[Debatte-Grundeinkommen] re

zippi zippi7 at gmx.de
Sa Nov 19 23:17:10 CET 2005


Liebe Liste,


Am 13.11.2005 um 23:33 schrieb Matthias Dilthey:
> ...aus diesem Grund sieht das Grundeinkommen-Modell der PsgD zur 
> Finanzierung des
> BGE eine Sozialumsatz-Steuer vor...

Dazu habe ich in Ihrer Präsentation leider nichts finden können.


Am 14.11.2005 um 00:00 schrieb Reimund Acker:
>> Finanzierung des gesamten
>> Staatshaushaltes aus Gewinnsteuern (oder Wertschöpfungssteuer, [...]
>
> Den Schluß verstehe ich nicht.

Der Argumentation liegt folgender Staatsbegriff zugrunde: Der 
bürgerliche Staat ist "ideeller Gesamtkapitalist", der Garant dafür, 
dass das herrschende Wirtschaftsmodell aufrecht erhalten wird und 
möglichst gut funktioniert. Er garantiert u.a. die Ermöglichung 
privater Gewinne (auch im "Ausland", notfalls mit militärischer Gewalt, 
Stichwort Friedensmissionen), dazu gehört auch die Integration oder 
Repression Ausgegrenzter, "sozial Schwacher". Ich weis, dass diese 
Definition so nicht von jeder geteilt wird, wer mag, kann das Unsinn 
nennen.

Eine Anmerkung noch zum vorgeschlagenen Wertschöpfungssteuermodell: 
Letztlich wird natürlich alles (auch jede Steuer) aus erwirtschaftetem 
(marxschen) Mehrwert bezahlt. Wo sonst sollte ein in Geld ausgedrücktes 
universelles Tauschmittel herkommen? Die Frage ist hier, an welcher 
Stelle eine Steuer erhoben wird, damit sie nicht reine Umverteilung 
unter Lohnabhängigen ist. Problematisch ist hierbei aber auch, wenn im 
"Inland" besteuert und im "Ausland" produziert wird, d.h. die Steuer 
auf im "Ausland" erwirtschaftetem Mehrwert erhoben wird, die eigentlich 
den dortigen Produzenten zusteht.

>> [...] allerdings fallen mir
>> beim Thema Konkurrenz auch EON, RWE, Microsoft, Intel usw. ein. Und
>> Intel hat z.B. kein natürliches Monopol, sondern eher ein Quasimonopol
>> auf Grund von Vorsprung bei der Akkumulation von Kapital und Know How.
> ...Darüber muß ich noch nachdenken. Vorschläge, jemand?...

Es gibt eben keinen "vollkommenen Markt", kein "langfristiges stabiles 
Gleichgewicht" und allenfalls tendenziell gültige "ökonomische 
Gesetze". Und vergessen wir auch den "Klientelismus" nicht (der wird 
manchmal auch unter Sozialkapital subsummiert, oder ist auch bekannt 
als Vitamin B bzw. neudeutsch Netzwerke).


Am 14.11.2005 um 11:49 schrieb wss.privat at web.de:
> Konkurrenz und Kooperation bedingen Gemeinsamkeit...

Ich denke ich weis was Sie meinen. Ich würde diese Arten von 
Kooperation allerdings strategische Partnerschaften (also Konkurrenz 
mit anderen Mitteln) nennen. Solche Kooperationen von z.B. 
geografischen Räumen (Regionen, Staaten, Staatenverbunde) oder auch 
Gewerkschaften formieren sich immer gegen Dritte. Kooperation als 
Gegensatz zu Konkurrenz schließt für mich beteiligte und unbeteiligte 
Dritte und im weiten Sinne auch die belebte und unbelebte Natur mit 
ein.


Am 15.11.2005 um 08:42 schrieb Bernd Hückstädt:
> Wo soll beim Lebensgeldmodell in die Konsumentensouveränität 
> eingegriffen werden?

Wenn die Konsumenten durch die Einführung einer künstlichen Inflation 
mehr oder weniger gezwungen werden, ihre Geldmittel (wie immer frau sie 
nennt) zu verausgaben, halte ich das durchaus für einen Eingriff in die 
Konsumentensouveränität. Sie schreiben auf S. 13 ihrer Ausarbeitung: 
"Die Vergänglichkeit des Lebensgeldes bewirkt zum Quartalsende 
zusätzlich Nachfrage-Schübe." Daneben halte ich das Konzept konträr zur 
Idee, das Wirtschaften um des Wirtschaften Willens zu beenden. Ich bin 
alles andere als fortschrittsfeindlich, aber Wirtschaftswachstum sollte 
nur auf sinnvollen Innovationen beruhen (die natürlich auch in ihrem 
Modell möglich sind, das will ich nicht abstreiten).


Am 15.11.2005 um 12:47 schrieb Werner Schumacher:
>>  Das halte ich auch für ökonomischen Unsinn.
>
> Liebe Kolleginnen und Kollegen,
> wer an einem bedingungslosen Grundeinkommen interessiert ist, wer
> begriffen hat, dass dies unsere Zukunft ist, wer so etwas wie ein BGE
> ernsthaft in Erwägung ziehen will, ist gut beraten, den
> Selektionshorizont für ökonomische Argumente und Vorschläge so weit wie
> möglich aufzuspannen.

Meine Gegenargumente hab ich oben deutlich gemacht. Ich hoffe, keine 
stört sich an dem Wort Unsinn, nebenbei, ich hab das nicht in Umlauf 
gebracht, nur zugestimmt. Um nicht einseitig zu erscheinen, ich halte 
auch viele der mechanistischen Modelle der "etablierten" 
Wirtschaftswissenschaften für ökonomischen Unsinn. Etwa 3% Wachstum = 
100.000 Arbeitsplätze (in einem abgrenzbaren Zeitraum stimmt das 
vielleicht, ist aber nicht universell gültig). Ökonomie und 
Gesellschaft (ich finde nicht, das frau das trennen kann) stellen nun 
mal kein mechanisches sondern ein komplexes System mit Wechselwirkungen 
dar, da ist vieles möglich. Die von Ihnen weiter angeführten Projekte 
sind in eine "funktionierende Ökonomie" eingebunden, wie kann da die 
autarke Funktionsfähigkeit nachgewiesen werden?


Am 15.11.2005 um 22:16 schrieb Reimund Acker:
> Michael Opielka hält die "These vom Überflüssigwerden menschlicher 
> Arbeit
> durch Produktivitätssteigerung" für einen Mythos; Jörg Althammer 
> meint, "Die
> Hypothese vom 'Ende der Erwerbsgesellschaft' ist mit den empirischen 
> Fakten
> nicht vereinbar."; etc.

Jeremy Riffkin sieht das bekanntlich ganz anders. Und er berät 
"transnationale Konzerne", sitzt also mehr oder weniger "an der 
Quelle". Ökonomie ist eben auch eine Glaubensfrage (nach Keynes könnten 
wir ja jetzt auch sinnlos Häuser und Straßen bauen, damit alle Arbeit 
haben).

> ...Wollen_ wir die weitere Steigerung der Arbeitsproduktivität oder 
> nicht?

Unbedingt! Alles was Nutzen bringt und wir Maschinen unter Wahrung 
ökologischer Ausgewogenheit beibringen können, sollen diese tun. Ich 
möchte nicht Kartoffeln aus dem Boden buddeln, um etwas zu essen zu 
haben, und viele andere bestimmt auch nicht (wer das selbstbestimmt tun 
möchte, soll das selbstverständlich machen).


Am 16.11.2005 um 13:50 schrieb Bernd Kowarsch:
> Meiner Ansicht nach muß das BGE Menschenrecht, nicht ein bürgerlich-, 
> poli-
> tisches-, oder wirtschaftlich-, soziales-, kulturelles Recht sein.

Das sehe ich genauso, auch wenn meine Argumentation eine andere ist. 
Die Menschheit  (und insbesondere das einzelne Individuum) ist nur eine 
Fußnote im Weltenlauf, also sollten wir uns allen das Leben so angenehm 
wie möglich gestalten.


viele Grüße
matthias




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