[Debatte-Grundeinkommen] Debatte-grundeinkommen Nachrichtensammlung, Band 25, Eintrag 6

Joerg Drescher iovialis at gmx.de
So Apr 8 20:07:14 CEST 2007


Hallo Florian,

danke für die Ostergrüße, die ich hiermit zurücksende! Das BGE hat meiner
Meinung nach, wie Du auch darstellst, einen gewaltigen Fehler: man versteht
die Idee dahinter nicht - die meisten glauben einfach, es wäre Geld für
alle, ohne dafür etwas tun zu müssen. Aufgrund diesem Denkfehler meinen
viele auch, daß jene, die arbeiten die "Blöden" wären, indem sie die
"Faulenzer" finanzieren würden. Dem ist allerdings nur dann so, wenn das
Modell dementsprechen ausgerichtet ist (bisher TG-M und dessen Derivate).

In der Ukraine ist man diesbzgl. etwas aufgeschlossener und denkt anders.
Schließlich gab's hier auch schon einmal den Kommunismus. Die Nachwirkungen
der Umstellung sind immer noch zu spüren. Allerdings wird man hier (so meine
Einschätzung) einfacher verstehen, was eine "Staatsdividende" ist. Außerdem
will ich nicht auf die Straße stehen und mit dem "einfachen Volk" sprechen -
dazu habe ich nicht die nötige Zeit und Sprachkenntnis. Vielmehr will ich
das Ganze in eine Philosophie verpacken (ähnlich dem Marxismus) und an einer
Universität einreichen. Wenn es angenommen wird, kommt es an Studenten und
die gehen dann auf die Straße und sprechen mit dem "einfachen Volk". Was ich
also brauche: eine Philosophie (Jovialismus), ein Finanzierungsmodell
(Dilthey-Modell) und alles auf russisch, bzw. ukrainisch. Natürlich gehört
noch die Portion Glück dazu, den richtigen Professor zu finden...

Nach 5 Jahren habe ich einige Kontakte - zwar nicht in politische Kreise,
sondern in das "Bevölkerungsnetzwerk" (worüber sich Informationen
verbreiten). Wenn eine Universität der Idee ihren Stempel gibt, wird es über
den Umweg Ukraine auch in Deutschland einfacher - so jedenfalls meine
Hoffnung. Ich will mich nicht in die Politik der Ukraine einmischen (das
kann gefährlich sein), aber ich will den Leuten eine Alternative zum
Kommunismus und Kapitalismus anbieten.

An dieser Philosophie "denke" ich nun schon seit 15 Jahren herum. Die
Grundlagen stehen und durch Matthias (Dilthey) kam es dann zur Verschmelzung
mit dem BGE (das ich zwar aus den 90'ern kannte, aber nie ein Modell dafür
"überlegte", sondern nur die Idee für gut befand).

Es würde zu weit führen, die Situation in der Ukraine zu beschreiben. Das
Dilthey-Modell ist unabhängig vom Gesellschafts- und Regierungssystem - es
ist ein reines Wirtschaftssystem. Der "Jovialismus" ergänzt es um
grundlegende Systemeigenschaften auf gesellschaftlicher und staatlicher
Ebene. Deshalb sollte es möglich sein, egal wo auf der Welt, damit "Fuß zu
fassen". Trotzdem bleibt die Umsetzung eine politische Angelegenheit von
Staatsseite.

Bisher sehe ich in dieser Möglichkeit einen gangbaren Weg, den ich zumindest
versuchen kann - Deutschland ist in meinen Augen "zu verbort". Was Du
geschrieben hast, trifft die Situation recht deutlich. Mein einziges
Problem: man hat mir sehr viel Arbeit aufgetragen, weshalb ich mich noch
nicht darum kümmern kann - im Hinterkopf ist es schon länger...

Frohe Ostern! (das orthodoxe Ostern fiel dieses Jahr ausnahmsweise mit dem
westlichen zusammen)

Jörg (Drescher)
---------------------------------------
2. Grundeinkommenstag am 12.05.07
http://grundeinkommenstag.org

----- Original Message ----- 
From: "Florian Hoffmann" <florian at hoffmannlaw.de>
To: <debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de>
Cc: <iovialis at gmx.de>
Sent: Sunday, April 08, 2007 6:54 PM
Subject: AW: Debatte-grundeinkommen Nachrichtensammlung, Band 25, Eintrag 6


>
> Lieber Jörg Drescher,
>
> vielen Dank für die Situationsbeschreibung.
>
> Auch ich glaube, das sich das BGE in der heute vertretenen Form in
> Deutschland nicht durchsetzt - aber auch nicht in der Ukraine. Denn die
> Sache hat in der heutigen Form einen Geburtsfehler: Immer wird das BGE von
> der sozialen Seite her als Mindesteinkommen, als Existenzminimum gesehen,
d.
> h. es wird in seiner Höhe immer an den privaten Ausgaben gemessen. Und
dann
> wird über die richtige Höhe gestritten, über die man sich aber nie einigen
> kann. Und dann wird von der konservativen Seite her argumentiert, dass das
> Ganze so unbezahlbar ist und schon ist die Einigung nicht einmal mehr in
> Form eines Kompromisses möglich.
>
> Um dem Dilemma zu entkommen, ein Beispiel: Einer kleine
Solidargemeinschaft,
> ein Dorf. Das Dorf hat zwanzig Familien in zwanzig Häusern. Die Männer
> treffen sich in der Kneipe und beklagen am Biertisch die Mißstände. Man
> stellt fest, man möchte regiert werden, um Gemeinschaftsaufgaben lösen zu
> können. Solche sind: Straßenbau, Abfallbeseitigung, Glaube (Kirche),
> Sicherheit ,Soziales (Waisenhaus) , etc.. (Mit zunehmender
> Industrialisierung kommt das Thema Gerechtigkeit/Solidarität dazu.)
>
> Man einigt sich darauf, dass fünfzig Prozent aller Einnahmen an den
Kämmerer
> bezahlt werden sollen. Man bestellt einen Bürgermeister, einen Kämmerer,
> einen Pfarrer und einen Sheriff. Sie alle bekommen insgesamt einen Etat,
der
> sich letztlich an den Einnahmen der Familien bemißt. Die Einzeletats sind
> alljährlich in festen Beträgen definiert, letztlich aber in Anteilen. Der
> Pfarrer ist für Glaube, Soziales zuständig. Er bekommt am meisten, namlich
> die Hälfte, die anderen Teilen sich den Rest.
>
> Die Industrialisierung (der Kapitalismus) schafft
> Einkommensungleichgewichte, weshalb das Thema Gerechtigkeit zunehmend an
> Bedeutung gewinnt. Die Männer am Biertisch denken sich ein schönes Modell
> aus: Der Kämmerer soll an jeden zumindest ein Existenzminimum ausbezahlen.
> Der Kämmerer rechnet nach und stellt fest, dass sich der Sozialetat
> verdoppeln würde, auch wenn man die Ersparnis durch Wegfall einzelner
> Sozialetats berücksichtigt. Das Modell würde also bewirken, dass sich die
> Abgabenlast auf 75 Prozent erhöhen müßte.
>
> Diejenigen, die durch ein solches Auszahlungsmodell netto mehr bekommen
als
> sie ausgeben, wären damit wahrscheinlich einverstanden, d. h. man könnte
> daran denken, dass sich tatsächlich eine demokratische Mehrheit fände. Das
> ist aber nicht der Fall, weil sich niemand findet, der eine Steuerlast von
> 75 Prozent tragen möchte. Alle würden sagen, hier wollen die anderen nur
auf
> meine Kosten faulenzen.
>
> Deshalb gibt es für uns in Deutschland nur eine erste Lösung als Einstieg:
> Das vorhandene (riesige) Sozialbudget muß anders aufgeteilt werden. (In
der
> Ukraine mag sich das anders darstellen. Ich kenne deren Struktur der
> öffentlichen Einnahmen und Ausgaben nicht.) Man muß also das verhandene
> Budget nehmen und darin Positionen finden, die im Falle der Einführung
eines
> BGE gestrichen werden können (Teile der Rente, Wohngeld, Bafög,
> Kindergeld(?), etc.) und dieses Geld an alle, in gleicher Höhe, ohne
Prüfung
> von Irgendetwas, ausbezahlen. Dann gewinnt man Erfahrungen und kann dieses
> solidarische Grundeinkommen langsam höher schrauben.
>
> Eine Orientierung an der Bedürftigkeit (Existenzminimum, o. ä.) von Anfang
> an ist sinnlos. Sie kann irgend wann ein Thema werden, wenn ein
> solidarisches Grundeinkommen fester Bestandteil des Staatsetats ist. Viel
> wichtiger ist, welche Wirkungen regelmäßige Zahlungen auch in geringerer
> Höhe sehr schnell haben können, welche Freiheiten sie ermöglichen, welche
> Verhaltensänderungen sie bewirken (keine Schwerzarbeit mehr!), welche
> Gemeinschaftsgefühle sie erzeugen. Von Anfang an! Und es wird sich eine
> Kiste voll Argumenten ergeben, weshalb die Leute nicht faul werden und
ihre
> Motivation verlieren. Im Gegenteil!
>
> Frohe Ostern!
>
> Florian Hoffmann




Mehr Informationen über die Mailingliste Debatte-Grundeinkommen