[Debatte-Grundeinkommen] Debatte-grundeinkommen Nachrichtensammlung, Band 21, Eintrag 5

luis.carlos at email.de luis.carlos at email.de
Mo Dez 11 15:29:18 CET 2006






Hier wird gerechnet, doch über die Wandlungsfähigkeit von Menschen haben Mathematiker nichts verstanden, denn Sie versuchen die Realität hochzurechnen, und das ist völliger Unsinn. DEr Mensch mit einer Zukunftsvorstellung, die er heute nicht mehr hat, wird völlig anders reagieren. So taugen all diese Modelle nicht. Götz Werner ist ein ziemlich erfolgreicher Visionär, dass haben die Kritiker des bGE noch nicht geschafft, ich empfehle das Buch www.lazyway.de , denn die Grundlage sind nicht Rechenpläne sondern Bedingungslosigkeit, und wer das hat, der hat einfach Erfolg, weil er seiner Vision folgt. 

luis carlos



Heiner Flassbeck

Wirtschaft und Markt, Januar 2007

Es gibt Ideen, die sind uralt, unsinnig und unbezahlbar und werden doch
immer wieder aus dem Mottenschrank geholt, weil sie in bestimmte Formen des
ideologischen Überbaus so gut hineinpassen, dass selbst intelligente
Zeitgenossen nicht von ihnen lassen können. So eine Idee ist das
bedingungslose Grundeinkommen, das in diesen Tagen quer durch das gesamte
politische Spektrum, bei Linken wie bei Rechten fröhliche Urständ feiert.

Die scheinbar einfachste Begründung für ein Grundeinkommen ist auch schon
die abstruseste. Wenn man allen Menschen in Deutschland ein Grundeinkommen
von, sagen wir der Einfachheit halber 1000 Euro gäbe, so die Befürworter,
könne man sich jede Menge Bürokratie und jede Menge soziale Kosten sparen,
die dadurch entstehen, dass bedürftige Menschen in Ämtern Schlange stehen
müssen und ihre Lebensverhältnisse peinlich genau prüfen lassen müssen.

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Wenn 80 Millionen Deutsche
ein Grundeinkommen von 1000 Euro monatlich bekommen, macht das knapp 1000
Milliarden Euro pro Jahr. Rechnet man für Kinder etwas weniger, bleiben
vielleicht 800 Milliarden. Von 80 Millionen Deutschen brauchen aber
mindestens 40 Millionen das Grundeinkommen nicht, weil sie ohnehin
ausreichend verdienen oder eine ohnehin schon ähnlich hohe Rente beziehen..
Diesen 40 Millionen in keiner Weise Bedürftigen geben wir aber jeden Monat
40 Milliarden Euro (40 Millionen mal 1000 Euro), also 480 Milliarden im
Jahr. Das ist mehr als die Hälfte aller heutigen Steuereinnahmen. Damit
wiederum sparen wir vielleicht 20 Milliarden pro Jahr - was sicher hoch
gegriffen ist - an Bürokratie ein sowie die unsichtbaren Kosten für die
Überprüfung der Bedürftigkeit.

Der Punkt ist: Selbst wenn man 320 Milliarden der 800 Milliarden aufrechnet
gegen das, was heute an sozialen Leistungen erbracht wird, bleiben die 480
Milliarden zu viel gezahlten Euro, die zusätzlich aufgebracht werden müssen.
Wir müssen also die Steuern schon deshalb um 50 Prozent erhöhen, um den
wohlhabenden Teil der Bevölkerung mit einem Einkommen auszustatten, dass
dieser gar nicht braucht.

Nun kann man das auf die Weise tun, dass die Einkommensteuern nur für die
höheren Einkommen erhöht werden, so dass der Teil der Bevölkerung, der
tatsächlich vom Grundeinkommen lebt, nicht auch noch an der Finanzierung des
Grundeinkommens für den Teil beteiligt wird, der das Grundeinkommen gar
nicht braucht.

In dem Fall produzierte das Grundeinkommen lediglich eine irrsinnig hohe
Steuerquote und ein gewaltiges Umverteilungskuddelmuddel in der oberen
Hälfte der Einkommenspyramide, produzierte also ein Ergebnis, das mit der
ursprünglichen Idee dieses wunderbaren Vorschlages überhaupt nichts zu tun
hat. Sicher kann man aber sein, dass sich im gleichen Augenblick eine nie
zuvor gesehene Steuersenkungslobby formieren würde, die für die nächsten
zwanzig Jahre nichts anderes im Sinn hätte, als die Steuern wieder zu
senken, weil nach ihrer Auffassung zu hohe Steuern den Leistungsträgern die
Leistungsbereitschaft auch dann nehmen, wenn die Steuereinnahmen sofort
wieder an die gleiche Bevölkerungsgruppe zurückgegeben werden.

Vorsorglich haben schon einmal einige Befürworter des Grundeinkommens die
Mehrwertsteuer ins Spiel gebracht. Man könne doch die Mehrwertsteuer so weit
anheben wie notwendig, ohne die Leistungsanreize zu stören. Dumm auch hier
nur die Arithmetik. Drei Punkte Mehrwertsteuer mehr, wie für Anfang 2007
geplant, bringen 20 Milliarden mehr in die Staatskasse. Um wiederum nur die
480 Milliarden, die an die zu zahlen sind, die es eigentlich nicht brauchen,
aufzubringen, muss man offensichtlich die Mehrwertsteuer um 70 Punkte
erhöhen, also auf etwa 90 %. Folglich werden sich die Preise all der von der
Mehrwertsteuer erfassten Güter fast verdoppeln. Das hat natürlich nicht nur
eine grandiose Steuerflucht in die Schwarzarbeit zur Folge, sondern sorgt
nun auch dafür, dass die Einkommen in noch nie da gewesener Weise von unten
nach oben umverteilt werden. Jetzt zahlen ja diejenigen, die wirklich
bedürftig sind, kräftig mit an diejenigen, die das Grundeinkommen gar nicht
brauchen.

Noch absurder wird es, wenn, wie von einem der in der Öffentlichkeit
rührigsten Vertreter des Vorschlages allen Ernstes propagiert, die
Unternehmer das Grundeinkommen nutzen, um im Ausmaß des Grundeinkommens die
normalen Löhne, vor allem in Niedriglohnbereich natürlich, zu kürzen. Dann
sinken die Realeinkommen aller Arbeitnehmer mit geringen Ersparnissen
drastisch und entsprechend deren Nachfrage nach Konsumgütern. Da nach der
Erfahrung der vergangenen Jahre niemand erwarten kann, dass mögliche
Beschäftigungsgewinne den Reallohnverlust ausgleichen, wird die Konjunktur
einbrechen, die Arbeitslosigkeit steigen und die Unternehmen zwingen, die
Preise trotz der immensen Mehrwertsteuerbelastung zu senken und die Gewinne,
die sie zunächst eingesteckt haben, sind futsch. Nur im Ausland wird die
deutsche Wirtschaft noch mehr als ohnehin schon reüssieren, weil Exporte ja
von der Mehrwertsteuer befreit sind. Das werden unsere Nachbarn in Europa
und anderswo aber zum Anlass nehmen, ihre Grenzen für derart subventionierte
Waren endgültig dicht zu machen oder selbst ähnlich irrsinnige Experimente
in die Wege zu leiten.

Es ist schon beeindruckend, dass sich ein Ministerpräsident eines
ostdeutschen Bundeslandes zum Anwalt des Grundeinkommens macht, ohne auch
nur andeutungsweise zu sagen, wie ein solcher Vorschlag finanziert werden
soll und welche Folgen das für die wirtschaftliche Entwicklung und die
Verteilung der Einkommen einschließlich der Lage der viel diskutierten
Unterschicht hat. Es spricht aber auch für die Einfalt vieler unserer
Medien, dass sie so etwas nachplappern und weder ernsthaft nachfragen noch
den Versuch eigenen Nachdenkens machen. Besonders traurig ist schließlich,
dass sich sogar viele von denen, die ansonsten die Gutmenschen spielen und
Verteilungsfrage wie eine Monstranz vor sich hertragen, auf die Propaganda
hereinfallen, weil sie glauben wollen, der Vorschlag sei der Weg zum Glück
und das Ende der schrecklichen Erwerbsarbeit.




--------------------------------

Sven Giegold * Wirtschaftswissenschaftler
Vertreter des BUND im Koordinierungskreis von Attac Deutschland
International Steering Committee - Tax Justice Network, Chair

Share e.V. * Artilleriestr. 6 * D-27283 Verden/Aller
t. (+49)(0)4231/957-590 * mobil (+49)(0)163/5957590 * skype: sven_giegold

E-mail: giegold at attac.de * Internet: www.sven-giegold.de

Einige Links:
www.attac.de * www.bewegungsstiftung.de * www.bund.net
www.campact.de * www.oekozentrum.org * www.taxjustice.net

Info-Mailingliste:
Ausgewählte spannende Texte für soziale Bewegungen (max zwei pro Woche)..
Abonnieren:
http://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/bewegungswerkstatt-info

_______________________________________________

Info-Mailingliste der
Bewegungswerkstatt in Verden

Max. zwei spannende Texte pro Woche.

Abonnieren:
http://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/bewegungswerkstatt-info
oder e-mail an Sven Giegold, giegold at attac.de

www.bewegungsstiftung.de
www.campact.de
www.attac.de
www.bewegungsakademie.de
www.oekozentrum.org
www.allerwohnen.de
www.oekologieglobal.de

Diese Mail gerne an Interessierte weiterweiten...

----- 



___________________________

JPBerlin - Mailbox u. politischer Provider
Genugfueralle Mailingliste - Eine Mailingliste im Rahmen von Attac
Zu Optionen und zum Austragen:
http://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/genugfueralle






------




------------------------------

_______________________________________________
Debatte-grundeinkommen mailing list
Debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
http://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/debatte-grundeinkommen


Ende Debatte-grundeinkommen Nachrichtensammlung, Band 21, Eintrag 5
*******************************************************************
	

-------------- nächster Teil --------------
Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt...
URL: <https://listi.jpberlin.de/pipermail/debatte-grundeinkommen/attachments/20061211/467cde3d/attachment.html>


Mehr Informationen über die Mailingliste Debatte-Grundeinkommen