[Debatte-Grundeinkommen] Menschenwert und Produktwert gehören zusammen

Werner & Sigrid Herwig wesi.herwig at gmx.de
Di Aug 29 14:12:54 CEST 2006


Lieber Herr Jäger,

ich möchte mich in der BGE-Debatte nicht allein auf die Menschenrechte versteifen. Sie sollten längst selbstverständlich sein und doch muss immer wieder darüber gewacht werden. Warum? Darüber sollte man nachdenken. In diesem Zusammenhang möchte ich das von den Menschen Erschaffene gewürdigt sehen.

Nur noch 3 % der ehemalig notwendigen Arbeitskräfte sind in der Landwirtschaft tätig. Ihnen ist es möglich, unseren Hunger zu stillen und die Rohstoffe herzustellen, die wir für Bekleidung nötig haben. Sie bemühen sich darüber hinau, unseren Hausbrand weiter zu sichern. Der Supermarkt ist der verlängerte Arm des Landwirtes und die elektronischen Verteilungsmöglichkeiten sind noch längst nicht ausgeschöpft. Auch unsere weitergehenden Bedürfnisse werden von menschenersonnener Maschinen- und Energiewirtschaft geleistet, dafür wurden viele neue Berufe kreiert. Trotzdem sind viele daran beteiligte Menschen in ihrer Tätigkeit unglücklich.

Das Handwerk, in seiner Hochblüte sehr vielfältig und kreativ und nur mit der Zufriedenheit in der ausgeübten Tätigkeit zu begründen, liegt darnieder. Ich besuche gerne Künstlermärkte und unterhalte mich mit diesen hochkreativen Menschen. Für ihre Freiheit, tun zu dürfen, was ihnen am Herzen liegt, leisten sie Verzicht, leben oft in Unsicherheit in ihrem Jetzt und erst recht hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Zukunft. Aber gerade sie gestalten die Welt aus über unsere Grundbedürfnisse hinaus, schaffen einzigartige Kultur- und Gebrauchsgegenstände. Die Industrie hingegen, von mir übrigens ob ihrer Verdienste hoch gewürdigt, hat genau in diesem Bereich versagt. Sie erschafft Massenprodukte, gedacht für die Zyklen der Abfall- und Recyclingindustrie. Sie wirkt somit dem Erhalt und der Neugestaltung von Kunst und Kultur entgegen . Der Wert dieser ideellen (Industrie-)Produkte ist gleich null. Ein eher fader Geschmack für die menschliche Zukunft, wenn nur noch rasch zu vernichtende Produkte auf den Markt kämen (erinnert mich an die neuzeitlichen Anonymengräber für Menschen, deren Angedenken ebenfalls rasch vernichtet wird). 

Menschenwert und Produktwert gehören also gleichermaßen zusammen. Käme jedoch alles zukünftig Geschaffene immer wieder auf den Müll, verlören wir dabei auch unser Wissen. Auch unser neu geschaffener Wissensverteiler www. brächte uns nicht mehr weiter.

Gerade das BGE könnte die Menschen neu beleben und unsere Kultur in eine neue Hochblüte befördern, frei von der Sorge, sich um Grundbedürfnisse kümmern zu müssen - erstmalig seit Menschengedenken frei von dieser schweren Bürde nach eigenem Gusto kreativ sein dürfen! Diese Welt würde sehr schön. Lassen Sie uns davon träumen, statt darüber zu trauern, dass wir dabei unsere Selbstfürsorge verlieren werden. Jede heilende Medizin hat eben auch Nebenwirkungen, dessen sind wir uns doch längst bewusst.

Mit freundlichen Grüßen

Sigrid

Nachtrag

Um Leib und Leben bezüglich mangelnder Fürsorge um Menschen mache ich mir im Gegenzug zur Selbstfürsorge übrigens keinerlei Gedanken. Dem Menschen, als unreifes Wesen in die menschliche Gemeinschaft hinein geboren, ist die Fürsorge durch das von der Evolution hervorgebrachte Gedächtnis mitgegeben. Dieses regelt vom Menschenbeginn an das soziale Miteinander. Ohne es hätte unsere Spezies nicht bis heute überlebt. Lebensgefahr droht hauptsächlich bei tragischen Naturereignissen oder durch von Menschenhand geschaffenen Katastrophen, die mit (Verteilungs)-Ungerechtigkeit einher gehen. Werden wir lernen, die Verteilung (dazu rechne ich auch die Verteilung von Zeit: notwendige Arbeit zum Erhalt des Wohlstands in Harmonie mit freier Arbeits-Zeit) gerecht zu gestalten, haben wir zumindest einen Risikofaktor der Lebensgefahr beseitigt, sind somit der von Menschen zu schaffenden Menschen-Rechte einen großen Schritt näher gekommen. 

Das BGE ist ein bedeutender Mehr-Wert für jeden Menschen. Wir haben diese Stufe des Daseins erklommen. Somit gehörte es sich folglich definiert als Grundrecht, rechtlich abgesichert in Form eines international anerkannten und garantierten Gutscheins, überreicht bei der Geburt und gültig für die gesamte Dauer eines Lebens. Dieser Gutschein könnte an jeder Stelle der Welt ausgestellt werden, wo immer ein Mensch geboren wird und dieser Gutschein sollte auch an jeder Stelle der Welt Tag für Tag einzulösen sein. Überschreitet der Mensch lokale Grenzen, würde sich sein mit Geburt erworbenes und garantiertes Recht automatisch den regionalen Besonderheitenheiten (Jeweiliger regionaler Wert des Gutscheins könnte z. B. anhand des BIP eines Landes berechnet werden) anpassen lassen. Hier nun wäre wieder die Industrie gefordert. Ihre Aufgabe wäre es, die Infrastruktur bereit zu stellen, damit überall fussläufig erreichbare Supermärkte die Grundbedüfnisse abdecken. Ich denke, dass dies eine Infrastrukturaufgabe ist, die aufgrund unserer hochstehenden Technik innerhalb weniger Jahrzehnte von der Weltgemeinschaft geleistet werden könnte (als Beispiel dient der rasch vollzogene Aufbau Ost, der aus der Kraft deutschen Vermögens entstanden ist). Welch blühender Welthandel, welcher Kulturaustausch würden die Folge sein, welche Wanderbewegungen von Menschen käme zustande. Zunächst würde man gebären, wo es die begehrten Gutscheine gäbe (Entgegen der traurigen Zeiterscheinung, als man nach Holland ging zur Abtreibung). Später würde man in der Heimat kraftvoll die Supermärkte einfordern. 


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