[Debatte-Grundeinkommen] Zehn Thesen / Erwiderung zu Beitrag Behncke

Florian Hoffmann florian.hoffmann at intereasy.de
Mi Aug 30 10:37:37 CEST 2006


Lieber Joachim,
liebe Listis,

um Deine Position ganz deutlich zu machen, darf ich Dich noch einmal
zitieren:

"Mit nur wenigen anderen Maßnahmen wird soviel Geld zum Fenster
hinausgeschmissen wie mit dem Kindergeld."

und weiter unten:

"Und damit spanne ich den Bogen zum Bedingungslosen Grundeinkommen: Was
bringt es, jedem - ob arm oder reich - das Geld zu zahlen? Man setzt nur
eine ungeheure Geldverteilungsmaschine damit in Gang, und es verpufft, wie
das Kindergeld, ohne die entsprechende Wirkung in der Breite. Ich weiß, daß
viele dagegen die Grundsätzlichkeit halten: Selbst ein Ackermann usw., aber
wem nützt das?."

Du stellt Dich damit grundsätzlich gegen das, was wir hier anstreben: die
Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens für alle.

Ich persönlich kann dagegen nur das unterstreichen was Du zwar zitierst,
aber nicht goutierst: Den Parijs'schen "Kommunismus im Kapitalismus", d. h.
das BGE (auch für Ackermann) schafft möglicherweise die Symbiose von einer
gerechten Welt und einer effizienten Wirtschaft, also einen sozialen
Kapitalismus.

Für mich wär' das was. Für Dich nicht?

Schöne Grüße
Florian




> Message: 3
> Date: Tue, 29 Aug 2006 19:58:04 +0200
> From: "j.behncke" <j.behncke at bln.de>
> Subject: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Debatte-grundeinkommen / Zehn
> 	Thesen
> To: "Florian Hoffmann" <florian.hoffmann at intereasy.de>,
>
> Lieber Florian, liebe Liste!
>
> Mit dem Kindergeld hast Du den wunden Punkt getroffen. Mit nur wenigen
> anderen Maßnahmen wird soviel Geld zum Fenster hinausgeschmissen
> wie mit dem
> Kindergeld. Das ist das knock-out-Argument für das bedingungslose
> Grundeinkommen.
>
> Zur Begründung: Das Kindergeld wird bis zum 18. Lebensjahr in der Regel an
> die Eltern ausgezahlt. Unabhängig von deren Einkommen. Ich selber
> habe zwei
> Kinder ( versucht ) großzuziehen, mit der Weile "erwachsen" und habe alle
> Kindergeldhöhen von gar nichts über 50,- DM bis zu 154,- EURO mit-
> "genossen". Gar nichts hat mich nicht gehindert, eine Familie zu gründen.
> Von 50,- DM habe ich uns ein Eis gekauft und erst ( in der
> Zeitschiene ) die
> 154,- ? waren ein relevanter Faktor, da meine Kinder mit der Zeit
> studierten
> und damit "teuer" wurden. Genau dies hat ja unsere neue schwarz-rote (
> eigentlich rot-schwarze ) Regierung mit der Einführung des
> Elterngeldes für
> Besserverdienende inklusive zwei Monate Wickelzuschlag für engagierte
> Manager abgeschaftt ( nämlich Senkung der Altersgrenze von 27 auf
> 25 Jahre,
> sofern in der Ausbildung ).
>
> Das vernünftige Konzept an dieser Stelle ist: Infrastruktur,
> Infrastruktur,
> Infrastruktur: Kostenlose Kindergärten, Vorschulerziehung, Schulmaterial,
> Besuch von Schwimmbädern, öffentliche Verkehrsmittel und, und und ( später
> natürlich Studieren ohne Studiengebühr: "Gebühr" ist schon ein
> verräterischer Name, denn mit Gebühr hängt im Allgemeinen keine Leistung
> zusammen, also auch nicht die Gestaltung einer attraktiven
> Universitätsausbildung ).
>
> Aber: das Kindergeld erhält nach einem Urteil des Verfassungsgerichtes
> jeder, ob er Ackermann heißt oder der Halbbruder von Gerhard Schröder ist.
>
> Auch wenn das Verfassunggericht so entschieden hat, muß es so nicht sein.
> Und damit spannne ich den Bogen zum Bedingungslosen Grundeinkommen: Was
> bringt es, jedem - ob arm oder reich - das Geld zu zahlen? Man setzt nur
> eine ungeheure Geldverteilungsmaschine damit in Gang, und es verpufft, wie
> das Kindergeld, ohne die entsprechende Wirkung in der Breite. Ich
> weiß, daß
> viele dagegen die Grundsätzlichkeit halten: Selbst ein Ackermann
> usw., aber
> wem nützt das?.
>
> Es macht aufgrund der viel größeren zu bewegenden Summen ( 82 Mio. mal BGE
> Satz statt xx Mio. mal Grundsicherungssatz ) die
> Finanzierungsschwelle viel
> höher und damit das Grundeinkommen allen Realisierungsversuchen gegenüber
> extrem schwer, wenn nicht unmöglich, durchsetzbar.
>
> Aber natürlich kann man sich auch für ein Bedingungsloses Grundeinkommen
> einsetzen, wenn man es denn eh' nicht realisieren will.
>
> Für mich ist und bleibt der wirkliche zentrale Punkt: Kein Zwang
> zur Arbeit.
> Seit Luther und anderen kirchlichen Sozialethikern hängen wir dem Gedanken
> der Arbeit hinterher, ein Gedanke, den die Kapitalisten dankbar am Beginn
> des 19. Jahrhunderts aufgenommen haben: Seit 200 Jahren müssen alle
> arbeiten, damit die Oberschicht es sich bequem machen kann ( die arbeitet
> natürlich auch: ein Herr Ricke ca. 80 Stunden pro Woche, Reisezeiten
> inklusive ). Und die breite Masse fällt darauf rein.
>
> Kannn es sein, daß der Widerstand gegen ein Grundeinkommen so
> groß ist, weil
> dadurch unendlich viele kreative Kräfte in der Gesellschaft frei
> werden, die
> das bestehende System zersprengen könnten? Ich habe mal von einem
> Zitat von
> Philippe van Parijs gehört, das Bedingungslose Grundeinkommen sei eine
> Methode, den Kommunismus im Kapitalismus einzuführen. Interessanterweise
> kennt ja das B.I.E.N auch nur 3 Kriterien: zur Höhe des
> Grundeinkommens sagt
> van Parijs: "could be more, could be less".
>
> Grüße
> Joachim Behncke, Berlin
>
>
>





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