[Debatte-Grundeinkommen] Replik auf Antworten zu Beitrag Blaschke über einen Hauptamtlichen , Band 23, Eintrag 7

Matthias Dilthey info at psgd.info
Mo Feb 5 15:12:27 CET 2007


Lieber Florian Hoffmann, liebe Mitstreiter,

wenn ich Florian Hofmann richtig verstanden habe, möchte er die BGE-Höhe 
dynamisch an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der entsprechenden 
Volkswirtschaft koppeln.

Dies möchte er erreichen, indem (demokratisch) ein Steuersatz festgelegt wird. 
Die sich aus dieser "Sozialsteuer" ergebenden Einnahmen bestimmen die 
BGE-Höhe.
Ist die entsprechende Volkswirtschaft leistungsfähig, steigt die BGE-Höhe. 
Sinkt die Leistungsfähigkeit, sinkt die BGE-Höhe.
Daraus kann sich dann durchaus ein Arbeitszwang entwickeln. Aber nur dann, 
wenn fehlende Erwerbsarbeit (Hängematte) die Schuld an dem 
Leistungs-UN-vermögen trägt.

Wichtig und richtig ist die Erkenntnis, das BGE dynamisch auszugestalten. Ob 
die Dynamisierung wie z.B. beim Dilthey-Modell über einen (demokratisch) 
festzulegenden Prozentsatz des durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens, oder 
wie bei Hoffmann über einen Steuersatz auf Einkünfte erfolgt, ist egal.


Hoffmann benutzt die Steuereinnahmen als Indikator für das durchschnittliche 
Pro-Kopf-Einkommen und stellt die BGE-Höhe indirekt darauf ab, das 
Dilthey-Modell stellt direkt darauf ab.
Das Ergebnis ist das selbe, sowohl was die BGE-Höhe als auch die Steuersätze 
betrifft.



Matthias Dilthey  


Am Montag, 5. Februar 2007 12:00 schrieb Florian Hoffmann:
> Liebe Listis, liebe Mitstreiter,
>
> ich freue mich, dass mein Beitrag "an Blaschke über einen Hauptamtlichen"
> so vielfältige Diskussionsbeiträge ausgelöst hat, insbesondere darüber,
> dass offengelegt wurde, wo die Differenzen im Grundverständnis liegen. Um
> es einfach zu formulieren: Allen anderen geht es beim Grundeinkommen um die
> Höhe, mir nicht (und ich finde mich da in guter Gesellschaft, weil es bei
> BIEN nicht anders gesehen wird). Ich darf es deshalb noch einmal auf den
> Punkt bringen:
>
> Wir sind hier bei der Gerechtigkeitsfrage, der sozialen Grundfrage
> überhaupt. Wenn man als Beispiel Deutschland mit seinen 80 Mio Einwohnern
> nimmt, die irgendwie täglich versorgt werden müssen, dann stellt sich die
> Frage, ob man die existenzielle Grundversorgung generell einfach so ohne
> Leistungsanreiz zur Verfügung stellen darf, oder ob damit die Versorgung
> nicht irgendwie zusammenbricht. Denn es könnte z. B. sein, dass die
> Angebotsmenge an Gütern dramatisch sinkt, bei gleichbleibender Geldmenge.
> Das hätte zur Folge, dass ein großer Teil des umverteilten Vorteils durch
> Inflation (Geldentwertung) vernichtet würde. Es kann sein, kann aber auch
> nicht sein. Prognosen dieser Art halte ich für unmöglich. Um die
> Gerechtigkeitsfrage im Sinne eines BGE dennoch zu lösen, halte ich einen
> Blick ins alte Testament für sinnvoll:
>
> Zwischen Euphrat und Tigris, also im fruchtbaren Zweistromland, wurde die
> Gerechtigkeit alle 50 Jahre durch eine Neuverteilung des Ackerbodens
> hergestellt. Es wurde also die Grundlage für jeden für ein Einkommen
> geschaffen, aber nicht das Einkommen selbst. Nach der Verteilung kam es auf
> den Fleiß, die Geschicklichkeit und das Glück an, was der Einzelne daraus
> gemacht hat. Aber natürlich wurden nicht Häuser, Handwerkszeug, Mägde neu
> verteilt, und schon gar nicht Intelligenz, gesunde familiäre Strukturen,
> persönliche Kraft, etc.. Nur in einem Teilbereich, wenn auch einem
> essentiellen, wurde so etwas wie Gerechtigkeit geschaffen.
>
> Und so würde ich ein Grundeinkommen sehen. Von dem Acker kann auch niemand
> abbeißen. Erst intensive Arbeit schafft die Früchte, wenn auch heute oft
> dramatisch verstärkt durch Technik-Unterstützung. Auch im alten Testament
> hätte man schon die Früchte verteilen können, aber das wäre sicherlich
> höchstens ein Jahr lang gut gegangen. Das gerechte Verteilen der Früchte
> ist das planwirtschaftliche Modell, das den Einzelnen demotiviert und seine
> Intelligenz und Energie ausschaltet.
>
> Weil bei uns aber die Neuverteilung der Äcker keinen Sinn macht (die Formen
> der Kapitalbildung sind zu vielfältig), deshalb bin ich für Gerechtigkeit
> in der Weise, wie es Künkler wahrscheinlich einsehen würde: Wer etwas
> erarbeitet, oder etwas durch Maschinen- und Kapitaleinsatz verdient, tut
> einen Anteil in einen Topf, dessen Inhalt solidarisch, also gleich verteilt
> wird. Wie viel das ist, richtet sich nach der demokratisch ermittelten Höhe
> des Steuersatzes, für alle „Umsätze“ gleich, egal ob Mehrwertsteuer oder
> Einkommensteuer (und zwangsläufig nach dem allgemeinen Einkommensniveau: In
> Sambia wären € 55,21 monatlich sehr, sehr viel, wahrscheinlich zuviel!)
>
> Die Ermittlung und Diskussion der Höhe des Gerechtigkeitstransfers sollte
> also nicht bei der Zahlung beginnen, sondern beim Steuersatz, also dem
> solidarischen Anteil dessen, was in den Pott kommt. Ein solches System
> würde ein allgemeines Gefühl der Gerechtigkeit und Solidarität erzeugen, es
> wäre in vertretbarem Maße auch gerecht.
>
> Schönen Tag noch!
>
> Florian Hoffmann



Mehr Informationen über die Mailingliste Debatte-Grundeinkommen