[Debatte-Grundeinkommen] Kombilöhne aus Frauensicht

Tobias Crefeld tc-wasg at onlinehome.de
Sa Okt 14 20:53:37 CEST 2006


On Tue, 10 Oct 2006 12:07:10 +0200 "Manfred Bartl" <sozial at gmail.com>
wrote:

> Dass Arbeit gerade für Frauen, nämlich im öffentlichen, sozialen und
> kaufmännischen Bereich, abgebaut wird, ist richtig beobachtet. Dass
> deswegen dringend neue Arbeitsfelder erforderlich sind, ist allerdings
> ein höchst seltsamer geistiger Kurzschluss. Offenbar haben die
> ver.di-Frauen "Das Eva-Prinzip" nicht gelesen oder nicht verstanden
> und lassen sich von fundamentalistisch-feministischen Prinzipien in
> die Irre leiten, was ich als geradezu tragisch empfinde.

Als zumindest bislang des Feminismus Unverdächtiger wüsste ich trotzdem
gerne, was daran falsch sein soll, sich nach neuen Betätigungsfeldern
umzusehen, wenn (falls!) die bisherigen reduziert werden?

Muß ich dazu "das Eva-Prinzip" lesen? Von welcher Kapazität ist das
überhaupt, dass man es verstanden haben muß?

Thema "falls!": Ich kann auch nicht erkennen, dass Arbeitsplätze in
sozialen Bereichen abgebaut werden (können). Es wird eher der
eine oder andere Arbeitsplatz zusätzlich benötigt werden, für den heute
kein Geld da sein soll. Auch im Hinblick Höherqualifizierung von
Arbeitnehmern in sozialen Berufen liegt noch viel Brachland vor uns.

Was das mit dem BGE zu tun hat, bleibt dabei offen.  Ein BGE ist
schließlich ein soziales Sicherungskonzept und kein
Erwerbstätigkeitsverhinderungsmodell. Zumindest sollte es dies nicht
sein. 
De facto  wird es gelegentlich auf einen solchen Effekt hinauslaufen,
weil man z.B. manche selbstständige Tätigkeitstypen nur mit hohem
bürokratischen Aufwand zu einer Erwerbstätigkeit umgestalten kann, aber
das ist nicht primäre Zielsetzung des BGE.


> Die "Verdrängung" der Aufgaben und Ziele der öffentlichen
> Daseinsvorsorge in die kostenlose Arbeit ist zwar sicherlich genau zu
> beobachten und kreativ mitzugestalten, aber frauen-, familien-,

"genau zu beobachten" klingt nebulös.

> bildungs-, pflege- UND gesellschaftspolitisch ist dies mehr als nur
> erwünscht! Diese Entwicklung ist sowohl für die Gepflegten, als auch
> für die Pflegenden der menschlichere Weg!

Lass mich mal raten: Diese Meinung ist von wenig Fachkenntnis im
Bereich MSHD getrübt!?

Richtig ist, dass die persönliche Zuwendung von Gepflegten häufig
(!) sinnvoller durch Angehörige oder Freunde erfolgen kann. Das bezieht
sich allerdings nicht auf die Pflege an und für sich. Hier kann ich nur
jedem Patienten dringendst empfehlen auf mobile Pflegedienste mit
qualifizierten Pflegern zurückzugreifen, die dies erstens
professioneller und zweitens unter geringerer psychischer Belastung tun
können. 

Tatsächlich ist in vielen Fällen, in denen "natürlich" die Frau des
Hauses die Pflege übernimmt, ein ständig schwelender Konflikt zwischen
Patient und Pflegerin zu beobachten. Der/die Patient/in traut sich
nicht, Wünsche und Forderungen zu äußern, aus Angst, die Pflegerin noch
starker zu belasten und wird somit zusätzlich in seinen/ihren
Entfaltungsmöglichkeiten eingeschränkt. Die verwandte Pflegerin ist
dagegen ständig auf dem Sprung als Hilfspflegekraft mit billiger
24h/7d-Rufbereitschaft und wird ebenfalls in ihren
Entfaltungsmöglichkeiten eingeschränkt. Das Resultat: s.o.

Pflege durch Angehörige ist vor allem eines: billig! In jeder Hinsicht.
Daran kann keiner ein Interesse haben. Am wenigsten der zu Pflegende.

Die häusliche Pflege ist als Beispiel für eine nicht-erwerbstätige
Arbeit denkbar schlecht geeignet. Zumal es mittlerweile ein gut
entwickeltes Netz von MSHD gibt. Einen solchen Rückschritt will
wirklich niemand und man erweist dem Gedanken des BGE als soziales
Sicherungsinstrument einen Bärendienst mit solchen "Ideen".


Gruß,
 Tobias Crefeld.



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