[Debatte-Grundeinkommen] Frage zur Abwesenheit eines Arbeitszwangs

Ralf Westphal ralfw at ralfw.de
So Nov 27 14:08:56 CET 2005


Vielen Dank an die Liste für die Antworten auf meine Frage nach dem Grund
für eine Abwesenheit eines Arbeitszwangs.
Ich hatte angenommen, es gäbe eine klare, harte "ideologische" Begründung -
aber dem scheint nicht so zu sein.
Interessant... aber positiv ;-)

Denn ich meine, die Abwesenheit eines Arbeitszwangs widerspricht der
conditio humana: Menschen definieren sich durch das Feedback, das sie auf
ihre Entscheidungen bekommen.

Wenn ich mich entscheide, nicht mehr zu atmen, wird mir sehr unwohl und ich
sterbe. Das ist das extremste Feedback.
Wenn ich mehr Geld ausgebe, als ich habe, dann kann ich mir im nächsten
Monat nichts mehr leisten. Ein Feedback, das mich überlegen lässt, ob ich
eher zufrieden bin mit dem, was ich habe - oder eben mehr arbeiten sollte.

Wenn ich aber letztlich alles tun kann, ohne dass mein grundlegend
materielles Überleben - das BGE - gefährdet ist, dann ist das kein Feedback.
Oder es ist ein Feedback das destruktiv auf den menschlichen Geist bzw.
seine Seele wirkt. Es ist sozusagen eine "Reizdeprivation".

Aus der Gnade eines göttlichen Wesens mag ich nicht fallen können, egal was
ich tue. Aber für das irdische Leben scheinen mir Leistung und Gegenleistung
untrennbar verbunden. Für die Leistung BGE sehe ich jedoch keine
Gegenleistung, die durch die Bürger zu erbringen wäre.

Aus Matthias Diltheys Antwort könnte ich eine "Pflicht zum Konsum"
herauslesen. Aber ist das wirklich eine Gegenleistung? Und sollte sie
gefordert werden? Ist sie "konstruktiv"?

Ich halte eine Gegenleistung, eine Pflicht dem Gemeinwesen gegenüber, das
mir das BGE ermöglicht, für konstruktiver und intuitiver. Die Gesellschaft
gibt mir das Recht auf ein BGE - daraus entsteht eine Pflicht zu einer
gewissen, angemessenen Leistung gegenüber der Gesellschaft. Wer nicht auf
das BGE verzichten will oder kann, muss sie erbringen. Wer darauf
verzichtet, wird von ihr befreit.

Diese Form von "eingebunden sein" empfinde ich als sehr verständlich und
natürlich. Jedes Kind wird mit vielerlei solcher "Verträge" konfrontiert und
begreift sie anstandslos. Es besteht keine Notwendigkeit, Bürger in ein
Schlaraffenland zu versetzen, das sie ohne Gegenleistung mit allem
Lebensnotwendigen versorgt. 

Wer teil einer Gemeinschaft ist, soll das auch bewusst erleben. Ein Weg
dahin ist einen Gegenleistung für eine Leistung der Gemeinschaft.

Strom kommt aus der Steckdose, Fleisch aus dem Supermarkt und Geld von der
Bank: das sind fatale "Entfremdungen" von den Prozessen in der Welt, die zu
Gleichgültigkeit und damit letztlich zu einer Gefährdung eben dieser Welt
führen. Denn wo Gleichgültigkeit in Bezug auf ein System herrscht, da ist
der Keim zu seinem Verfall gelegt, denn niemand achtet mehr darauf; alles
scheint ja immer irgendwie zu laufen; so war es immer schon, warum sollte es
anders sein; was ist denn auch mein Anteil am Ganzen?

Entfremdung des Einzelnen vom System, das das BGE ermöglicht, ist
entgegenzuwirken. Über eine gewisse Pflicht für den Empfang des BGE kann das
erreicht werden.

Aus meiner Sicht ist es keine Frage, ob es eine "Zwangsarbeit" für das BGE
geben sollte - sondern welcher Art und welchen Umfangs sie sein sollte.

-Ralf Westphal




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