[Debatte-Grundeinkommen] zu Beitrag Blaschke über einen Hauptamtlichen; Debatte-grundeinkommen, Band 23, Eintrag 4

Florian Hoffmann florian at hoffmannlaw.de
Sa Feb 3 19:11:29 CET 2007


Lieber Herr Blaschke,

Sie wissen vielleicht, dass ich ein leidenschaftlicher Anhänger eines BGE
bin, aber ich möchte Ihnen auch sagen, dass man bei Herrn Künkler, dem
Hauptamtlichen Gewekschaftsfunktionär ein paar Argumente gibt, die man sich
durchaus anhören sollte:

1. Freiheit vom Zwang zur Lohnarbeit? Natürlich hat Herr Künkler recht, wenn
er behauptet, dass in jeder Gesellschaft die Notwendigkeit zur Arbeit
besteht. Wer nicht säht, kann nicht ernten. Sähen und Ernten sind Arbeiten.
An jedem Rebstock geht ein fleißiger Weinbauer pro Jahr 42 mal vorbei. Alles
Arbeit. Ohne Arbeit gibt es keinen Wein. Wer nicht atmet, kann nicht leben,
wer seine Kauwerkzeuge nicht gebraucht, kann nichts schlucken, verhungert.
Arbeiten muß sein. Der Zwang, die Notwendigkeit besteht natürlicher Weise.

2. Deshalb hat Herr Künkler recht: "Jeder Sozialtransfer muss aus dieser
laufenden Wertschöpfung erwirtschaftet werden." Das bedeutet, dass jemand
etwas erarbeitet und davon einen Teil an einen anderen abgibt. Da diese
Weitergabe normalerweise nur dann gerechtfertigt ist, wenn der andere
irgendwie bedürftig ist, ist die "Bedingung" entstanden. Nur wer arbeitslos
ist, bekommt, Arbeistlosenunterstützung, nur wer eine zu teuere Wohnung
bewohnt, bekommt, Wohngeld, nur wer studiert, also nichts verdienen kann und
dessen Eltern "arm" sind, bekommt Bafög. Diese Wenn-Dann-Beziehungen wurden
die Grundlage unseres Sozialstaatsdenkens.

3. Die wachsende Zahl der Wenn-Dann-Begründungen und ihrer Begünstigten,
verbunden mit einer prosperierenden Gesamtwirtschaft und einer
entsprechenden Gedankenlosigkeit der Politiker, hat zu einem Ausufern der
Anwendung des Wenn-Dann-Prinzips geführt und ist einer der Begründungen,
weshalb man den Durchschnittstransfer nicht auf alle anwendet und es denen,
die es nicht nötig haben, also Mehrverdiener, per Steuersatz wieder abnimmt.
Soweit würde Herr Künkler vielleicht noch mitgehen, weil die Transfers (z.
B. Wohngeld) eben nichts mit Existenzminimum zu tun haben. Aber er geht
nicht mit bis zum auskömmlichen Einkommen als Grundeinkommen geht er nicht
mit. Und ich auch nicht, denn:

4. Grundeinkommen, Basic Income, ist ein mehr oder weniger stabiles
Einkommen, mit dem man monatlich rechnen kann, so wie das Kindergeld. Das
Kindergeld hat nichts mit den Kosten eines Kindes oder seinem
Existenzminimum zu tun, sondern ist eben ein Grundeinkommen, auf das ich
mich immer verlassen kann - völlig unabhängig von seiner Höhe! Ich sattle
auf dieses Grundeinkommen durch eigene Leistung drauf. Das macht Spass, weil
mir das Grundeinkommen etwas Mühsal abnimmt, etwas Sicherheit gibt. Das
Grundeinkommen ist ein Solidareinkommen, das jeder bekommt - wie das
Kindergeld jeder bekommt, der ein oder mehrere Kinder hat. Wenn man weiß,
dass es erarbeitetes Einkommen ist, ist man für jeden Betrag dankbar. Man
spürt die Solidarität jeden Monat auf dem Bankkonto. Das ist das Schöne am
Grundeinkommen. Und jeder bekommt es, bedingungslos, jeder spürt die
Solidarität, egal wie hoch der Betrag ist. Das können auch 55,21 Euro
monatlich sein, geschenktes, aber von anderen erarbeitetes Geld.

5. Ein Grundeinkommen, so definiert, hat keinerlei Einfluß, keinerlei
Auswirkungen auf Lohnverhandlungen, denn niemand würde sich erlauben, das
Thema überhaupt anzusprechen: Denn Gegenstand der Lohnverhandlungen ist das
Arbeitseinkommen, nicht das Solidareinkommen, welches alle am Tisch
allmonatlich einstreichen! Wenn man also Grundeinkommen richtigerweise so
definiert, wie Herr Künkler es fordert, also ohne "auskömmliches
Existenzminimum", könnte man ihn vermutlich für das BGE gewinnen. Das wäre
nicht nur einer mehr!

Schönen Abend!

Florian Hoffmann



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>  Und wie ein Hauptamtlicher der gewerkschaftlichen
> Erwerbslosenkoordinierung mit dem Thema Grundeinkommen umgeht -
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