Re: [Debatte-Grundeinkommen] WG: [Fwd: Grundeinkommen - Finanzierung] - Kritik an der Ignoranz gegenüber dem Modell einer "Grundeinkommensversicherung"

ingmar.kumpmann at gmx.de ingmar.kumpmann at gmx.de
Di Sep 27 14:24:36 CEST 2005


Liebe Freundinnen und Freunde,

ich habe mich über die Reaktion von Michael Opielka auf meinen Text zum
Grundeinkommen sehr gefreut. Der Dialog zwischen Vertretern/innen
verschiedener Fachrichtungen ist immer sehr aufschlussreich und trägt zum
umfassenden Verständnis von Problemen bei. Dass ich als Volkswirt mich mit
der Finanzierung beschäftige, ist vielleicht kein Zufall. Allerdings bin ich
mir ganz sicher, dass die Finanzierungsfrage zu den zentralen Fragen der
Grundeinkommensdiskussion gehören muss, wenn sie auch nicht die einzige
zentrale Frage ist.

Sicherlich sind meine grundsätzlichen Überlegungen zur Höhe des
Grundeinkommens zunächst politikfern. Dabei komme ich zu dem Ziel eines
nachhaltig finanzierbaren "möglichst hohen" Grundeinkommens. Dass in der
politischen Diskussion die Bezugnahme auf einen Warenkorb notwendig sein
wird, um diesem Ziel näher zu kommen, erwähne ich in meinem Text
ausdrücklich (S. 4, dritter Absatz). Opielka hat Recht, dass auch eine
Orientierung an relativen Einkommenshöhen dabei sinnvoll sein kann.

Opielka schlägt vor, das Grundeinkommen (unter der Bezeichnung
Grundsicherung) insbesondere an Personen, die dem Arbeitsmarkt nicht zur
Verfügung stehen wollen, zur Hälfte nur als Darlehen zu zahlen. Dies führt
jedoch dazu, dass die Lebensphase für den Gesamtumfang finanzieller
Unterstützung bedeutsam wird. Wer in seinem Modell beispielsweise vom 20.
bis 40. Lebensjahr Grundsicherung bezieht und danach bis zum 65. Lebensjahr
einer Erwerbsarbeit nachgeht, wird vermutlich die Grundsicherungsschulden
aus seinen Erwerbseinkommen voll zurückzahlen. Wer dagegen erst arbeitet
(von 20 bis 45) und danach von der Grundsicherung lebt (von 45 bis 65), wird
mit Grundsicherungsschulden in Rente gehen und diese Schulden entweder aus
seiner Rente zurückzahlen müssen (sofern diese nach verkürztem
Erwerbsarbeitsleben hoch genug ist) oder eben mit ins Grab nehmen. Für die
Frage, ob und inwieweit Grundsicherungsschulden zurückgezahlt werden, ist
die zeitliche Lage des Grundsicherungsbezuges relevant.

Man kann vor den Bezug einer Sozialleistung höhere oder niedrigere Hürden
aufbauen. Dies lässt sich auch nicht mit dem Hinweis, alle Modelle seien nun
einmal komplex, vom Tisch wischen. Bei der Grundsicherung, die das
Existenzminimum auch für die Schwächsten der Gesellschaft absichern soll,
müssen die Hürden niedrig sein. Ein Modell, das dazu führt, dass Menschen am
Ende Schulden haben, schreckt eher ab als eines, in dem solche Schulden
nicht entstehen. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass bei Verwirklichung von
Opielkas Modell mehr Anspruchsberechtigte vor der Beantragung von
Grundsicherung zurückschrecken würden, als in Modellen, in denen aus der
Grundsicherung keine Schulden resultieren.

Dass mein Text zum Grundeinkommen Opielkas Konzepts einer
Grundeinkommensversicherung, welches einen sehr umfassenden Umbau fast aller
sozialen Sicherungssysteme vorsieht, nicht hinreichend diskutieren kann, ist
auf Grund meines Themas sicher verständlich. Letztlich beschränke ich mich
auf die Frage nach der Zahlung des Grundeinkommens zur Hälfte als Darlehen,
weil dieser für die von mir diskutierte Finanzierungsproblematik besonders
relevant ist.

Ich freue mich auf die Fortsetzung der Diskussion.

Viele Grüße
Ingmar Kumpmann



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