[Debatte-Grundeinkommen] Verminderung des Arbeitsvolumens

Reimund Acker reimund.acker at t-online.de
Do Nov 24 02:35:29 CET 2005


Bernd Kowarsch schrieb:
>
> Reimund Acker schrieb:
> >Ich halte die Verminderung des Arbeitsvolumens (Summe aller geleisteten
> >Erwerbsarbeitsstunden pro Jahr) durch Produktivitätsfortschritte
> für einen
> >zentralen Punkt in der Diskussion um das BGE. Ich sehe darin eines der
> >wirksamsten Argumente für ein BGE, auf das ich ungern verzichten würde.
>
> Dem gegenüber halte ich die, von allen bloß wirtschaftsmäßigen Erwägungen,
> unabhängige Begründung des BGE für erforderlich. [...]

Ich auch. Aber in zahlreichen Diskussionen mit Freunden, Bekannten und
Unbekannten habe ich festgestellt, daß mir beim Thema BGE immer zuerst
ökonomische Gründe entgegengehalten werden. Erst wenn die aus dem Weg
geräumt sind, kommen die nicht-ökonomischen Argumente (als nächstes meistens
dies: Warum soll ich jemanden finanzieren, der nicht arbeiten will?).

Ich will das Thema BGE unter die Leute bringen und suche deshalb nach den
wirkungsvollsten Argumenten. Das sind nicht unbedingt diejenigen, die ich
persönlich für die wichtigsten halte. Für wirkungsvoll halte ich das
Argument von der Verminderung des gesellschaftlich
notwendigen/wünschenswerten Arbeitsvolumens. Für wichtig halte ich
Überwindung der mißgünstigen Einstellung, nach der nicht essen soll, wer
nicht arbeiten will.

> Das BGE einzuführen muß
> doch auch solchen Gesellschaften möglich sein, die eher agarisch-handwerk-
> lich, also quasi ohne dinglichen Fortschritt leben.

Das muß jede Gesellschaft für sich selbst entscheiden. Was eine Gesellschaft
nicht erwirtschaftet, kann sie sich natürlich auch nicht als Grundeinkommen
auszahlen. Eine Gesellschaft mit sehr niedrigem Produktivitätsniveau kann
ihren Mitgliedern aber vielleicht andere Formen der Existenzsicherung
garantieren, z.B. ein Stück Land.

> Ein allen Gesellschaften möglicher Fortschritt ist der durch Erkenntnis.
> Hier; der Erkenntnis des Inhaltes der Würde des Menschen, Erkenntnis des
> Zweck-an-sich seins jedes Menschen.

Erkennen läßt sich nur was der Fall ist, also hier die Tatsache, daß es
Menschen gibt, die das so sehen. Es ist aber bekanntlich durchaus
umstritten, ob zur Würde des Menschen ein arbeitsfreies Einkommen oder aber
ein Arbeitsplatz gehört.

> Meiner Ansicht nach muß das BGE Menschenrecht, nicht ein
> bürgerlich-, poli-
> tisches-, oder wirtschaftlich-, soziales-, kulturelles Recht sein.

Einverstanden. Trotzdem wird derzeit landauf-landab über Arbeitslosigkeit,
Schaffung von Arbeitsplätzen, Ankurbeln von Wirtschaftswachstum, etc.
diskutiert, und da tue ich mich schwer, einem Menschen den dies umtreibt,
mit der Frage zu kommen, welche Art von Recht das BGE darstellt.

> >Michael Opielka hält die "These vom Überflüssigwerden menschlicher Arbeit
> >durch Produktivitätssteigerung" für einen Mythos; Jörg Althammer meint,
> >"Die Hypothese vom 'Ende der Erwerbsgesellschaft' ist mit den empirischen
> >Fakten nicht vereinbar."; etc.
>
> Das sind verschiedene Dinge. Menschliche Arbeit wird sicher nicht
> überflüs-
> sig, trotzdessen kann, zB. per BGE, auf ein Ende der Erwerbsgesellschaft,
> auf die Trennung von Arbeit und Einkommen hingearbeitet werden.

Menschliche Erwerbsarbeit wird überflüssig. Das zeigt die historische
Entwicklung des Arbeitsvolumens. Natürlich kann man auf triviale Weise dafür
sorgen, daß das Arbeitsvolumen nicht weiter abnimmt oder sogar zunimmt,
indem man Maschinenarbeit wieder durch Menschenarbeit ersetzt. Aber wer will
das wirklich? (Ob außer Erwerbsarbeit auch andere menschliche "Arbeit"
überflüssig wird, hängt von ihrer Definition ab und interessiert mich in
diesem Zusammenhang weniger).

>
> >Die Frage wird dabei oft so behandelt, als ginge es darum anhand
> empirischer
> >Fakten das Bestehen einer Gesetzmäßigkeit zu begründen oder zu
> widerlegen.
> >Aber die Produktivitätsentwicklung wird durch die Gesellschaft
> beeinflusst.
> >Daher ist die entscheidendere Frage doch die nach der Wünschbarkeit:
> >_Wollen_ wir die weitere Steigerung der Arbeitsproduktivität oder nicht?
>
> Wir können doch nicht eine offene Frage zur Begründung von
> irgendwas nehmen. [...]

Die Frage soll nix begründen. Mir geht's hier um folgendes: Wenn die
BGE-Befürworter unter uns Einigkeit darüber erzielen könnten, daß weiteres
Produktivitätswachstum wünschenswert und möglich ist, dann würde dies die
Argumentation für das BGE erleichtern, weil dann die Schaffung von
(unproduktiven) Arbeitsplätzen nichtmehr als angemessene Lösung des Problems
der Arbeitslosigkeit erschiene, sondern die Entkopplung von Arbeit und
Einkommen, also das BGE.

> Um Mißverständnissen vorzubeugen: Auch ich will, daß die Menschen weni-
> ger arbeiten und vor allem darüber, wie und was sie arbeiten,
> selbstbestimmt entscheiden können.

Gut.

> Allerdings behaupte ich, daß die Robotisierung hierzu
> nicht wirklich geeignet ist.

Begründung?

 Unabhängig davon wissen wir aber
> erst nach der
> Einführung des BGE (vielleicht sollten wir das mittelfristig mal auf >beG
> [hm]
> = bedingungsloses und existenzsicherndes Grundeinkommen< umstellen),
> wie wir arbeiten wollen/werden.

Wie ich arbeiten will, weiß ich schon jetzt. Und ich will ganz bestimmt mein
Einkommen nicht mit einer Arbeit erzielen müssen, die genauso gut von einer
Maschine erledigt werden könnte.

Reimund Acker




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