[Debatte-Grundeinkommen] Kritik am BGE

Reimund Acker reimund.acker at t-online.de
Sa Nov 12 02:54:41 CET 2005


zippi schrieb:

> [...] Ist es nicht vielmehr
> denkbar, dass ein BGE mittelfristig dazu führt, dass das Entgelt für
> entlohnte Arbeit um den Betrag des GE gekürzt wird?

Ja, das denke ich auch. Aber: Wenn mein Lohn vor Einführung des BGE um sagen
wir 50 Euro über dem BGE liegt, und mein Arbeitsplatzgeber mir nach ein
Einführung des BGE nurnoch 50 Euro bezahlen will, werde es ich
wahrscheinlich vorziehen zu kündigen und die 50 Euranten irgendwie
einzusparen (z.B. bei den Fahrtkosten zur Arbeitsstelle).

Wenn mir aber nach Abzug des BGE von meinem Lohn beispielweise noch 1000
Euro übrig bleiben und ich die Arbeit nicht ungern mache, würde ich mich
wohl darauf einlassen. Schließlich kann es mir egal sein, wer mir welchen
Teil meines Lohns bezahlt, solange ich unterm Strich nichts dabei verliere.

So, und jetzt bin ich der Arbeitsplatzgeber aus diesem letzten Beispiel und
spare pro Arbeitskraftgeber im Monat 1 x BGE. Weil ich auch Kapitalist und
Unternehmer bin, würde ich diesen Extragewinn zwar gern einschieben, aber da
fallen mir meine Konkurrenten ein: Bestimmt gibt's unter denen irgensoeinen
Brutalo-Kapitalist, der seine gesunkenen Lohnkosten dazu benutzt, seine Ware
billiger anzubieten ("Geiz ist geil"), und mir laufen die Kunden weg! Das
kann ich nicht riskieren. Und abwarten, was die andern tun, kann mich
ebenfalls eine Menge Geld und Kunden kosten, vielleicht sogar den Kopf. Dann
drehe ich den Spieß doch lieber um, und mache sofort eine
Riesen-Werbekampagne und schnappe mit Mörder-Niedrigstpreisen meinen Rivalen
soviel Marktanteile wie möglich weg. Vielleicht ist ja von denen jemand so
blöd und verfrühstückt seinen BGE-sei-Dank-Extraprofit. Dann ist der in
kürzester Zeit weg vom Fenster und ich krieg ein Stück von seinem Kuchen
(Marktanteil, Umsatz, Gewinn).

Zurück in meiner Arbeitskraftgeber-Rolle werde ich also womöglich
feststellen, daß plötzlich allemöglichen Waren billiger werden, manche mehr
(die arbeitsintensiven), andere weniger. Die Kapitalisten, soweit sie sich
noch Konkurrenz leisten, sehen sich gezwungen, ihre Kostensenkungen ganz
oder teilweise als Preissenkungen an ihre Kunden (also mich) weiterzugeben.
(So sieht das übrigens auch Charlie Marx.)

Da würde mir wohl am Monatsende ein hübsches Sümmchen übrigbleiben, daß ich
natürlich gern dazu verwenden würde, um meiner Familie und mir das Leben
etwas zu versüßen. Aber es könnte auch sein, daß der Staat mir dieses
Sümmchen wieder abknöpft (z.B. über eine entsprechend erhöhte
Mehrwertsteuer), und davon mein BGE für den nächsten Monat finanziert. Das
ist wohl der Grundgedanke bei BGE-Finanzierungsmodellen wie dem von Götz
Werner (der mit der DM-Kette).

zippi:
> [...] Führt das nicht bei gegebenem Privateigentum an Produktionsmitteln
> zu einer beschleunigten Umverteilung "von unten nach oben", da durch
> das BGE ein Teil der Lohnkosten sozialisiert wird?

Siehe oben.

--

Reimund Acker




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