[Debatte-Grundeinkommen] Das Wernersche Grundeinkommen ist nicht finanzierbar!

Wolfgang Strengmann-Kuhn strengmann at t-online.de
So Jul 16 11:30:28 CEST 2006


Nur zwei kleine Anmerkungen und zwei Teilaspekten:

1) Die Gesamtsumme der staatlichen Ausgaben (inkl. Sozialversicherungen) betraegt 
ueber 900 Mrd., fast 1000 Mrd. Euro.

2) Die Einfuehrung eines Grundeinkommens fuehrt nicht zu einer hoeheren 
Staatsverschuldung, weil die Kosten durch entsprechende Einnahmen finanziert 
werden sollen: 
bei Goetz Werner durch eine hoehere Mehrwertsteuer (mit einem Mehrwertsteuersatz 
von ueber  100%), durch Sozialversicherungsbeitraege 
(Grundeinkommensversicherung von Michael Opielka), durch eine Einkommensteuer 
(mit hoeheren Steuersaetzen und/oder erweiterter Bemessungsgrundlage), durch eine 
Grundeinkommensabgabe auf das gesamte Bruttoeinkommen (wie im 
Transfergrenzenmodell von Pelzer) usw. oder durch eine Kombination von 
verschiedenen Einkommensquellen. (vgl. dazu die Texte zur Finanzierung eines 
Grundeinkommens im letzen Newsletter). 
http://www.grundeinkommen.info/fileadmin/Text-Depot/Newsletter8.pdf

Schoene Gruesse
Wolfgang Strengmann-Kuhn


On 15 Jul 2006 at 17:21, Volker Brandl wrote:

> 
> Verehrte Listen-TeilnehmerInnen!
> 
> In einigen Beiträgen dieser Liste wurde in letzter Zeit hin und her
> argumentiert, wie hoch dennG. Werner sein Grundeinkommen selbst
> ansetzt, und in welcher Höhe und unter welchen Bedingungen es
> finanzierbar wäre. So schreibt CarlJaegert am 23.06:
> 
> "Und auch Götz Werner befürwortet ... ein Grundeinkommen... . Wie
> hoch in Zahlen und unter welchen steuerlichen Rahmenbedingungen dies
> sein muß, diese Frage steht doch heute gar nicht auf der
> Tagesordnung."
> 
> Dem muß ich entgegenhalten: In vielen seiner Äußerungenhat G.
> Wernerein existenzsicherndes Mindest-Grundeinkommen von 750 Euro
> monatlich genannt, das "bereits heute" finanzierbar wäre, und das
> später angehoben werden könnte bis auf 1200 oder 1500 Euro. (Aus
> seinem Munde gehört, klang dies für mich keineswegs wie eine bloße
> "Provokation").Ebenso konkret nennt Werner Rahmenbedingungen, unter
> denen er sein GE realisieren will: Alle heutigen Steuern sollen
> abgeschafft, der Mehrwertsteuersatz soll, bezogen auf die heutigen
> Preise,(schrittweise) auf 50 % angehoben werden! Und Werner legt fest,
> dass das GE "substitutiv" ausgezahlt werden solle. 
> 
> Die Finanzierungsfrage
> 
> Der entscheidende Punkt bezüglich dieser Vorgaben:Wenn mansorgfältig
> nachrechnet -ich habe dies auf der Basis der Finanz- und
> Sozialstatistiken des Jahres 2003 getan und dabei alle Einsparungen an
> öffentlichen (!) Geldern berücksichtigt, die die Einführung eines
> GEmit sich bringt (nämlich 280 Milliarden Euro) -so erkennt man: der
> Wernersche Vorschlag ist überhaupt nicht finanzierbar. Egal, wie hoch
> sein GE ausfiele, würde essehr große bis astronomische
> gesamtstaatliche Haushaltsdefizite zur Folge haben. 
> 
> Wie kann man diese Defizite verstehen? Die Haupt-Antwort auf diese
> Frageheißt: "substitutive Auszahlung" des GEs! Nach Werner ersetzt
> ("substituiert") das an jede BürgerInnen ausgezahlte GE (eventuell
> vorhandenen) Einkünfte bis zur Höhe des GEs. Die Folge: Arbeitgeber
> (Staat undWirtschaft)und Sozialbehörden ersparen sich deshalb
> entprechende Gehalts-, Lohn, Sozialgelder- und Renten-Auszahlungen
> usw. (Siehe dazu den Anhang am Ende dieser Mail). 
> 
> Eine denkwürdige Konsequenz dieser von Werner geforderten
> Auszahlungsweise ist dies:Die Grundeinkommens-Auszahlungen aus der
> Staatskassa vermehren nichtvor allem dazu,das Geld in den Taschen
> BürgerInnen. Sondern diese Gelder werden in gleichem oder sogar
> wesentlich höherem Maß dafür verwendet, derWirtschaft - ja der
> Wirtschaft! -Gehalts- und Lohn- Auszahlungen in der Höhe von
> Hunderten von Milliarden Euro zu ersparen! Erstaunlich, aber wahr! Bei
> einem monatlichen GE von 750 Euro gewinnt die Wirtschaft 256
> Milliarden Euro. Dieser Betrag ist über das 1,5-fache größer als
> die Summe, welche die BürgerInneninsgesamt durch die Auszahlung des
> GEs dazugewinnen (s.u. Anhang)! 
> 
> DieseSubventionierung der Wirtschaft ist also von einer
> Größenordnung, die es in unserer Republik noch nie gegeben hat. Das
> sind Fakten, die in dieser quantitativen Ausprägungleider nur den
> allerwenigsten FreundInnen des Wernerschen GEsüberhaupt bewußt
> sind!Ob sie Werner selbst bewußt sind? Jedenfalls hat er
> diesezwingenden und und für den steuerzahlenden Bürger durchaus
> relevanten Konsequenzen seiner Modellannahmen nie und nirgendwo
> offengelegt! (Warum wohl nicht?) Ist es angesichts dieser
> Zahlenverhältnisse überhaupt angemessen, vom "Wernersches
> Grundeinkommen"zu sprechen? Wäre nicht "Wernersche
> Wirtschaftssubventionierung" der angemessenere Begriff? 
> 
> Werner hofft, daß die Wirtschaft diese Subventionen, die ihr
> bedingungslos (!) zugute kommen,über Preissenkungen an die
> Konsumenten von Gütern weitergeben würde. Für die
> Finanzierungsproblematik des GEs ist dies allerdings unerheblich: Denn
> gänzlich unabhängig davon, was die Wirtschaft mit den auf diese
> Weise gewonnenenMilliarden letztlich macht,die dafür erforderlichen
> Auszahlungen aus der Staatskassa belastendas gesamtstaatliche Budget
> außerordentlich und erzeugen riesig große,
> untragbareHaushaltsdefizite. Jeder der einmal wirklich rechnet, kann
> dies sehen (s.u. Anhang)!
> 
> So betrachtet, ist die Realisierbarkeit des Wernerschen GE eben
> keineswegs nur eine "rechtliche Frage", wie Carl Jaegert kürzlich
> geschrieben hat, sondern es geht zunächst einmal darum, sich über
> die Konsequenzen der Wernerschen Modellannahmen klar zu werden,
> insbesondereauch über dieKonsequenzen für die
> Finanzierungs-Problematik. Und diesbezüglich zeigt sich eben: Man
> kann nicht mehr Geld ausgeben, als man hat, wenn man nicht eine Reise
> nach Wolkenkukucksheim antreten will. Dies gilt auch für den
> Staatshaushalt. Und wenn der Staat so viel ausgeben soll, wie Werner
> dies vorsieht, dann müßte Werner auch klar zeigen, wo dieses Geld
> herkommen soll! Dies hat er aber eben solide bisher nie getan. Seine
> diesbezüglichen Äußerungenerweisensich, wenn man sie präzise
> nachrechnet, als extrem kurzschlüssig und undurchdacht. Dies wurde
> für mich durch zahllose kontroverse Diskussionen in Werners engerem
> Umfeld erhärtet. Insofern ist das Wernersche Modell in meinen Augen -
> ein Luftschloß!Denn alle Wernerschen Verheissungen positiver
> gesellschaflicher Wirkungen seines GEs stehen oder fallen ja mit der
> Möglichkeit der Finanzierbarkeit des GEs.
> 
> Deshalb zweifle ichauch nicht daran: Grundeinkommens-Freunde, zu denen
> auch ich mich zähle,werden früher oder später nicht darum herum
> kommen, über realisierbare, über ehrlich durchgerechnete Modelle
> nachzudenken!
> 
> Mit freundlichen Grüßen! Volker Brandl
> 
> 
> Anhang: Die "substitutive Auszahlung" des GEs 
> 
> Das GE an alle BürgerInnen "substitutiv auszuzahlen", wie Werner dies
> vorsieht,heißt: Jede BürgerIn enthält das volle GE; es ersetzt
> allerdings bisherige Einkünfte oder Einkunftsteile. Hinsichtlich der
> Erwerbstätigen in der Wirtschaft, die ein Erwerbs-Einkommen - über
> der Höhe des GE liegend - beziehen, und das sind bei 750 Euro GE die
> meisten, bedeutet dies: 750 Euro ihres (Netto-) Erwerbseinkommens
> werdendurch das GE ersetzt. Diesen Teil des Einkommens braucht der
> Arbeitgeber nicht mehr zu bezahlen, denn abhängige Erwerbstätige,
> die höhere Einkünfte haben als das GE,sollen ja nach Werner durch
> die Auszahlung des GEs nicht "reicher" werden. Die Wirtschaft als
> Arbeitgeberkannalso, so Werner, Gehalts- und Lohnauszahlungen in
> beträchtlichem Ausmaß einsparen, und zwar (netto) pro ArbeitnehmerIn
> in der Höhe des GEs. Belaufen sich Erwerbseinkünfte hingegen
> aufeinen geringeren Betrag als 750 Euro, so erspart sich die
> Wirtschaftnur diesen geringeren Betrag; die BürgerIn verfügt in
> diesem Fall überGesamt-Einkünfte genau in der Höhe des GEs. 
> 
> Stellt mananaloge Überlegungen für alle30 Millionen abhängigen
> Erwerbstätigen in der Wirtschaft an,so kann man unter Zugrundelegung
> von Einkommensstatistiken leicht ausrechnen, welche (Netto-) Gehalts-
> und Lohnzahlungen die Wirtschaft durch GE-Auszahlungen insgesamt
> einspart.Rechnet man noch die GEs-Auszahlungen für die 4,2 Millionen
> Selbstständigen hinzu,soergeben sich, wie gesagt,-bei einem GE von
> 750 Euro monatlich -gigantische256 Milliarden Euro an
> Wirtschaftssubvention. Diese Summevergrößert sich bei einer
> Erhöhung auf ein GE von 1500 Euro auf sage und schreibe419 Milliarden
> Euro jährlich. Und das bei einem Gesamt-Staatsbudget von ca. 500
> Milliarden Euro! 
> 
> Entscheidend ist hier: Diese Ausgaben für das Wernersche GE müssen
> aus dem Staatshaushalt finanziert werden, siereissentiefe Löcher in
> die Staatskassa, sie verursachen astronomisch hohe Haushaltsdefizite:
> So resultiert für ein GE von 750 Euro monatlich (berechnet für70
> Millionen BürgerInnen) summa summarum ein jährliches
> Gesamt-Staatshaushalts-Defizit von286 Milliarden Euro! (Im Jahr 2003
> hatten wir ein Staats-Defizit von 65 Milliarden und dies war schon
> viel zu hoch!)Die Höhe dieses Defizits entspricht, wie man sieht,in
> etwa der Höhe der Wirtschaftssubvention. Womit die Eingangsthese
> bestätigt ist, dassdas hier betrachtete Defizitentscheidend durch
> diesubstitutive (!) Auszahlung des GEs verursacht wird.Bei
> einemHochgehen auf ein GE von monatlich 1500 Euro erhöht sich das
> Defizit des Staatshaushaltessogarauf850 Milliarden Euro!Nichts könnte
> somit falscher sein als das Wernersche, auf sein eigenes Modell
> gemünzteWort , "dass alle zur Zahlung eines bedingungslosen
> Grundeinkommens erforderlichen Geldströme schon heutefließen".
> 
> Diese Zahlen sprechen für sich! Man fühlt sich wie auf einen anderen
> Stern versetzt! 
> 
> Wenn Werner übrigens angesicht der Finanzierungsproblematik manchmal
> vage andeutet, dassdie hier erläutertenexorbitanten
> Haushalts-Defizite durch zukünftig zu erwartende
> Produktivitätsgewinne ausglichen werden könnten,so halte ich dies -
> in mehreren Hinsichten - für reines, unbegründetes Wunschdenken...
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