[Debatte-Grundeinkommen] Zu den Meldungen des Tages

zippi zippi7 at gmx.de
Mi Nov 23 01:13:46 CET 2005


Hallo Avji Sirmoglu,


Am 22.11.2005 um 21:42 schrieb aralex:

> ... Die einzige Bedigungung diese Modells wäre für einen BGE-Anspruch 
> nicht über Euro 1935 zu verdienen. Wer darunter verdient erhält einen 
> Ausgleich zur Differenz/Limite von Euro 1935. Wer gar nichts verdient, 
> der erhält 1935 Euro...

Vielleicht erscheint das einigen sehr hoch, für schweizer Verhältnisse 
ist es das aber nicht. Deshalb würde ich immer am Wohnortprinzip für 
die Festlegung der Höhe festhalten (natürlich nicht für jeden einzelnen 
Ort).

> Sich selber einen Sinn für die sonstige Existenz zu geben, liegt an 
> jedem selber. Kulturelle und Bildungs-Angebote gibt es so viele. 
> Weiter lernen, anderes machen, kreativ sein usw. liegt an.

Eben. Naja, und bis sich die Puritaner durchgesetzt haben war 
Lohnarbeit auch eher verpönt. Und es gibt wohl auch Leute, die Spaß 
daran haben, den Hamster im Laufrad zu geben, aber die sollen dann 
bitte alle anderen damit in Ruhe lassen.

> (Sind die Fr. 1.--/Euro-Jobs, die Schritte zu einer 
> Vollzeitbeschäftigungs-Gesellschaft? Ich weiss, dass das eine zynische 
> Bemerkung ist.)

Wenn Sie das zynisch finden, dann lesen Sie mal den Beitrag von Herrn 
Pelzer von heute. Er schreibt dort auf Seite 4:
"Ein weiteres nach unserer Meinung wichtiges Argument für ein BGE im 
Niedriglohnbereich  ist der Nutzen für die Arbeitgeber. Sie könnten 
dann die Löhne für einfache  „nichtqualifizierte“ Arbeiten nach 
wirtschaftlichen Gesichtspunkten selbst festlegen. Manche  teure 
Maschinen würden so im Laufe der Zeit wieder durch „menschliche 
Arbeiter“ ersetzt  werden."
Ist schon toll, zwei Leuten 2400 Euro pro Jahr (jeder 100 pro Monat) zu 
geben, anstatt sone Maschine für 20.000 Euro zu kaufen, die nach zwei 
Jahren vielleicht nicht mehr gebraucht wird. Und bei den Auszubildenden 
kann Unternehmer auch noch kräftig sparen.

Das dort beschriebene Modell (wie auch das eines 
Konsumsteuerfinanzierten) bestätigt alle meine Vorbehalte gegen ein 
BGE.

Ein Wort noch zu dem sehr guten Beitrag von Herrn Kumpmann. Meiner 
Meinung nach fehlt noch die Berücksichtigung eines möglichen Sinkens 
der Entgelte. Die Verhandlungsmacht der abhängig Beschäftigten steigt 
zwar, aber die Arbeitsanreize (z.B. Anschaffung meist teurer 
langlebiger Konsumgüter/Investitionsgüter) stehen dem auch wieder 
entgegen. Kann das nicht beim präferierten Finanzierungsmodell zu einem 
instabilen "Spinnwebmodell" führen (das ist grad ein spontaner 
Gedanke)?

> Frage an Bernd Kowarsch und M. Dilthey: Wenn das BGE nicht ein 
> Menschenrecht ist oder so angesehen werden darf, was ist es denn 
> sonst?
> Auch in der Deutschen Verfassung, ist ein Passus enthalten, man solle 
> für das Wohl aller sorgen. In diesem Sinne sollte jede Gesellschaft 
> für alle ihre Bürger besorgt sein.
> Das Recht auf eine materielle Grundexistenz haben doch alle. Dass dann 
> damit, sich alle nähren, kleiden, eine Wohnmöglichkeit und ein wenig 
> Teilhabe an den sozio-kulturellen Geschehnissen, gönnen können.

Die Erwiderung stammte nicht von Herrn Dilthey, sondern von mir, aber 
das ist glaub ich egal. Antwort: Das ist eine sprachliche Abgrenzung. 
Ich verstehe das so: Recht ist ja grundsätzlich etwas von Menschen 
gesetztes, kann also auch von Menschen beliebig geändert werden (das 
ist überspitzt, aber nicht grundlegend falsch). Die Bezeichnung 
Menschenrecht kennzeichnet ein Recht, dass unveräusserlich ist 
(zumindest in der Theorie), also auch nicht von anderen Gesetzen 
eingeschränkt oder aufgehoben werden kann. (nebenbei, dies ist sicher 
nicht juristisch korrekt formuliert)

>  Der Kontext einer Ethik in der Wirtschaft, müsste da wieder unbedingt 
> einziehen.

Gab es den schon einmal? Eine Gesellschaft, die mit begrenzten 
Ressourcen wirtschaften muss (und das war bisher jede, auch die 
Gentilgemeinschaften, letztlich gegen "äußere Feinde" und auch der 
Realsozialismus war nach aussen nur Kapitalismus mit anderen Mitteln), 
stellt sich doch für die Wirtschaftssubjekte immer als sog. 
Gefangenendilemma dar. Frau kann jetzt Mäßigung fordern, aber führt das 
zum Ziel? Grundsätzliches Neudenken des (nie verhandelten) 
Gesellschaftsvertrages vielleicht schon eher.

viele Grüße
matthias



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