[Debatte-Grundeinkommen] Marktwirtschaftlicher sozialerKapitalismus; Debatte-grundeinkommen Nachrichtensammlung, Band 25, Eintrag 6

Florian Hoffmann florian at hoffmannlaw.de
Mi Apr 11 15:33:35 CEST 2007


Hallo Peter,

die 180 Seiten sind nicht allein BGE, sondern Kapitalismus, Marktwirtschaft,
Staat, Umwelt und Soziales. Letzteres beinhaltet das Thema
Einkommensverteilung, Einkommensumverteilung, also auch BGE. Ich überlege
gerade, ob ich die Konzepte nicht am besten in übersichlicher Form in's
Internet stellen sollte.

Was Du über den Generationenkonflikt sagst, stimmt. Die alten, die in einer
Gesellschaft lebten, in der es noch etwas aufzubauen gab, und die sich so
ihre Rente "rechtschaffen" verdient haben, ihnen fehlt das Verständnis für
die Verhältnisse, die sie selbst aktiv geschaffen haben, in denen alles
fertig ist und alles im Überfluß vorhanden.

Richtig ist auch, dass genau diese Verhältnisse ein BGE rechtfertigen, weil
es bei der Schaffung und Erhaltung des Wohlstandes auch Zufälligkeiten und
Unwägbarkeiten gibt, die zu Ungerechtigkeiten führen und die es
auszugleichen gilt. Deshalb hier mein Statement zu den Einkommensarten, das
zugleich eine Rechtfertigung für ein BGE ist:

1. Einkommensart: Arbeitseinkommen
2. Einkommensart: Kapitaleinkommen (Verwaltungseinkommen/Renten)
3. Einkommensart: Spekulationseinkommen
4. Einkommensart: Solidarisches Einkommen (Sozialleistung)

Alle Einkommensarten sind anerkannt und haben sich bei uns fest etabliert.
Nur ein Teil der Einkommen hat mit einer echten Gegenleistung zu tun. Nur im
letzten Fall, bei der Sozialleistung geht der Auszahlung eine
Bedürfnisprüfung voraus, d. h. wird eine Bedingung gestellt, die wie eine
Gegenleistung wirkt.

zu 1: Das Arbeitseinkommen ist eine Gegenleistung für eine erbrachte
Leistung.

zu 2: Beim Kapitaleinkommen kann man sagen, dass die Gegenleistung in der
Ansammlung vergangener Erträge aus Arbeitsleistung bestand, und dass man
deshalb jetzt von Zinserträgen leben darf. Das stimmt so lange, als der
Konsumverzicht aus Einkommen stammt, für das eine Gegenleistung erbracht
wurde, also aus Arbeitseinkommen. Wenn es Einkommen aus Spekulationsgewinnen
waren, fehlt eigentlich die Gegenleistung, oder nicht?

zu 3: Spekulationseinkommen ist eigentlich die anerkannte Einkommensart der
Kaufleute, also der Leute, die heute etwas kaufen, etwas "riskieren", wofür
sie morgen mehr bekommen. Das klingt verwerflich, ist es aber nicht, weil
die Spekulation, "das Halten", allen dient, also eine wichtige Funktion im
Verteilprozess der Marktwirtschaft hat. Sobald es sich aber nicht mehr um
Ware handelt, mit der spekuliert wird, sondern um Firmen, Konglomerate,
private Immobilien, handelt es sich mit Sicherheit nicht um Einkommen, die
mit einer Gegenleistung verbunden sind. Es ist der "häßliche" Kapitalist der
da manchmal zu Vorschein kommt, und der geradzu widerlich wird, wenn er
vollgefressen und lasziv auf seiner Yacht sitzt und sagt, die Leute sollen
erst mal etwas arbeiten, und sein Kapital müsse "arbeiten". Denn:
Spekulationsgewinne dieser Art werden aus tektonischen Verschiebungen im
Wirtschaftsgefüge generiert. Natürlich sind das tüchtige Leute, die das
erkannt und genutzt haben, aber "verdient" haben die Leute sich das alles
nur zu einem sehr geringen Teil, d. h. davon gehört ein erklecklicher Teil
den Mitarbeitern und der Allgemeinheit, die aber leer ausgehen. Geradezu
herausragend positiv, weil vorbildhaft war die Zahlung von € 10.000 an jeden
seiner 800 Mitarbeiter durch den ehemaligen Inhaber von Schwarz-Pharma, als
er beim Verkauf seiner Firma einen Milliarden-Erlös einstrich. Der Mann hat
genau das empfunden, dass nämlich die Leistung nicht von ihm alleine
erbracht worden war und den anderen ein Anteil gebührte. Da eine solche
freiwillige Beteiligung an überdimensionierten Erlösen sonst nicht vorkommt,
sollten Anteile dieser Gewinne staatlich "sozialisiert", also solidarisch
verteilt werden.

zu 4: Das zu Ziff. 3 gesagte macht es offenbar, dass eine Auszahlung
solidarischer Einkommen keine Bedingung haben darf, außer der, dass man
Bürger eines Landes ist. Die Zahlung der € 10.000 verschaffte den
Mitarbeitern ein Solidarisches Einkommen gem. Ziff. 4. Viele soziale
Großtaten (Wohngeld, Bafög, etc.) wären sofort überflüssig und die Menschen
wären freier, wenn der Staat einen derartigen Ausgleich von Einkommen
institutionalisieren würde. Wie weit man im Falle eines staatlichen BGE die
Einnahmen und Ausgaben, also den Solidarbeitrag und die solidarische
Auszahlung (das BGE), dann im Laufe der Jahre anhebt (auf Sozialhilfeniveau
oder darüber), könnte demokratisch entwickelt werden.

Okay?

Gruss
Florian

  -----Ursprüngliche Nachricht-----
  Von: Peter Voss [mailto:vossp at tdcadsl.dk]
  Gesendet: Mittwoch, 11. April 2007 13:47
  An: Florian Hoffmann
  Betreff: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Marktwirtschaftlicher
sozialerKapitalismus;Debatte-grundeinkommen Nachrichtensammlung, Band 25,
Eintrag 6


  Hallo, ´Florian,

  du schreibst von Deinem 180-Seitenbeitrag zum BGE. Warum der nicht in die
Debatte gehört verstellt sich mir. Aber vielleicht könntest du mir einen
Link geben oder eine Anlage zuschicken. Auch wir im Norden arbeiten an dem
BGE, und da kann jeder Beitrag zur Entwicklung der Einführung eines BGE ein
wichtiger Stein sein.
  Wenn man jungen Leuten vóm BGE erzählt, verstehen sie in der Regel sofort
die Vorteile für sich selbst und für die Gesellschaft. Ältere dagegen denken
häufigst an den Beitrag, den sie dann für "Faulpelze" leisten müssten. Der
Unterschied besteht wohl darin, dass die Letzteren sich noch in der
Industriegesellschaft befinden, während die Vorderen schon in der zweiten
Modernität angekommen sind und sich der grossen Gefahr, keine festen
Stellungen mehr zu bekommen, bewusst sind.

  Also, was ist?

  Mit freundlichem Gruss
  Peter Voss
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