[Debatte-Grundeinkommen] Debatte-grundeinkommen Nachrichtensammlung, Band 10, Eintrag 13

Florian Hoffmann florian.hoffmann at intereasy.de
Do Jan 19 10:37:24 CET 2006


Lieber Herr Acker,

Sie schreiben u. a.:

"Zu 1: Warum soll es besser sein, das GE über Einkommenssteuer zu
> finanzieren, statt über Umsatzsteuer oder eine Mischung oder
> andere Steuern?"

Ich denke, da lassen sich Gründe finden:
Wenn das Grundeinkommen aus der Einkommensteuer bezahlt wird, wird diese zur
Solidar-Abgabe; d. h. Ungleichheiten werden zum Teil aus Gründen der
Gerechtigkeit gegenüber den Mitmenschen ausgeglichen. Ich finde das eine
ziemlich gute Begründung, weshalb das BGE aus der Einkommensteuer finanziert
wird und nicht aus der Umsatzsteuer. Umgekehrt hat der Staat notwendige
Ausgaben. Wieso sollen die aus der Einkommensteuer finanziert werden? wo es
doch darum geht, den staatlichen Beitrag (Anteil) zum Gesamtfunktionieren
des Gemeinwesens zu finanzieren. Dafür ist die Umsatzsteuer als Anteil an
der gewerblichen Gesamtleistung doch besser geeignet.


" Zu 4: Natürlich wird das Finanzierungsproblem trivial, wenn man darauf
> verzichtet, eine Mindesthöhe des GE festzulegen. Es handelt sich beim HGE
> nicht um ein BGE im Sinne des Netzwerks Grundeinkommen oder von BIEN
> handelt, da keine existenzsichernde Höhe garantiert wird. Beim BGE geht es
> nicht um Almosen, sondern ein Bürgerrecht auf ein armutsfestes Einkommen
> auch ohne Arbeit."

Vielleicht nicht nur ein Wortspiel:
Aber für mich ist ein Grundeinkommen, das zur Bedingung hat, dass es
existenzsichernd ist, ist nicht bedingungslos. Wenn das BGE die
Existenzsicherung des Menschrn zur Bedingung hat, dann stellt nicht der
Staat die Bedingung, sondern der Mensch. Wem gegenüber stellt er die
Bedingung? Dem Staat gegenüber, oder sich selbst? Wenn man die
Finanzierungsseite außer acht läßt, kann man leicht die Bedingung an den
Staat stellen und sagen: "Ich fordere!"; "Ich habe einen Anspruch!" Als
nächstes kommt die Überlegung, wieviel ich fordern könnte und müßte, damit
meine Ansprüche befriedigt werden (Grundansprüche). Dann beginnt eine
unendliche Diskussion, weil jeder Mensch eine andere Vorstellung hat. Das
mit dem Anspruch ist doch die alte Kiste mit der Sozialhilfe, dem Wohngeld,
dem Bafög, usw.. Da fällt einem immer wieder etwas Neues ein, weil es immer
wieder Ungerechtigekeiten gibt, und schon entsteht ein neuer Anspruch
(Frauenparkplatz, Behindertenparkplatz, Auto-mit-Kinderwagen-Parkplatz,...).

Wenn Sie aber sagen: "Die Einkommensteuer gehört uns!" (HGE), dann haben Sie
einen Anspruch gegen sich selbst, dann müssen Sie als erstes definieren,
wieviel wollen Sie im Rahmen Ihrer Solidarität abgeben? Für den Einzelnen
ist BGE bedingungslos – in der Summe steht der gesamtwirtschaftliche Ertrag
jedoch unter der Bedingung, dass die Leistung auch tatsächlich von der
Gemeinschaft insgesamt erbracht wird. Deshalb gilt die natürliche
Bedingung, dass nur so viel ausgekehrt wie eingenommen wird.
Mehrheitlich-demokratisch entschieden wird über den Steuersatz, wie hoch der
umzuverteilende Anteil und damit am Ende das Grundeinkommen ist.

Ein abschließender Gedanke dazu: Nur die Auszahlung eines ertragsabhängigen
Anteils aus der Leistung aller (quasi als Be-Lohnung) erzeugt beim Empfänger
die Befriedigung, die auch ein Lohn für erbrachte Leistungen oder ein Ertrag
(z. B. ein Ernte-Ertrag) zu erzeugen in der Lage ist.

Die Diskussion der übrigen Punkte hat eher technischen oder philosophischen
Charakter und bringt in der Sache nicht viel weiter. Ein HGE (Hoffmann'sches
Grundeinkommen) lehne ich ab. Mein Anliegen ist die Entwicklung eines
konsistenten und allgemeinverständlichen BGE-Konzepts, und zwar so, dass die
Diskussion baldmöglichst beendet wird, um die Verbreitung des Gedankens zu
ermöglichen.

Florian Hoffmann




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> Von: debatte-grundeinkommen-bounces at listen.grundeinkommen.de
> [mailto:debatte-grundeinkommen-bounces at listen.grundeinkommen.de]Im
> Auftrag von debatte-grundeinkommen-request at listen.grundeinkommen.de
> Gesendet: Mittwoch, 18. Januar 2006 22:19
> An: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
> Betreff: Debatte-grundeinkommen Nachrichtensammlung, Band 10, Eintrag 13
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> Subject/Betreff oder im Text an
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>
>    1. Finanzierung - Vorschlag von Florian	Hoffmann (Reimund Acker)
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> From: "Reimund Acker" <reimund.acker at t-online.de>
> Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Finanzierung - Vorschlag von Florian
> 	Hoffmann
> To: "BGE Liste" <debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de>
> Message-ID: <DOEILPDKGFFFMFOJCHKCCEAHCDAA.reimund.acker at t-online.de>
> Content-Type: text/plain;	charset="iso-8859-1"
>
> Florian Hoffmanns Finanzierungsvorschlag für ein "HGE" (Hoffmannsches
> Grundeinkommen) lautet wie folgt:
> 1. Das HGE wird ausschließlich über Einkommenssteuern finanziert.
> 2. Der Staat verzichtet auf alle Einkommenssteuern (und finanziert seine
> Haushalte im Wesentlichen aus Umsatzsteuern).
> 3. Die wegfallenden ESt-Einnahmen kompensiert der Staat durch
> Bürokratieabbau.
> 4. Die Höhe des HGE ergibt sich ausschließlich aus den ESt-Einnahmen; ein
> existenzsicherndes Minimum wird nicht garantiert.
> 5. Es wird genau soviel GE ausgezahlt, wie ESt eingenommen wird, und jeder
> erhält gleich viel.
> 6. Es gibt einen "hohen" ESt-Freibetrag, aber "der Reiche versteuert sein
> BGE"
> 7. Es gilt ein einheitlicher ESt-Satz (Flat-Rate).
> 8. Die Einziehung der Einkommenssteuern, die ESt-Erklärungen der
> Bürger und
> die Auszahlung des HGE erfolgt durch die Bundesbank.
>
> Hab ich was vergessen?
>
> Zu 1: Warum soll es besser sein, das GE über Einkommenssteuer zu
> finanzieren, statt über Umsatzsteuer oder eine Mischung oder
> andere Steuern?
> Götz Werner schlägt bekanntlich das Gegenteil vor, nämlich die
> ausschließliche Finanzierung des GE über Umsatzsteuer (und die Abschaffung
> aller anderen Steuerarten). Aber Während GW für seinen Ansatz durchaus
> bedenkenswerte Gründe anführt, kann ich bei FH kein sachliches
> Argument für
> ein rein Einkommensteuerfinanziertes GE finden. Selbst wenn man
> Punkt 8 für
> erstrebenswert hielte (was ich nicht tue; s.u.), könnte man diesen Punkt
> z.B. ebenso einfach durch ein umsatzsteuerfinanziertes GE erfüllen. Der
> Bundesbank dürfte es egal sein, ob sie Einkommenssteuer oder Umsatzsteuer
> umverteilt.
>
> Zu 2: Dies ist ein allgemein steuerpolitischer Vorschlag  und für die
> Finanzierung des GE irrelevant. Es vermindert die politische
> Durchsetzbarkeit des GE, wenn man es mit unnötigen Zusatzforderungen
> befrachtet.
>
> Zu 3: Durch Bürokratieabbau sind Einsparungen bei Personalausgaben und
> sächlichen Verwaltungsausgaben möglich. Diese Ausgaben betrugen im
> Bundeshaushalt 2005 zusammen 34,6 Mrd. €. Wenn man davon durch Einsparung
> die 130 Mrd Lohn- und Einkommensteuer zusammenbringen will, muß man wohl
> erstmal gewaltigen BürokratieAUFbau betreiben! Im übrigen sollte
> man es mit
> der Forderung nach Bürokratieabbau nicht in populistischer Manier
> übertreiben; schließlich braucht ein moderner Staat eine
> Bürokratie/Verwaltung - nur effizient sollte sie halt sein.
>
> Zu 4: Natürlich wird das Finanzierungsproblem trivial, wenn man darauf
> verzichtet, eine Mindesthöhe des GE festzulegen. Es handelt sich beim HGE
> nicht um ein BGE im Sinne des Netzwerks Grundeinkommen oder von BIEN
> handelt, da keine existenzsichernde Höhe garantiert wird. Beim BGE geht es
> nicht um Almosen, sondern ein Bürgerrecht auf ein armutsfestes Einkommen
> auch ohne Arbeit. Ich will die bekannten Argumente hier nicht wiederholen,
> sie können z.B. unter www.archiv-grundeinkommen.de nachgelesen
> werden. Aber
> wenn's gewünscht wird, können wir das später gern nochmal durchgehen.
>
> Zu 5: Die Kopplung der Höhe des GE and die Steuereinnahmen oder das
> Volkseinkommen ist auch beim BGE möglich, wenn man z.B. das GE
> festlegt als
> 60% des Durchschnittseinkommens. Steigt oder fällt dann das
> Volkseinkommen,
> so auch das BGE und (bei unverändertem Steuersatz) die Einkommensteuer.
>
> Zu 6: Laut BVG muß das Existenzminimum nicht versteuert werden, der Reiche
> versteuert sein BGE also NICHT (sondern das was er darüber hinaus
> verdient).
>
> Zu 7: Siehe Anm. zu Punkt 2.
>
> Zu 8: Auch bei diesem organisatorischen Vorschlag ist mir unklar, wo der
> Vorteil liegen soll. Der Verwaltungsaufwand dürfte gleich bleiben und sich
> nur vom Finanzamt auf die Bundesbank verlagern. Jeder Bürger wäre
> gezwungen,
> zusatzlich zu seinen Provatkonten ein oder mehrere Konten bei der BB zu
> unterhalten und Geldströme künstlich über diese BB-Konten umzuleiten. Für
> die Masse der Lohn- und Gehaltsempfänger würde sich nicht viel ändern, da
> ihre Lohnsteuer heute schon vom Arbeitgeber abgeführt wird; da
> brauchen wir
> also keine BB für. Selbständige und ihre Hausbanken würden zur Vermeidung
> der Besteuerung ihrer Einkünfte vermutlich ebenso viel Kreativität
> entwickeln wie seit Jahren schon bei der Kapitalertragssteuer.
> Und natürlich
> brauchen wir weiterhin die Staatsgewalt (nebst Bürokratie), um die
> Steuerpflicht durchzusetzen und die Steuerpflichtigen zu kontrollieren.
>
> Reimund Acker
>
>






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