[Debatte-Grundeinkommen] "7525 Euro Grundeinkommen für jeden"
Wolfgang Strengmann-Kuhn
strengmann at t-online.de
Sa Apr 22 13:58:36 CEST 2006
Hamburger Abendblatt:
http://www.abendblatt.de/daten/2006/04/21/555126.html
7525 Euro Grundeinkommen im Jahr für jeden
HWWI: Hamburger Initiative. Ökonomen schlagen neue Finanzierung der Sozialsysteme vor. Künftig
keine Arbeitslosenhilfe und kein Kündigungsschutz mehr.
Von Beate Kranz
Hamburg -
Fast täglich tauchen neue Löcher in den Sozialkassen auf. Mal fehlen Millionen für die Finanzierung
der Renten, mal für die Krankenkassen. "Um den Sozialstaat in Deutschland dauerhaft zu sichern, ist
eine grundlegende Neuorientierung des Systems mit neuer Finanzierung erforderlich", mahnte
gestern der Direktor des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Instituts (HWWI), Thomas Straubhaar, und
präsentierte sogleich ein Alternativkonzept: "Jeder Bürger sollte künftig ein jährliches
Grundeinkommen erhalten. Und zwar alle Deutschen - vom Baby bis zum Greis, lebenslang, ohne
Bedingungen, ohne Gegenleistung und ohne bürokratischen Aufwand."
Jedes zusätzliche Einkommen - Löhne, Zinsen, Mieteinnahmen bis hin zu Kapitalerträgen - sollen im
Gegenzug künftig vom ersten Euro an zu einem gleichbleibendem Satz besteuert werden - und damit
das System finanzieren. Alle Freibeträge und Steuerschlupflöcher werden gestrichen.
# Das Grundeinkommen erhalte jeder steuerfrei, erläuterte Straubhaar. Wie hoch es ausfalle, sei eine
politische Entscheidung. Lege man das heutige Sozialbudget von rund 700 Milliarden Euro zugrunde,
bekäme jeder Bürger 7525 Euro im Jahr oder 627 Euro im Monat, rechnete Straubhaar vor. Der
Betrag soll die Grundbedürfnisse des Lebens - Wohnen, Nahrungsmittel und Kleidung - abdecken.
Aus dem Betrag müsse auch eine Kranken- und Unfallversicherung bezahlt werden. Im Gegenzug
werden alle bisherigen Leistungen wie Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Kinder- und Wohngeld
gestrichen.
# Im Gegensatz zu heute sollen die Sozialkosten künftig nicht mehr hauptsächlich den Arbeitnehmern
aufgebürdet, sondern aus Steuereinnahmen bezahlt werden. "Die Finanzierung der Sozialpolitik muß
endlich von den Lohnkosten abgekoppelt werden", forderte Straubhaar eindringlich. Heute werde der
Großteil des deutschen Sozialbudgets - etwa 60 Prozent - durch Sozialbeiträge der Arbeitnehmer und
ihrer Arbeitgeber über die Lohnnebenkosten finanziert. "Diese Finanzierung wirkt wie eine Strafsteuer
auf Arbeit und belastet einseitig die Schultern der Arbeitskräfte, während auf Maschinen, Automaten
und Importe keine Sozialbeiträge erhoben werden", kritisierte Straubhaar.
Die dadurch stark gestiegenen Lohnkosten seien die maßgebliche Ursache für die hohe
Arbeitslosigkeit. "Würden die Löhne von den Lohnnebenkosten befreit, könnten Hunderttausende
neue Jobs entstehen", ist Straubhaar sicher. Insbesondere Dienstleistungen - vom Handwerk bis zu
Haushaltshilfen - wären wieder für mehr Menschen bezahlbar.
# Um den Arbeitsmarkt in Schwung zu bringen, müßten also sämtliche Sozialversicherungsabgaben
auf die Löhne gestrichen werden. Darüber hinaus plädiert der HWWI-Chef für den Wegfall des
Kündigungsschutzes, die Abschaffung der Flächentarifverträge und fordert frei verhandelbare Löhne
von Betrieb zu Betrieb. "Mehr Flexibilität bringt auch wieder mehr Beschäftigung", ist der Ökonom
überzeugt. Arbeitnehmer könnten zudem Arbeitgebern gegenüber selbstbewußter auftreten, wenn
ihnen ein Grundeinkommen sicher sei.
Um ein solches Sozialsystem zu finanzieren, ist laut Straubhaar ein einheitlicher
Einkommenssteuersatz von 35 Prozent und ein Mehrwertsteuersatz von 25 Prozent denkbar: "Je
höher das Grundeinkommen festgesetzt wird, desto höher müssen die Steuersätze ausfallen."
Straubhaar geht nicht davon aus, daß durch ein Grundeinkommen der Anreiz zum Arbeiten
verlorengeht: "Die meisten Menschen wollen arbeiten. Nicht nur wegen des Einkommens, sondern
aus Spaß und um nützlich zu sein." Und hier liege die Chance seines Vorschlags, so der HWWI-Chef:
"Nur wenn Arbeit günstiger wird, entstehen viele neue Jobs."
erschienen am 21. April 2006
Mehr Informationen über die Mailingliste Debatte-Grundeinkommen