[Debatte-Grundeinkommen] BGE und Sozialismus
Rblaschke at aol.com
Rblaschke at aol.com
Mo Apr 17 03:22:14 CEST 2006
Falsch: Das Leistungsprinzip ist das Prinzip des Sozialismus: Marx/Kritik
des Gothaer Programms: "Die individuelle Arbeitszeit des einzelnen Produzenten
ist der von ihm gelieferte Teil des gesellschaftlichen Arbeitstags, sein
Anteil daran. Er erhält von der Gesellschaft einen Schein, daß er soundsoviel
Arbeit geleistet hat ...und zieht mit diesem Schein aus dem gesellschaftlichen
Vorrat von Konsumtionsmitteln soviel heraus, als gleich viel Arbeit kostet."
Im Gegensatz zu dieser "ökonomisch, sittlich und geistig" mit den Muttermalen
der bürgerlichen Gesellschaft behafteteten ersten Form des Kommunismus
(Sozialismus) gilt nach Marx in der höheren Phase des Kommunismus das Prinzip:
"Jeder nach seinen Fähigkeiten, jeder nach seinem Bedürfnis". Des wegen schrieb
van Parijs vom Kommunismus im Kapitalismus, als er vom Grundeinkommen
schrieb.
Im Kommunistischen Manifest findet sich übrigens auch die Passage, dass in
der ersten Phase des Umsturzes kapitalistischer Produktionsverhältnisse, in
der despotische Eingriffe geschehen (Diktatur des Proletariats, Sozialismus) ,
"Gleicher Arbeitszwang für alle gilt". Alles so von Herrn Marx geschrieben.
Dem entsprechend fand sich in der ersten Verfassung der Sowjetunion "wer
nicht arbeitet, soll nicht essen". Dieser gegen die "schmarotzenden, parasitären
Kapitalisten" gerichtete Arbeitszwang mutierte ganz despotisch zum politisch
motivierten Vernichten durch Arbeit in den Gulags, zu Parasitengesetzen gegen
Arbeitsscheue in der Sowjetunion und in der DDR. Hoffen wir, dass ein
demokratisch gemeinter, freiheitlicher oder emanzipatorischer Sozialismus dies
anders meint - und fragen die demokratischen SozialistInnen und die WASG inkl.
Herrn Lafontaine, wie sie es mit dem Arbeitszwang und dem BGE halten. Eine
Bundesarbeitsgemeinschaft in und bei der Linkspartei ist ja nunmehr - wenn auch
provisorisch - im Internet -
_www.dielinke-er.de/bag-grundeinkommen_
(http://www.dielinke-er.de/bag-grundeinkommen)
Ronald Blaschke
In einer eMail vom 16.04.2006 22:06:24 Westeuropäische Sommerzeit schreibt
K.Thier at gmx.com:
Viele kennen diesen Text schon. Hier noch einmal zur Erinnerung:
Ein Weg zum Sozialismus
Es gibt eine Alternative zum Kapitalismus. Wenn wir uns darauf einigen
können, dass eine sozialistische Gesellschaft charakterisiert wird durch
Demokratie, gutes Leben, individuelle Freiheit und Solidarität mit allen, die auch
nicht mehr wollen. Wenn es für uns evident ist, dass ein Fortbestand des
Kapitalismus eine Katastrophe für die Menschheit bedeutet und dass seine Wurzeln
zurückreichen bis zum Beginn des Patriarchats, also zum Begriff des Eigentums
(die Frau als Eigentum des Mannes), aus dem sich notwendigerweise
Tauschverhältnisse, Geld, Macht, Staat, ökonomischer Wettbewerb, Wirtschaftswachstum,
Kapitalismus, Faschismus entwickelt haben.
70 % des EU-Handels ist EU-Binnenhandel. Wenn dieser gegen 100 % geht, sind
wir von der Weltkonjunktur nicht mehr abhängig und können ein eigenes
Wirtschaftssystem schaffen, aufgebaut auf Regionalisierung und Subsistenz. Es ist
nicht mehr notwendig, einen Joghurt vom Allgäu nach Norddeutschland zu
transportieren und umgekehrt. Es ist nicht mehr notwendig, mehr zu produzieren, als
jedeR für ein gutes Leben braucht. Es ist nicht mehr notwendig, Menschen
zentral zu regieren; sie können ihr Leben dezentral selbst in die Hand nehmen
mittels Nachbarschaftsräten, Stadtteilräten, Stadträten, Regionalräten,
demokratisch von unten nach oben gewählt und jederzeit abwählbar. Wie soll das in die
Wege geleitet werden?
Der Druck der deutschen Bevölkerung auf ihr bürgerliches Parlament wird so
stark, dass dieses nicht umhin kann, ein bedingungsloses Grundeinkommen von
1500 € netto monatlich zu beschließen; ähnliches passiert in anderen
EU-Staaten. Jetzt geschieht für einen Ökonomen Unvorstellbares: Ein Aufatmen geht
durch das Land. Viele arbeiten „ehrenamtlich“. Wer auf Luxus nicht verzichten
kann und hochqualifiziert ist, kann sich zu seinem Grundeinkommen noch etwas „
hinzuverdienen“. Der Einwand von Ökonomen, mit einem bedingungslosen
Grundeinkommen von 1500 € netto monatlich sei das ganze deutsche Bruttosozialprodukt
aufgebraucht, das noch keiner erwirtschaftet habe, ist also hinfällig. Eine
neue Regierung wird Subsistenzwirtschaft fördern, also Kooperativen,
selbstverwaltete Produktionen, selbstverwaltete Wohnprojekte, selbstverwaltete
Schulen, selbstverwaltete Dienstleistungsprojekte, die sich in solidarischen
Netzwerken eines gutes Lebens versichern, ohne auf Tauschverhältnisse angewiesen zu
sein, also eines Tages sagen: „Danke, Staat, wir brauchen das Grundeinkommen
nicht mehr. Du kannst gehen.“ Unvorstellbar für einen Ökonomen. Wenn ein
Mensch ausgeschlafen, gut gegessen hat, will er seinen Mitmenschen nützlich sein.
Ohne eine Gegenleistung zu erwarten, wenn er sich keine Sorgen um ein Dach
über dem Kopf und um sein täglich Brot machen muss, d.h. wenn er ein
bedingungsloses Grundeinkommen von 1500 € netto monatlich erhält. Ja, die Bevölkerung
in Deutschland wird deutlich mehr produzieren, als sie für ihre Subsistenz
braucht. Den Erlös daraus lässt sie den Ländern der Dritten Welt zugute
kommen, die ebenfalls die Subsistenzwirtschaft, Demokratie, gutes Leben,
individuelle Freiheit und Solidarität gewählt haben. Ein ganz schöner Batzen, wenn das
in der EU Schule macht. Unvorstellbar für einen Ökonomen.
Dabei unterstellen wir, dass dies die den Menschen gemäße Form des Lebens
ist und die Menschen erst durch den Kapitalismus psychisch so beschädigt
werden, dass sie glauben: „Demokratie und Kapitalismus sind kein Widerspruch in
sich. Der Kapitalismus lässt sich zähmen.“ Ein bedingungsloses Grundeinkommen
ist quasi die Arznei, mit der dieser Schaden sich beheben lässt. Sie hebt das
Leistungsprinzip als Grundprinzip einer Gesellschaft auf. Das
Leistungsprinzip ist nicht das Grundprinzip sozialistischen, sondern kapitalistischen
Denkens. Im sozialistischen Reich der Freiheit ist genug für alle da, so dass
nichts geleistet werden muss, aber gerade deshalb sehr viel geleistet wird. Eine
Dialektik, die für einen Ökonomen unvorstellbar ist. Grundprinzip einer
sozialistischen Gesellschaft ist: JedeR muss sich sinnlich wohl fühlen in
seiner/ihrer individuellen Entwicklung. Wir entziehen uns möglichst dem Kommerz durch
Selbstversorgen und Teilen. Menschliche Beziehungen sind keine
Handelsbeziehungen. Menschen, denen man/frau vertrauen kann, kann man/frau nicht kaufen.
Für Deutschland z.B. könnte der Weg zu einer sozialistischen Gesellschaft in
drei Stufen zurückgelegt werden:
1. In der ersten Stufe würde sich eine Mehrheit von WählerInnen finden
für eine Regierung, die 1500 € netto monatlich für jedeN in Deutschland
garantiert. Die Erwerbsarbeit für Menschen mit einem Vermögen von 250.000 € und für
DoppelverdienerInnen mit über 50.000 € im Jahr verbietet. Die nur noch ein
Höchsteinkommen von 15.000 € brutto monatlich erlaubt. Die Bundeswehr,
Geheimdienste, Rüstungsproduktion und Subventionen für Produkte abschafft, die
unsere europäischen und außereuropäischen Partner billiger produzieren, die also
nicht nur von Partnerschaft und Arbeitsteilung redet, sondern auch danach
handelt. Die spekulative Gewinne hoch besteuert und eine Ausgleichsabgabe von
Besserverdienenden verlangt. Die bei Kapitalflucht Grund und Boden konfisziert.
Die keine staatlichen Gelder mehr an Kirchen und Parteien zahlt. Die den
Bundestag und die Bundesregierung verkleinert und den Beamtenstatus abschafft.
Die Atomenergie verbietet. Die die Produktion und Nutzung privater Autos nicht
fördert, sondern im Gegenteil eine Maut verlangt auch für Pkws auf
Bundesstraßen und Autobahnen. Die ARD und ZDF privatisiert, weil diese keine
Alternative mehr zu den privaten Medien darstellen. Die diverse
Bundesforschungsanstalten auflöst und die Subventionierung privater Wirtschaftsforschungsinstitute
streicht, weil die Unternehmen ihre Forschung und Entwicklung selbst bezahlen
sollen. Die das Weltraumprogramm streicht. Die die Agrarexporte der
Europäischen Union nicht mehr subventioniert. Die das Flugbenzin besteuert. Die die
100 Mio € für Sandaufspülungen auf Sylt streicht, solange die Industriestaaten
ihren Ausstoß von Treibhausgasen nicht wesentlich unter das Niveau von 1990
senken. Die den Bundespräsidalsitz in Bonn auflöst. Die eine Verschwendung
öffentlicher Gelder verhindert und mehr Personal für Betriebsprüfungen, für das
Verfolgen von Steuerhinterziehung und Falschparken einstellt. Geld ist in
Deutschland also genug da. Wenn das Volk es so will, wird es so gemacht. Viele
sind dann bereit, in selbstbestimmtem Maß ehrenamtlich zu arbeiten. Viel
Frust und damit viel Konsum von Unnötigem sind dann aus den Menschen genommen.
Viel Geld bleibt übrig, um die terms of trade ausgewählter Länder der Dritten
Welt zu stützen. Viel Kraft wird im Volk freigesetzt. Die Regierung ermuntert
es, seine Sache selbst in die Hand zu nehmen. Sie fördert das kollektive,
selbstverwaltete Wohnen und lässt den Wohnungs- und Grundstücksmarkt so lange
bewirtschaften, bis alle Immobilien in Genossenschaftseigentum übergegangen
sind. Sie trennt Staat und Schule und verlangt nur noch einen
Unterrichtsnachweis; sie fördert freie, selbstverwaltete Schulen, wo die SchülerInnen selbst
bestimmen, was sie wann wo bei wem und wie lernen wollen. Wer in Deutschland
zur Welt kommt, wird deutscher Bürger, auch wer fünf Jahre hier lebt; jährlich
Einwanderungsquoten werden gesetzlich festgelegt. AkademikerInnen werden
FacharbeiterInnen gleichgestellt. Kleine und mittlere Unternehmen werden
gefördert. In der europäischen Währungsunion darf es kein Gefälle, keine Hierarchie
geben.
2. In einer zweiten Stufe wird diese Gesellschaft dann dynamisch
gemischtwirtschaftlich organisiert: Private Unternehmen, die Monopole zu werden
drohen (vielleicht bei einem Marktanteil von 30 %), werden in genossenschaftliche
umgewandelt. Genossenschaftliche Unternehmen, die zu verkrusten drohen,
werden privatisiert. Da sowieso immer mehr nationale Kompetenzen an Brüssel
abgegeben werden, organisieren sich die Menschen in der Europäischen Union
regional in dem Freistaat Bayern, dem Freistaat Sachsen, Katalonien, Breizah,
Baskenland, Schottland, Wales, Galizien und was sich sonst noch zusammentun will.
Parallel zu deutschen Parlamenten werden Runde Tische auf jeder Ebene
installiert: Nachbarschaftsräte, Stadtteilräte, Stadträte, Bezirksräte, Landräte. Auf
der untersten Ebene kann jedeR AnwohnerIn teilnehmen; jede Ebene delegiert
VertreterInnen in die nächste Ebene. Diese können jederzeit abgewählt werden.
Die Runden Tische dienen der Willensbildung des Volkes; wo der Wille des
Volkes divergiert vom Willen des jeweiligen Parlaments, muß dieses sich damit
auseinandersetzen. Aus der UNO wird eine Polizeiorganisation, die von Amts
wegen mit ihrem Gewaltmonopol eingreifen muß, wo politische Konflikte zwischen
Völkern irrational, d.h. mit Gewalt, ausgetragen werden.
3. In einer dritten Stufe wird die ganze Erde nach dem Prinzip
Selbstversorgen und Teilen organisiert. Z.B. werden alle auf der Erde benötigten
Schiffe nur noch in Indonesien, Korea und auf der Meyer-Werft in Papenburg gebaut.
Andere Produkte, von denen diese Orte abhängig sind, werden an anderen Orten
der Erde hergestellt.
Wir haben hier den Weg zu einer Alternative zum Kapitalismus nur skizziert,
die selbstverständlich offen ist für weitere Einwände. Niemand soll und kann
damit jedoch missioniert werden. Wenn die Menschen kein Bedürfnis nach einer
alternativen Lebensweise haben, kann mensch sie dazu nicht zwingen. Sie haben
dieses Bedürfnis erst, wenn sie sinnlich erfahren haben: Demokratie und
Kapitalismus sind ein Widerspruch in sich. Kapitalismus lässt sich nicht zähmen.
_www.kthier.de_ (http://www.kthier.de/) _K.Thier at gmx.com_
(mailto:K.Thier at gmx.com)
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