[Debatte-Grundeinkommen] Debatten-Beitrag Schulz in Band 18, Eintrag 10

Florian Hoffmann florian.hoffmann at intereasy.de
So Sep 10 14:10:15 CEST 2006



Liebe Listis,
lieber Herr Schulz,

Sie beschreiben das Phänomen exakt: Das rechnerische Sozialprodukt hat
nichts mit dem echten zu tun. Das rechnerische taugt nur für's Finanzamt zur
Erhebung von Abgaben und Steuern, sagt aber nichts über die Wohlfahrt, den
Wohlstand aus. Ein ähnliches Phänomen betrifft auch die Kindergärtnerin, die
bei den Kleinkindern die Großmutter ersetzt hat. Das Sozialprodukt ist
gestiegen (angebliches "Wachstum"), ob es den Kindern wirklich besser geht,
ob sie besser "gefüttert" werden, ist z. B. bei mancher
Kantinen-Pampf-Abfütterung höchst fraglich! Immer mehr Allergien bei Kindern
lassen grüßen!

Was den Vorsitzenden einer Bank betrifft, so beruht dessen 1.000-faches
Einkommen auf der Tatsache, dass sein Vertragspartner reich ist, große
Umsätze tätigt, und in Folge dessen der Ertrag guter Entscheidungen, also
guter Arbeit des Vorsitzenden, ein Vielfaches in Geld beträgt. Wenn alle
Kindergärten dieser Republik privatisiert und in einem Konzern
zusammengefasst wären (Gott möge verhüten, das das so kommt!), würde der
Chef dieses 800.000-Mann/Frau-Unternehmens auch ein Vielfaches einer
Kindergärtnerin verdienen. Es ist also nur die Größe der wirtschaftlichen
Einheit, die eine höhere Kompetenz verlangt und deshalb besser bezahlt wird.
Arbeiten tun beide im Zweifel fast gleich viel, manchmal die Kindergärtnerin
(oder Krankenschwester) sogar sehr viel mehr und intensiver.

Genau diese Geschichte ist ein sehr gutes Argument füe die Einführung eines
BGE. Wenn die gezahlte Einkommensteuer in den BDE-Topf eingezahlt wird
(Hoffmann-Modell: Finanzierung des BGE ausschließlich durch die Einnahmen
aus der Einkommensteuer, z. B. 30 %) und anschließend an alle zu gleichen
Teilen ausbezahlt wird (z. B. 700 Euro monatlich an Herrn Ackermann, der
monatlich 300.000 Euro Steuern bezahlt, aber auch an die Haushälterin, die
monatlich 200 Euro an Steuern bezahlt ), dann wird da bei beiden ein
bisschen soziale Gerechtigkeit wiederhergestellt und die Absurdität der
Zentralisierung und Monopolisierung der Wirtschaft sozial korrigiert.

Schönen Sonntag noch!
Florian Hoffmann



>
> Message: 2
> Date: Sun, 10 Sep 2006 00:01:36 +0200
> From: Ernst Ullrich Schultz <webmaster at eusidee.de>
> Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Pfarrer und Haushälterin
> To: Debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
> Message-ID: <e670e2b4a2afb0985152eb011f921969 at eusidee.de>
> Content-Type: text/plain; charset=ISO-8859-1; format=flowed
>
> Liebe MitstreiterInnen,
>
> in den Streit, ob Arbeit als solches schon einen volkswirtschaftlichen
> Wert darstellt, wie er zwischen Klaus Jäger und Mathias Dilthey
> entbrannt ist, will ich mich nicht weiter einmischen. Die Frage ist für
> mich in sofern interessant, weil sie mir aufzeigt, was Wirklichkeit und
> was Statistik ist. Es gibt da ein schönes Beispiel, nämlich das
> Verhältnis zwischen einem Pfarrer und seiner Haushälterin. Solange sie
> bei ihm als Angestellte arbeitet, ist ihr "Verhältnis" für das
> Bruttosozialprodukt positiv, sie hat ein Einkommen, versteuert es
> u.s.w. Kommen nun beide auf die Idee ihr "Verhältnis"  durch Heirat zu
> legalisieren, verändert sich die Statistik, das BSP sinkt ein wenig,
> des weiteren hat dieser Vorgang auch negative Auswirkungen auf das
> Steuer- und Sozialsystem, die Renten- und Krankenkassenbeiträge und die
> Steuereinnahmen sinken. Nach dem Begriff der klassischen VWL ist also
> das Zölibat eine feine Sache!
> Aber im Ernst, was passiert da eigentlich in der Wirklichkeit? Die gute
> Frau wird möglicherweise absolut die gleiche Arbeit verrichten, der
> Pfarrer weiter Predigten vortragen (möglicherweise noch freundlicher)
> und sein Einkommen wird er erhalten wie bisher. Das bedeutet doch,
> Arbeit und Erwerbsarbeit können genau gleich sein, und trotzdem findet
> eine völlig unterschiedliche volkswirtschaftliche Bewertung statt. Und
> da ist der Punkt, wo neu gedacht werden muss, nämlich in Richtung
> Grundeinkommen, weil immer mehr Arbeitsplätze wegfallen.
> Und das immer noch so falsch gedacht wird, ersieht man aus den neuesten
> Vorschlägen des Sachverständigenrates, der neben der 30%tigen Absenkung
> von HartzIV, Zuverdienstmöglichkeiten als "Arbeitsanreize", sowie
> Kombilohnmodelle vorsehen. Also, um in meinem Beispiel zu bleiben, der
> Pfarrer soll sich noch eine Mamsell zulegen, für die er dann Zuschüsse
> bekommt.
> Man muss sich immer wieder klar werden, dass Arbeit und Einkommen zwei
> verschiedene Dinge sind, schon die krassen Einkommensunterschiede
> machen uns das deutlich. Leistet ein Vorstandsvorsitzender einer Bank
> etwa 1000x mehr Arbeit als eine Reinigungskraft?
>
> Freundliche Grüße,
> Ernst Ullrich Schultz
>
>
>
>






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