[Debatte-Grundeinkommen] zu Beitrag Blaschke über einen Hauptamtlichen; Debatte-grundeinkommen, Band 23, Eintrag 4

Bernd Kowarsch bernd at abnuto.de
So Feb 4 21:19:19 CET 2007


----- Original Message -----
From: "Florian Hoffmann" <florian at hoffmannlaw.de>
To: <debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de>
Sent: Saturday, February 03, 2007 7:11 PM
Subject: Re: [Debatte-Grundeinkommen]zu Beitrag Blaschke über einen
Hauptamtlichen; Debatte-grundeinkommen, Band 23, Eintrag 4



Hallo Florian,


> 1. Freiheit vom Zwang zur Lohnarbeit? Natürlich hat Herr Künkler recht,
> wenn er behauptet, dass in jeder Gesellschaft die Notwendigkeit zur Arbeit
> besteht. Wer nicht säht, kann nicht ernten. Sähen und Ernten sind
Arbeiten.

Da frag ich mich, wer wohl die Kohle sähte, die wir ernten.
Wer sähte den Wind? Wer das Sonnenlicht?

Ja, ernten ist Arbeit. Aber eine Windmühle erspart wem
täglich 2 Tonnen Kohle in den Ofen zu schaufeln.

Wir sähen Bäume, sind dabei jedoch nicht annähernd so
produktiv wie die Natur. Wir sähen, aber vor der Ernte
brauchts den Regen. Wer sähte den Regen?
Keine Gesellschaft existiert ohne Geschenke.


Es stimmt schon trotzdem, wenn Herr Künkler sagt, in jeder
Gesellschaft bestünde die Notwendigkeit zur Arbeit.

Wenn aber solche Notwendigkeit aus der Gesellschaft heraus besteht,
und nicht 'bloß' einen aufoktroyierten, administrativ hergestellten Zwang
bedeutet, dann müsste auch ein Wissen um diese Notwendigkeit in den
Menschen vorhanden sein.
Die Menschen werden sich nicht gegen solch notwendiges Arbeiten
wehren, werden sich dem nicht verweigern.
Wogegen sie sich allerdings zurecht wenden, ist die Folge der
Behauptung einiger weniger, sie wüssten besser als die vielen,
was zu erledigen ist, und wofür dann kein Geld mehr da sein soll.


> "Jeder Sozialtransfer muss aus dieser laufenden Wertschöpfung
> erwirtschaftet werden." Das bedeutet, dass jemand etwas erar-
> beitet und davon einen Teil an einen anderen abgibt. Da diese
> Weitergabe normalerweise nur dann gerechtfertigt ist, wenn der
> andere irgendwie bedürftig ist, ist die "Bedingung" entstanden.

Jeder Sozialtranfer stammt aus der Wertschöpfung. Das bedeutet aber
nicht, das jemand einen Teil des von ihm erarbeiteten abgeben muß.
Nicht ungewöhnlich wäre, daß wer von dem, was er sich aneignete
abgeben muß. Die Erde, in die jemand Weizen säht, ist vlt. von ihm
be-, aber kaum erarbeitet. Und wer ihn erntet, erntete zuvor Regen.

Von der Bedürftigkeit abzusehen sind wir doch schnell bereit. So
manche sähen, was sie seit der französischen Revolution lernten
zu machen; Kreuze. Sähst du sechs Kreuze auf einem Feld von
wenigen cm², und fallen sie alle sechs auf fruchtbaren Boden,...

> Wenn man weiß, dass es erarbeitetes Einkommen ist, ist man für
> jeden Betrag dankbar. Man spürt die Solidarität jeden Monat
> auf dem Bankkonto.

Ich will mich nicht bedanken müssen für das, für 'mein' Grundein-
kommen. Bedingt müsste ich es, stammte es aus Erarbeitetem. Nun
existieren aber erhebliche leistungslose Einkommen und aus diesen
sollt das Grundeinkommen der Arbeitsverweigerer sich vornehmlich
speisen.
Aber auch, wenn deren Quelle gleich aller ist, darf sich ihr Dank
in Grenzen halten, beläuft sich ihr Einkommen doch lediglich auf
eine Summe die geeignet ist, ihre Leistung, sich an bestehende Ge-
setze und Verordnungen zu halten, zu entgelten.
Leistungslose Einkommen liegen in der Höhe über dem des Grund-
einkommen. Einer genießt Rechte aus einem Gesetz. Genau das selbe
Gesetz bedeutet aber für einen anderen die Erfüllung einer Pflicht.
Das Grundeinkommen selber ist ein leistungsbezogenes Einkommen.
Es entlohnt diejenigen, die aus Gesetzen sonst keine Rechte ableiten
könnten, für die die Gesetze und zuletzt wohl der ganze Gesellschafts-
vertrag ohne Grundeinkommen nur Pflicht und Zwang bedeutete.

Herr Künkler geht von überkommenen Erwerbsläufen aus, wenn er schreibt,
"daß Grundeinkommen bietet eine Ausstiegsoption aus der Lohnarbeit für
wenige und ist doch zur Wohlstandsproduktion (und zu seiner eigenen
Finanzierung!) zwingend darauf angewiesen, daß andere die >verhasste
Lohnarbeit< leisten."
Es kann ja kein Ziel der Grundeinkommensbefürworter sein, daß einige sich
jeglicher Arbeit enthalten, während andere entsprechend mehr arbeiten.
Nein, es ist eine berechtigte Hoffnung, daß jedeR in Laufe seines Lebens
verschiedene Tätigkeiten ausübt. Nicht wie heute, wo einer nach der Schule
40 Jahre in die Fabrik geht, der nächste 40 Jahre aufs Amt, sondern das je-
der selbstbestimmt aus unterschiedlichen Angeboten wählt, was zum Lebens-
abschnitt passt.

Der Glaube, wir müssten nur arbeiten, das würde sich dann schon lohnen,
ist fatal falsch. Im Gegenteil ist in unserer heute technisch so
fortschrittlichen
Gesellschaft geradezu das 'Lassen', das Aushalten der Untätigkeit das zu
for-
dernde. Es ist kein Mangel an Ingenieurskunst, daß niemand den 3-l-pkw
fährt,
sondern zu viel Macht in den Händen der Händler. Nehmt das Geld und gebt
es Geisteswissenschaftlern, damit die Menschen Sinn im Leben finden, nicht
im
Konsumieren!

Unsere Gesellschaft ist ohne Arbeit nicht denkbar. Ein Vorteil der
Arbeitsteilung
(in dieser Form meine ich hier Arbeit), die Effektivität, ist weitgehend
unstrittig.
Eine weitere Folge ist, daß wir nicht für den Eigenbedarf produzieren,
sondern
tauschen. In arbeitsteilig organisierten Gesellschaften besteht die
Notwendigkeit
zu tauschen und damit die Notwendigkeit der Solidarität. Wir sind darauf
ange-
wiesen, daß wir tauschen können. Ohne diese Möglichkeit kann mensch in
dieser
Gesellschaft, kann diese Gesellschaft nicht überleben.

Wenn wir zum einen den Wert des arbeitens-an-sich nicht mehr erkennen können
(der mag nach einem Krieg gegeben sein, davor ist er es nicht), wir aber
weiterhin
auf den Warentausch angewiesen sind, woher soll dann die Berechtigung zum
Aus-
schluß von der Berechtigung zum Tausch, das ist der Verlust jedes
individuellen
Anspruches bei Erwerbssuchenachweisverweigerung, stammen?

Die Forderung nach dem unverlier-/unentziehbaren und Teilhabe ermöglichenden
individuellen Einkommen unterläuft jene nach dem Mindestlohn.
Und das tut sie auch völlig zu recht!
Das Grundeinkommen überzeugt den nicht, der an der Errungenschaft der
Leistungs-
bezogenheit des Einkommens festhalten möchte (und zugleich nur die
Erwerbsarbeit
als Leistung ansieht, dabei aber Leistung bestimmt als
kulturwissenschaftlichen Begriff
dahernimmt).
Dieses Prinzip jedoch zuerst ganz verwirklichen zu wollen, bevor wir für ein
fortschritt-
licheres Ziel; das Grundeinkommen kämpfen, gleicht dem Vorhaben, zuerst das
Prinzip
der Rache ganz zu verwirklichen, bevor wir daran gehen, jenes der
Gerechtigkeit aufzu-
bauen. Gerechtigkeit ist ein antiker Begriff, Nächstenliebe was weiterhilft.

Das Maß der Chancengleichheit ist das Maß der Legitimität des
Leistungsprinzip.
Kein Mindestlohn verpflichtet 'Fabrik'besitzer überhaupt nur einen Menschen
ein-
zustellen. Was nüzt der Mindestlohn den Millionen Arbeitslosen, was nützt er
Er-
werbsunfähigen? 'Ja, mit Mindestlohn könnte mehr konsumiert werden. Dann...'
Achwas? Und daß könnten die Arbeitslosen, die Erwerbsunfähigen nicht auch
selber tun?

liebe Grüße-
bernd


http://www.carookee.de/forum/Grundeinkommen/depot/2916/674980



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