ein, ihr Leben und einige Betriebsmittel: Ergebnis: Extrem hohe
Wertschöpfung und Verdienst, oder, anderes Beispiel: Fußballer,
Schauspieler, die Millionen in ihren Bann ziehen: Hohe Wertschöpfung, weil
hohe Nachfrage, hoher Verdienst.

Gegenbeispiel: Die Wertschöpfung einer einfachen Studentin, die im Theater
Mäntel auf den Haken hängt: Diese Tätigkeit kann jeder andere übernehmen,
der Verdienst ist ensprechend gering, tendiert im System von Angebot und
Nachfrage bei bestehendem hohen Angebot gegen Null: Daher die Notwendigkeit
für ein Grundeinkommen.

Viele, auch engagierte Freunde eines Grundeinkommens, verlangen parallel zum
Grundeinkommen einen Mindestlohn, damit die Löhne nicht ins bodenlose
sinken: Ich meine, die Forderung von Mindestlöhnen verbunden mit
Grundeinkommen ist systemfremd: Dann sollte man auch Mindestpreise
verlangen: Für Oberhemden mehr als 40 €, denn mit einem geringeren Preis
werden die Lohnarbeiter in anderen Regionen in unserer globalisierten Welt
ausgebeutet, oder nicht?

Grüße
Joachim Behncke, Berlin


----- Original Message -----
From: "Matthias Dilthey" <info at psgd.info>
To: <debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de>
Sent: Sunday, February 04, 2007 2:55 PM
Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Das Arbeits-Paradigma ist nicht richtig!


> Liebe Liste, hallo Ronald, hallo Florian,
>
> viele der Diskussionen erübrigen sich, würde erkannt werden, daß das
Marx´sch
> Arbeitsparadigma schlichtweg falsch ist.
>
> Nimmt man unrichtige Aussagen in Form von Axiomen als Grundlage einer
> Diskussion, so ergeben sich unauflösliche Widersprüche.
> Aussagen sind nur dann Axiome, und nur dann, Axiome, wenn sie sich
> widerspruchslos in wie auch immer geartete Kausalketten einfügen lassen.
>
> Dies ist leider bei der Marx´schen Arbeitslehre nicht der Fall, wie die
> Diskussion Künkler-Blasche-Hoffman belegt.
>
>
> Künkler hat freilich recht mit seiner Behauptung "von der Notwendigkeit
der
> Arbeit". Unrecht hat er jedoch damit, daß die Arbeit menschlicher Natur
sein
> muß. Hauptsache ist doch, daß die Arbeit getan wird, von wem ist sekundär.
>
> Ich widerspreche Florian Hofmann, daß der fleißige Weinbauer 42 mal im
Jahr an
> seinen Reebstöcken vorbeigeht. Das macht eventuell der dumme Bauer. Der
> fleißige Bauer schickt seinen Roboter. Und wenn es den Roboter noch nicht
> gibt, so entwickelt der fleißige Bauer eben einen.
>
> Eine Notwendigkeit zur menschlichen Arbeit kann ich im Weinbau beim besten
> Willen nicht erkennen, höchstens eine technische Unfähigkeit unserer
> Ingenieure!
> Doch auch da ist Besserung in Sicht: Seit letztem Jahr gibt es
> Weinlese-Automaten!
>
>
> Richtigerweise behauptet Künkler, daß jeder Sozial-Transfer aus der
> Wertschöpfung bezahlt werden muß. Falsch hingen die Implementierung, daß
> ausschließlich menschliche Arbeit Wertschöpfung erzeugen kann:
>
> Jedoch behaupte und belege ich, daß unsere heutige Bestimmung des Wertes
der
> Arbeit (Wertschöpfung) falsch ist.
>
> Oder wie will man begründen, warum z.B. die Wertschöpfung "1 Stück Bluse
> nähen" in Albanien anders ist als in Ungarn und wiederum anders als in
> Deutschland?
>
> Warum ist die Wertschöpfung "1 Stück Bluse nähen" wieder anders, wenn ein
> Roboter diese Arbeit erledigt?
>
>
>
> Die physikalische und real-materielle Wertschöpfung durch "1 Stück Bluse
> nähen" ist immer gleich groß, ob in Albanien, Ungarn, China, Deutschland
oder
> durch einen Automaten ausgeführt.
>
> Was hier als "weltweite Grundlage zum wirtschaftlichen Austausch"
bezeichnet
> wird, ist das Ausnutzen künstlich geschaffener Preisdifferenzen zu Lasten
der
> Menschen.
>
>
> Diese ganzen Widersprüche lösen sich auf, benutzt man das Dilthey-Axiom
als
> Diskussionsgrundlage:
>
> "Der Veredelungswert, also der Mehrwert, entspricht exakt dem zur
Veredelung
> notwendigermaßen eingesetzten Energiezufluß."
>
>
> Matthias Dilthey
>
>
>
>
>
>
>
> Am Samstag, 3. Februar 2007 19:11 schrieb Florian Hoffmann:
> > Lieber Herr Blaschke,
> >
> > Sie wissen vielleicht, dass ich ein leidenschaftlicher Anhänger eines
BGE
> > bin, aber ich möchte Ihnen auch sagen, dass man bei Herrn Künkler, dem
> > Hauptamtlichen Gewekschaftsfunktionär ein paar Argumente gibt, die man
sich
> > durchaus anhören sollte:
> >
> > 1. Freiheit vom Zwang zur Lohnarbeit? Natürlich hat Herr Künkler recht,
> > wenn er behauptet, dass in jeder Gesellschaft die Notwendigkeit zur
Arbeit
> > besteht. Wer nicht säht, kann nicht ernten. Sähen und Ernten sind
Arbeiten.
> > An jedem Rebstock geht ein fleißiger Weinbauer pro Jahr 42 mal vorbei.
> > Alles Arbeit. Ohne Arbeit gibt es keinen Wein. Wer nicht atmet, kann
nicht
> > leben, wer seine Kauwerkzeuge nicht gebraucht, kann nichts schlucken,
> > verhungert. Arbeiten muß sein. Der Zwang, die Notwendigkeit besteht
> > natürlicher Weise.
> >
> > 2. Deshalb hat Herr Künkler recht: "Jeder Sozialtransfer muss aus dieser
> > laufenden Wertschöpfung erwirtschaftet werden." Das bedeutet, dass
jemand
> > etwas erarbeitet und davon einen Teil an einen anderen abgibt. Da diese
> > Weitergabe normalerweise nur dann gerechtfertigt ist, wenn der andere
> > irgendwie bedürftig ist, ist die "Bedingung" entstanden. Nur wer
arbeitslos
> > ist, bekommt, Arbeistlosenunterstützung, nur wer eine zu teuere Wohnung
> > bewohnt, bekommt, Wohngeld, nur wer studiert, also nichts verdienen kann
> > und dessen Eltern "arm" sind, bekommt Bafög. Diese Wenn-Dann-Beziehungen
> > wurden die Grundlage unseres Sozialstaatsdenkens.
> >
> > 3. Die wachsende Zahl der Wenn-Dann-Begründungen und ihrer Begünstigten,
> > verbunden mit einer prosperierenden Gesamtwirtschaft und einer
> > entsprechenden Gedankenlosigkeit der Politiker, hat zu einem Ausufern
der
> > Anwendung des Wenn-Dann-Prinzips geführt und ist einer der Begründungen,
> > weshalb man den Durchschnittstransfer nicht auf alle anwendet und es
denen,
> > die es nicht nötig haben, also Mehrverdiener, per Steuersatz wieder
> > abnimmt. Soweit würde Herr Künkler vielleicht noch mitgehen, weil die
> > Transfers (z. B. Wohngeld) eben nichts mit Existenzminimum zu tun haben.
> > Aber er geht nicht mit bis zum auskömmlichen Einkommen als
Grundeinkommen
> > geht er nicht mit. Und ich auch nicht, denn:
> >
> > 4. Grundeinkommen, Basic Income, ist ein mehr oder weniger stabiles
> > Einkommen, mit dem man monatlich rechnen kann, so wie das Kindergeld.
Das
> > Kindergeld hat nichts mit den Kosten eines Kindes oder seinem
> > Existenzminimum zu tun, sondern ist eben ein Grundeinkommen, auf das ich
> > mich immer verlassen kann - völlig unabhängig von seiner Höhe! Ich
sattle
> > auf dieses Grundeinkommen durch eigene Leistung drauf. Das macht Spass,
> > weil mir das Grundeinkommen etwas Mühsal abnimmt, etwas Sicherheit gibt.
> > Das Grundeinkommen ist ein Solidareinkommen, das jeder bekommt - wie das
> > Kindergeld jeder bekommt, der ein oder mehrere Kinder hat. Wenn man
weiß,
> > dass es erarbeitetes Einkommen ist, ist man für jeden Betrag dankbar.
Man
> > spürt die Solidarität jeden Monat auf dem Bankkonto. Das ist das Schöne
am
> > Grundeinkommen. Und jeder bekommt es, bedingungslos, jeder spürt die
> > Solidarität, egal wie hoch der Betrag ist. Das können auch 55,21 Euro
> > monatlich sein, geschenktes, aber von anderen erarbeitetes Geld.
> >
> > 5. Ein Grundeinkommen, so definiert, hat keinerlei Einfluß, keinerlei
> > Auswirkungen auf Lohnverhandlungen, denn niemand würde sich erlauben,
das
> > Thema überhaupt anzusprechen: Denn Gegenstand der Lohnverhandlungen ist
das
> > Arbeitseinkommen, nicht das Solidareinkommen, welches alle am Tisch
> > allmonatlich einstreichen! Wenn man also Grundeinkommen richtigerweise
so
> > definiert, wie Herr Künkler es fordert, also ohne "auskömmliches
> > Existenzminimum", könnte man ihn vermutlich für das BGE gewinnen. Das
wäre
> > nicht nur einer mehr!
> >
> > Schönen Abend!
> >
> > Florian Hoffmann
> >
> > >  Und wie ein Hauptamtlicher der gewerkschaftlichen
> > > Erwerbslosenkoordinierung mit dem Thema Grundeinkommen umgeht -
> > > siehe Anhang.
> > >
> > >  Ronald Blaschke
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