[Debatte-Grundeinkommen] Replik auf Antworten zu Beitrag Blaschke über einen Hauptamtlichen , Band 23, Eintrag 7

Florian Hoffmann florian at hoffmannlaw.de
Mo Feb 5 12:00:47 CET 2007


Liebe Listis, liebe Mitstreiter,

ich freue mich, dass mein Beitrag "an Blaschke über einen Hauptamtlichen" so
vielfältige Diskussionsbeiträge ausgelöst hat, insbesondere darüber, dass
offengelegt wurde, wo die Differenzen im Grundverständnis liegen. Um es
einfach zu formulieren: Allen anderen geht es beim Grundeinkommen um die
Höhe, mir nicht (und ich finde mich da in guter Gesellschaft, weil es bei
BIEN nicht anders gesehen wird). Ich darf es deshalb noch einmal auf den
Punkt bringen:

Wir sind hier bei der Gerechtigkeitsfrage, der sozialen Grundfrage
überhaupt. Wenn man als Beispiel Deutschland mit seinen 80 Mio Einwohnern
nimmt, die irgendwie täglich versorgt werden müssen, dann stellt sich die
Frage, ob man die existenzielle Grundversorgung generell einfach so ohne
Leistungsanreiz zur Verfügung stellen darf, oder ob damit die Versorgung
nicht irgendwie zusammenbricht. Denn es könnte z. B. sein, dass die
Angebotsmenge an Gütern dramatisch sinkt, bei gleichbleibender Geldmenge.
Das hätte zur Folge, dass ein großer Teil des umverteilten Vorteils durch
Inflation (Geldentwertung) vernichtet würde. Es kann sein, kann aber auch
nicht sein. Prognosen dieser Art halte ich für unmöglich. Um die
Gerechtigkeitsfrage im Sinne eines BGE dennoch zu lösen, halte ich einen
Blick ins alte Testament für sinnvoll:

Zwischen Euphrat und Tigris, also im fruchtbaren Zweistromland, wurde die
Gerechtigkeit alle 50 Jahre durch eine Neuverteilung des Ackerbodens
hergestellt. Es wurde also die Grundlage für jeden für ein Einkommen
geschaffen, aber nicht das Einkommen selbst. Nach der Verteilung kam es auf
den Fleiß, die Geschicklichkeit und das Glück an, was der Einzelne daraus
gemacht hat. Aber natürlich wurden nicht Häuser, Handwerkszeug, Mägde neu
verteilt, und schon gar nicht Intelligenz, gesunde familiäre Strukturen,
persönliche Kraft, etc.. Nur in einem Teilbereich, wenn auch einem
essentiellen, wurde so etwas wie Gerechtigkeit geschaffen.

Und so würde ich ein Grundeinkommen sehen. Von dem Acker kann auch niemand
abbeißen. Erst intensive Arbeit schafft die Früchte, wenn auch heute oft
dramatisch verstärkt durch Technik-Unterstützung. Auch im alten Testament
hätte man schon die Früchte verteilen können, aber das wäre sicherlich
höchstens ein Jahr lang gut gegangen. Das gerechte Verteilen der Früchte ist
das planwirtschaftliche Modell, das den Einzelnen demotiviert und seine
Intelligenz und Energie ausschaltet.

Weil bei uns aber die Neuverteilung der Äcker keinen Sinn macht (die Formen
der Kapitalbildung sind zu vielfältig), deshalb bin ich für Gerechtigkeit in
der Weise, wie es Künkler wahrscheinlich einsehen würde: Wer etwas
erarbeitet, oder etwas durch Maschinen- und Kapitaleinsatz verdient, tut
einen Anteil in einen Topf, dessen Inhalt solidarisch, also gleich verteilt
wird. Wie viel das ist, richtet sich nach der demokratisch ermittelten Höhe
des Steuersatzes, für alle „Umsätze“ gleich, egal ob Mehrwertsteuer oder
Einkommensteuer (und zwangsläufig nach dem allgemeinen Einkommensniveau: In
Sambia wären € 55,21 monatlich sehr, sehr viel, wahrscheinlich zuviel!)

Die Ermittlung und Diskussion der Höhe des Gerechtigkeitstransfers sollte
also nicht bei der Zahlung beginnen, sondern beim Steuersatz, also dem
solidarischen Anteil dessen, was in den Pott kommt. Ein solches System würde
ein allgemeines Gefühl der Gerechtigkeit und Solidarität erzeugen, es wäre
in vertretbarem Maße auch gerecht.

Schönen Tag noch!

Florian Hoffmann







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