[Debatte-Grundeinkommen] Replik auf Antworten zu Beitrag Blaschke über einen Hauptamtlichen , Band 23, Eintrag 7

Georg Jaehnig georg at jaehnig.org
Mo Feb 5 18:09:21 CET 2007


Hallo,

On 2/5/07, Florian Hoffmann <florian at hoffmannlaw.de> wrote:
> Zwischen Euphrat und Tigris, also im fruchtbaren Zweistromland, wurde die
> Gerechtigkeit alle 50 Jahre durch eine Neuverteilung des Ackerbodens
> hergestellt. Es wurde also die Grundlage für jeden für ein Einkommen
> geschaffen, aber nicht das Einkommen selbst. Nach der Verteilung kam es auf
> den Fleiß, die Geschicklichkeit und das Glück an, was der Einzelne daraus
> gemacht hat. Aber natürlich wurden nicht Häuser, Handwerkszeug, Mägde neu
> verteilt, und schon gar nicht Intelligenz, gesunde familiäre Strukturen,
> persönliche Kraft, etc.. Nur in einem Teilbereich, wenn auch einem
> essentiellen, wurde so etwas wie Gerechtigkeit geschaffen.
>
> Und so würde ich ein Grundeinkommen sehen.

Aber wäre ein Grundeinkommen von 55,21 EUR (oder jeder anderen
nicht-existenzsichernden Höhe) wirklich eine Lebensgrundlage?

Der Acker im Zweistromland war eine solche. Wer einen hatte, konnte
(weitgehend) ohne fremde Hilfe für sich sorgen. Heute aber brauche ich
aber immer fremde Hilfe - die ich mir durch Geld erkaufen kann.

Götz Werner unterscheidet deshalb gern zwischen der damaligen
Selbstversorgungs- und der heutigen Fremdversorgungsgesellschaft:

"Damals galt: Wer seinen Acker nicht bebaute und sein Feld nicht
bestellte, der war selbst daran schuld, wenn er nichts zu essen hatte.
Jetzt leben wir in der Fremdversorgungsgesellschaft. Ich kann gar
nicht für mich allein arbeiten. Immer wenn ich arbeite, arbeite ich
für jemand anderen. Ich brauche also ein Einkommen, um am
gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können."

http://www.taz.de/pt/2006/11/27/a0146.1/text

Ein existenssicherndes Grundeinkommen ist nichts anderes als damals
ein Acker. Ein Schriftsteller braucht es, damit er Bücher schreiben
kann; ein Wissenschaftler, damit er forschen kann. Es soll mich
befreien vom Zwang des alltäglichen Broterwerbs und mir den Freiraum
geben, mich mit meinen spezielle Fähigkeiten in die Gesellschaft
einzubringen.

> Wie viel das ist, richtet sich nach der demokratisch ermittelten Höhe
> des Steuersatzes, für alle „Umsätze" gleich, egal ob Mehrwertsteuer oder
> Einkommensteuer (und zwangsläufig nach dem allgemeinen Einkommensniveau: In
> Sambia wären € 55,21 monatlich sehr, sehr viel, wahrscheinlich zuviel!)

Damit ich ihre Idee verstehe: Sie wollen ein nicht-existenzsicherndes
Grundeinkommen bei Abschaffung aller bisherigen Transferleistungen?

> Die Ermittlung und Diskussion der Höhe des Gerechtigkeitstransfers sollte
> also nicht bei der Zahlung beginnen, sondern beim Steuersatz, also dem
> solidarischen Anteil dessen, was in den Pott kommt. Ein solches System würde
> ein allgemeines Gefühl der Gerechtigkeit und Solidarität erzeugen, es wäre
> in vertretbarem Maße auch gerecht.

Wir sehen es heute als gerecht an, wenn jedes Kind kostenlos zur
Schule gehen, wenn ich die Polizei kostenlos um Schutz bitten, wenn
ich kostenlos Straßen benutzen kann.

Warum soll es dann ungerecht sein, wenn wir jeden Menschen "kostenlos"
überleben und teilhaben haben lassen?

-- 
amike, Georg

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