[Debatte-Grundeinkommen] AW zu: Dilthey, Warum Lohnsteuer-finanzierte BGE_Modelle nicht funktionieren

Matthias Dilthey info at psgd.info
Mi Jul 19 19:06:14 CEST 2006


Lieber Herr Hoffmann,

die PsgD und auch ich versuchen, ein Besteuerungssystem zu entwickeln, das die 
"natürlichen Gesetzesgegebenheiten" berücksichtigt.
So ist es Naturgesetz, daß langfristig nur das verteilt werden kann, was auch 
erwirtschaftet (also wertgeschöpft) wurde.


Steuern und Abgaben haben für uns lediglich 2 Aufgaben:

1. Steuern und Abgaben dienen der Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben; 
dazu zählt für uns in erster Linie, den Bürgern ein vernünftiges Auskommen zu 
ermöglichen (BGE), in zweiter Linie die Schaffung und Erhaltung von 
notwendiger Infrastruktur in weitestem Sinn.

2. Gesellschaftliche, ökologische oder wirtschaftliche Fehlentwicklungen zu 
beeinflussen, also steuernd oder regelnd einzugreifen.


Nachdem nur das verteilt werden kann, was auch wertgeschöpft wurde, scheiden 
(für uns) zur Finanzierung der Staatsaufgaben (zu 1.) alle 
Bemessungsgrundlagen aus, die nicht auf Wertschöpfung beruhen.

Anders sieht es bei der Besteuerung zu Regelungszwecken (zu 2.) aus. Um den 
sparsamen Umgang mit Rohstoffen zu fördern, stehen wir einer 
Ressourcen-Steuer nicht unbedingt negativ gegenüber.

Allerdings betrachten wir jegliche Form der Arbeit (Erwerbs- oder 
Gesellschaftsarbeit) nicht generell als unerwünschte Fehlentwicklung. Somit 
darf menschliche Arbeit nur dann besteuert werde, wenn diese Arbeit 
wertschöpfend wäre.

Jedoch ist es eine der großen Wirtschaftlügen, daß Arbeit wertschöpfend ist.

Arbeit an sich schafft keinerlei Werte. Erst das fertige, verkaufte und 
bezahlte Produkt (das auch immateriell sein kann) schafft den Wert.
Dabei kommt es nicht auf die Art (Mensch oder Maschine) der Herstellung an.

Schon aus dieser Betrachtungsweise heraus verbietet sich die Besteuerung 
menschlicher Arbeit.


Betrachte man die verschiedenen Formen der Arbeit, so wird man feststellen, 
daß die Form der Erwerbsarbeit ein rein willkürlich festgelegter Begriff ist, 
der nicht real existend ist.
Nehmen Sie als Beispiel einen Taxi-Fahrer. Der fährt mit seinem Taxi einen 
Fahrgast von Nürnberg nach München in´s Fußballstadion. Der Fahrgast möchte 
ein Fußballspiel ansehen.
Die Tätigkeit des Taxi-Fahrers wird als Erwerbsarbeit angesehen.

Eine Woche später hat der Taxi-Fahrer frei und fährt mit dem selben Taxi genau 
die gleiche Strecke mit seinem Kumpel als Fahrgast. Dieser möchte sich ein 
Fußballspiel ansehen.
Die Tätigkeit des Taxi-Fahrers wird als Vergnügen bzw. Freizeitgestaltung 
angesehen.

In beiden Fällen erbringt der Taxi-Fahrer die selbe Arbeitsleistung.
Besteuert man Arbeit, so müßte man schlüssiger Weise in beiden Fällen die 
gleiche Steuer erheben.


Wir benötigen dringend einen Paradigmen-Wechsel; diese Ungereimtheiten und 
Widersprüche müssen verschwinden, möchten wir die Welt gerechter gestalten.

Um mehr Gerechtigkeit zu erzielen, unterscheidet die PsgD zwischen Erträgen 
"aus eigener Hände Arbeit" und Erträgen "aus Zuarbeit Anderer".
Dem liegt der Gedanke zu Grunde, daß Arbeit grundsätzlich gleichwertig ist. 
Unterschiedliche Entlohnungen (z.B. Hilfsarbeiter / Arzt) sind nicht durch 
die Arbeit ansich zu begründen. Vielmehr handelt es sich dabei um eine 
Abgeltung des Verdienstausfalls während der Studienzeit. (Während der 
Hilfsarbeiter schon Geld verdient hat, hat der Arzt unentgeltlich studiert). 
Sodann ist dem Arzt noch ein Aufschlag für die Verantwortung durch seinen 
Beruf zuzugestehen.

Alle darüber hinausgehenden Vergütungen entspringen nicht mehr "eigener Hände 
Arbeit", sondern stammen aus Zuarbeit anderer.
Und die Erträge aus dieser Zuarbeit besteuern wir mit 50%, wohingegen die 
Erträge "aus eigener Hände Arbeit" aus den o.a. Gründen steuerfrei bleiben 
müssen.

Ich hoffe, ich konnte unsere "Wirtschafttheorie" ein wenig verdeutlichen.

Liebe Grüße

Matthias Dilthey
-PsgD-
Am Mittwoch, 19. Juli 2006 15:08 schrieb Florian Hoffmann:
> Lieber Herr Dilthey,
>
> durch Ihre Ausführungen sehe ich mich direkt angesprochen, weil ich ja -
> wie Sie wissen - die Finanzierung ausschließlich aus der Einkommensteuer
> für die richtige Finanzierungsart halte. Umso gespannter habe ich Ihren
> Text gelesen und auch gleich kommentiert, s. u..
>
> Im Ergebnis liegen wir überhaupt nicht auseinander: Steuern oder Abgaben
> auf das Arbeitseinkommen allein können das BGE nicht finanzieren, weil
> "arbeitsloses" Einkommen einen wachsenden Anteil ausmacht. Außerdem kommt
> das BGE allen zugute, dann sollen auch alle in den Topf einzahlen. Anders
> geht's nicht.
>
> Florian Hoffmann
>
> > Message: 1
> > Date: Wed, 19 Jul 2006 00:35:02 +0200
> > From: Matthias Dilthey <info at psgd.info>
> > Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Warum Lohnsteuer-finanzierte
> > 	BGE-Modelle nicht funktionieren
> > To: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
> > Message-ID: <200607190035.02144.info at psgd.info>
> > Content-Type: text/plain;  charset="iso-8859-1"
> >
> > Das System zur Sicherung des Volksauskommens durch
> > Arbeitseinkommen und das
> > von Bismarck eingeführte Sozialsystem hatte sich doch über viele
> > Jahrzehnte
> > bewährt; jetzt steht es vor dem finanziellen Kollaps.
> >
> >  Anstatt die Frage zu klären, warum die Systeme vor dem Aus
> > steht, haben die
> > Regierungen durch lohnpolitische und fiskalische Maßnahmen wie
> > Niedriglohnsektor, Hartz, Beitragserhöhungen, Leistungsstreichung und
> > Deckelungen erfolglos versucht, den Zusammenbruch zu verhindern.
> >
> >  Dabei wurde lediglich nicht beachtet, daß die Bemessungsgrundlage, das
> > Arbeitseinkommen, nicht zukunftsorientiert war.
> >
> >  Das Arbeitseinkommen als Bemessungsgrundlage hat man früher
> > nehmen können,
> > denn es stand damals in einem festen Zusammenhang zur Produktion - ohne
> > Arbeit kein Produkt.
> >
> >  Das Arbeitseinkommen spiegelte somit exakt die Produktivität. In
> > Wirklichkeit
> > wurde also die Produktivität zur Finanzierung des Volksauskommen und der
> > Sozialsystems herangezogen.
>
> 		Nicht die Produktivität wurde zur Finanzierung herangezogen, sondern die
> Margen (der Mehrwert, die Wertschöpfung) die aus der Produktivität
> entsprangen. Die Margen  wurden in einem großen Teil zu Arbeitseinkommen.
>
> >  Das funktioniert heute aber nicht mehr, denn Produktivität und
> > Arbeitseinkommen sind heute völlig voneinander losgelöst, stehen
> > in keinem
> > wirklich definierbaren Zusammenhang
>
> 		Richtig! Denn heute wird dasjenige Einkommen immer wichtiger, das über
> andere Verteilungsmechanismen erzielt wird: Zinseinkommen, Grundrenten,
> Erträge aus dem Abbau von Bodenschätzen, Erträge aus der Verknappung von
> Grund und Boden, andere Spekulationsgewinne, etc..
>
> >  Stellen wir die Bemessungsgrundlage, weg vom Arbeitseinkommen, auf die
> > Produktivität bzw. Wertschöpfung um, wird das System auch in der Zukunft
> > funktionieren.
>
> 		Wenn ich das übersetzen darf: Stellen wir die Bemessungsgrundlage auf
> alle Einkommensarten, bzw. Einkommen um, dann wird das System auch in
> Zukunft funktionieren.
>
> >  Jedoch fehlen dann individuelle Beitragszahlungen bzw. zuordenbare
> > Arbeitsleistungen, so daß auch Auszahlungen nicht individuell, sondern
> > pauschalisiert erfolgen müssen.
> >  Individuelle Beiträge zur Wertschöpfung (Arbeitsleistung) können
> > und sollten
> > nach wie vor individuell ausgezahlt werden.
> >  Darin liegt auch die Begründung der Nichtanrechung des BGE auf den
> > Zuverdienst durch Arbeit.
> >
> >  Ein weiterer Vorteil einer produktivitätsabhängigen Finanzierung
> > der Systeme
> > besteht darin, daß auf diesem Weg auch die in Niedriglohnländern
> > produzierten
> > Waren und Dienstleistungen, die nach Deutschland importiert werden, zum
> > Beitrag zum Volksauskommen und zur Sozialversicherung
> > herangezogen werden.
>
> 		Auch richtig: Die Billigimporte führen hier zu hohen Margen, hohen
> Einkommen, die dem  BGE zugute kommen. Ihre Überlegung ist daher nicht neu,
> der Bezug auf die Produktivität verkompliziert alles nur. Nehmen Sie
> einfach alle Einkommen. Sie sind der Spiegel der Produktivität.
>
> Schöne Grüße
> Florian Hoffmann
>
> >  Matthias Dilthey -PsgD-
>
> _______________________________________________
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