[Debatte-Grundeinkommen] Verminderung des Arbeitsvolumens

Bernd Kowarsch bernd at abnuto.de
Do Nov 24 15:44:42 CET 2005


----- Original Message -----
From: "Reimund Acker" <reimund.acker at t-online.de>
To: "BGE Liste" <debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de>
Sent: Thursday, November 24, 2005 2:35 AM
Subject: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Verminderung des Arbeitsvolumens

Hallo Reimund, Hallo ihr

>...beim Thema BGE immer zuerst ökonomische Gründe entgegengehalten
>werden. Erst wenn die aus dem Weg geräumt sind, kommen die nicht-
>ökonomischen Argumente (als nächstes meistens dies: Warum soll ich
>jemanden finanzieren, der nicht arbeiten will?).

Da sag ich immer; sollst du nicht, genauer; sollst nicht du - heißt; jene,
die nicht
arbeiten _wollen_ erhalten ihr beG (bedingungsloses eXistenzsicherndes
Grund-
einkommen) aus Vermögensertragssteuern. Die vermutlich kleine Gruppe der
Arbeitsverweigerer 'belastet' also das Einkommen des Durchschnittsmenschen,
-bürgers nicht (nennenswert).

>Für wirkungsvoll halte ich das Argument von der Verminderung des gesell-
>schaftlich notwendigen/wünschenswerten Arbeitsvolumens. Für wichtig halte
>ich Überwindung der mißgünstigen Einstellung, nach der nicht essen soll,
wer
>nicht arbeiten will.

Letzeres ist und war schon lange ein doch plumper Chauvinismus. Das dort
gemeinte 'Essen' kann heute sinnvoll nur mit 'auf die Malediven fliegen'
ver-
standen werden.
Bei der Verminderung des Arbeitsvolumens geht meine Argumentation aller-
dings in eine recht andere Richtung. Zunächst könnte (und angesichts der
Zustände ausserhalb unserer Landes-, Kontinentsgrenzen; sollte) eine große
Menge Arbeit schlicht unterlassen werden. Wir müssen doch darauf achten,
"daß die Arbeit (der Menschen) einzig und allein verwendet wird, wertvolles
Gut zu schaffen." Nicht alle Arbeit erzeugt Werte.
Wichtiger erscheint mir dann aber noch der Hinweis darauf, daß Werte nicht
nur durch menschliche oder mittels Maschinen erledigte Arbeit entstehen,
sondern, und meiner Ansicht nach sogar wesentlicher, ganz ohne mensch-
liches Zutuen in der Natur. Dort entstehen Werte, ohne das ein Mensch
etwa dazu getan hätte oder es auch nur wünschenswert wäre, daß 'er'
etwas dazu tun könnte.
Dem gegenüber sind Maschinen immer Produkt menschlicher Arbeit, bedin-
gen (noch immer) Eigentum, sind pflegebedürftig, bedürfen einer umfäng-
lichen Ausbildung, der 'Priesterschaft der Ingenieure'.

>>Das BGE einzuführen muß doch auch solchen Gesellschaften möglich sein,
>>die eher agarisch-handwerklich, also quasi ohne dinglichen Fortschritt
leben.

>Das muß jede Gesellschaft für sich selbst entscheiden. Was eine
Gesellschaft
>nicht erwirtschaftet, kann sie sich natürlich auch nicht als Grundeinkommen
>auszahlen. Eine Gesellschaft mit sehr niedrigem Produktivitätsniveau kann
>ihren Mitgliedern aber vielleicht andere Formen der Existenzsicherung
garan-
>tieren, z.B. ein Stück Land.

Ja und nein; natürlich muß das jede Gesellschaft selbst entscheiden, aber
trotzdessen müssen wir die Begründung des beG so formulieren, das es
im Prinip jeder möglich bleibt.
So, wie es Geld gibt in einer Gesellschaft, sollte es ihr möglich sein, ein
Grundeinkommen wie es von uns formuliert wird, zu gewähren. Das ist
zugegeben Theorie, aber wenn man erkennt, daß Hunger und Not Fol-
gen der auf privaten dinglichen Besitz gerichteten Seelenverfassung sind,
dann muß man jener Gesellschaft, die diesen Egoismus nicht zuletzt über-
windet, sondern ihn gar nicht erst aufkommen lässt, die größere Friedfer-
tigkeit, Lebensqualität und damit die 'besseren' Entwicklungsmöglichkei-
ten, zusprechen.

>>Ein allen Gesellschaften möglicher Fortschritt ist der durch Erkenntnis.
>>Hier; der Erkenntnis des Inhaltes der Würde des Menschen, ..des
>>Zweck-an-sich seins jedes Menschen.

>Erkennen läßt sich nur was der Fall ist, also hier die Tatsache, daß
>es Menschen gibt, die das so sehen. Es ist aber bekanntlich durchaus
>umstritten, ob zur Würde des Menschen ein arbeitsfreies Einkommen
>oder aber ein Arbeitsplatz gehört.

Ob ein Arbeitsplatz dazu gehört weiß ich nicht. Vielleicht 'ne Tätigkeit
im Gemeinschaftszentrum. Das ein bedingunsloses existenzsicherndes
Grundeinkommen dazu gehört, halte ich für unbestreitbar.
Das unser Recht das anders sieht, ist für mich nur Hinweis aus dessen
Unzulänglichkeit, dessen Entferntheit vom Ideal, also Hinweis auf des-
sen quasi naturwissenschaftlichen Entwicklungszwang.
Mit der französischen Revolution sollte der Erwerb von Eigentum an
persönliche Leistung geknüpft werden. Dem widerspricht aber doch
bereits die Einrichtung eines Erbrecht.
Und der Versuch, dieses, und zugleich die Verknüpfung von 'Anspruch
auf Existenzmittel' und 'Arbeitszwang' als der Würde des Menschen ge-
recht werdend, zu erhalten, ist nicht bloß rückschrittlich, sondern nieder-
trächtig. Das Ergebnis wäre/ist größere Ungleichheit bei weiterhin ver-
schwommenem Leistungsbegriff.

>Wenn die BGE-Befürworter unter uns Einigkeit darüber erzielen könnten,
>daß weiteres Produktivitätswachstum wünschenswert und möglich ist,
>dann würde dies die Argumentation für das BGE erleichtern, weil dann
>die Schaffung von (unproduktiven) Arbeitsplätzen nicht mehr als ange-
>messene Lösung des Problems der Arbeitslosigkeit erschiene, sondern
>die Entkopplung von Arbeit und Einkommen, also das BGE.

Ich halte diese Argumentation für irreführend. Es geht nicht um die Über-
windung der Arbeit, sondern um die des Zwanges zur Arbeit. Arbeit
kann und soll (auf vielfältige Weise) überwunden werden. Natürlich ist
es schwachsinnig, Menschen zu zwingen, wie Panter Paul und Detektiv
mit der Farbrolle um die Plakatsäule zu laufen.
Aber an der Steigerung von Produktivität hängt nicht das Grundeinkom-
men, darf daran nicht hängen.
Die Trennung von Lohn und Arbeit ist eine immer schon bestehende, eben
nur ihrer Verwirklichung harrende, Forderung; Arbeitskraft ist keine Ware,
da sie kein Erzeugnis menschlicher Arbeit ist. Selbst besondere Fähigkeiten
rechtfertigten die Stellung menschlicher Arbeitskraft als Ware nicht, da sie
bei genauer Betrachtung ebenso nicht Ergebnis menschlicher Arbeit sind.
Lehren ist Sorgen, Lernen Lieben. Der Impuls zur Arbeit muß im Gemein-
nutzen liegen, "in der Hingabe für das Ganze".

>>(weniger arbeiten..) Allerdings behaupte ich, daß die Robotisierung
>>hierzu nicht wirklich geeignet ist.

>Begründung?

Ich frag mich ganz praktisch, was Maschinen an !wesentlichem beitragen,
und finde ziemlich wenig; Nahrung? Industrie ist ungesund, für Mensch
und Natur. Kleidung? siehe 1 und gibts soo zu viel. Nähmaschinen statt
Privatfernsehen! Wohnung? Geht auch gut ohne. Ohne Beton, ohne Stahl,
und ohne Krieg hält Handwerk, hält Fachwerk lang, sehr lang. Medizin?
siehe 1 und bei vernünftiger Lebensweis und Grundeinkommen könnt ich
mir vorstellen, es braucht gar nicht so viel.

>Wie ich arbeiten will, weiß ich schon jetzt. Und ich will ganz bestimmt
>mein Einkommen nicht mit einer Arbeit erzielen müssen, die genauso gut
>von einer Maschine erledigt werden könnte.

Jaja; 'genau so gut' - damit gehts schon los (nein, ich bin nicht für
mundge-
blasene Fensterscheiben:-). Aber; Einkommen sollte, freilich ein ferneres
Ziel, ganz von der Arbeit getrennt werden. Sonst ist es doch Prostitution.
Das Problem bleibt dabei aber, das wir nicht wissen, wie die Menschen
sich entscheiden; füttern sie wirklich weiter die Maschinen, oder sind sie,
nicht Du, nicht ich, 'wann immer möglich' mit der Werkstatt im Gemeinde-
zentrum zufrieden?

Entschldigung - ich schreib zZt. wohl ganz gern.

liebe Grüße -
Bernd




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