[Debatte-Grundeinkommen] Nochmal Finanzierungsgedanken

Reimund Acker reimund.acker at t-online.de
Do Dez 15 23:15:35 CET 2005


Ralf Westphal schrieb:
> Man kann soetwas wie das GE
> nicht haben - glaube ich -, wenn man ansonsten im Grunde "das System"
> beibehalten will. Mit "das System" meine ich: das GE finanziert sich aus
> Steuern.
>
> Denn wenn sich das GE aus Steuern finanziert wie letztlich auch die
> Sozialhilfe heute - egal, ob das nun 1 Steuer ist oder 2 oder 3
> -, dann ist
> das Resultat wieder ein komplexes System wie heute, in dem es auferlegten
> (!) Zwang und Kontrolle geben muss.

Nennen wir für den Moment mal die (zukünftigen) BGE-Nettoempfänger die
"Armen" und die BGE-Nettozahler die "Reichen". Dann funktioniert das BGE
doch so:
1. Alle tun Geld in einen gemeinsamen Topf, die Reichen mehr, die Armen
weniger oder garnichts.
2. Aus dem Topf bekommen ALLE ihr BGE.
3. Die Reichen geben zuviel erhaltenes BGE zurück, die Armen behalten einen
Teil oder alles.

Wer kümmert sich um den Topf? Private Banken? Die machen auch so schon genug
Profit. Eine neuzugründende Non-Profit-Organisation? Die müßte dann aber
unter gesellschaftliche/staatliche Kontrolle gestellt werden. Dann kann das
aber auch eine bereits bestehende Organisation übernehmen und so
zusätzlichen Verwaltungsaufwand sparen. Die Bundesbank? Vielleicht. Oder
einfach die gute alte Staatskasse. Das gemäß (1) und (3) in den Topf
bezahlte Geld heißt dann üblicherweise Steuern oder Abgaben.

Das Resultat wäre ein weniger komplexes System als heute, mit weniger Zwang
und weniger Kontrolle. Weniger komplex, da ein großer Teil der
Sozalbürokratie eingespart werden jönnte ohne daß zusätzliche Bürokratie
aufgebaut werden müßte. Weniger Zwang und Kontrolle, da der Arbeitszwang
ebenso wegfiele wie der Zwang, Bedürftigkeitsprüfungen über sich ergehen
lassen zu müssen und die damit verbundenen Kontrollen.

> Mein Gefühl ist: Wenn schon die Marktwirtschaft für
> Selbstregulation steht,
> warum dann nicht wirklich Selbstregulation "ins System" einbauen?

Also doch nicht Topf=Staatskasse. Was dann? Alles Markt oder was? Klingt mir
ein bißchen ideologisch. Selbstregulation läßt sich sicher auf viele Weisen
"ins System" einbauen, sobald man weiß, was genau man reguliert haben will.
Der Topf könnte seinen Füllungsgrad zum Beispiel selbst regulieren, wenn man
die Höhe des BGE ans Durchschnittseinkommen koppelte (sagen wir 60% davon).

> Solange aber der Staat noch Steuern eintreiben muss, solange
> reguliert sich
> das System nicht selbst.

Eben doch:

> Und wo Steuern
> erhoben werden, ist immer auch der Keim gelegt für den Wunsch, genau diese
> Steuern zu umgehen (legal mit Sonderregelungen oder illegal).

So reguliert sich das Gleichgewicht zwischen Steuerhöhe, Eintreibungsaufwand
und Steueraufkommen.

> Solange der Staat zwischen "gewünschter"
> Wertschöpfung und "ungewünschter" unterscheiden muss, [...]

darum möchte ich doch bitten ;-)
schließlich ist ja auch ein Bankraub "ungewünschte Wertschöpfung", oder?

> d.h. zwischen
> Wertschöpfung, die innerhalb des Systems stattfindet und zu
> Steueraufkommen
> führt, und solcher, die kein Steueraufkommen produziert ("Schwarzarbeit"),
[...]

Wie gesagt, wer einen Staat will (den abzuschaffen mag noch etwas verfrüht
sein ;-) muß ihm auch Einnahmen (Steuern) zugestehen, und da wird es immer
Leute geben, die sich ums Steuerzahlen drücken wollen. Um das zu verhindern
ist ebenso Kreativität gefragt wie bei der Steuerhinterziehung. Die
Schwarzarbeit, z.B., wird sich vermutlich demnächst verringern
(herunterregulieren), sobald auch Privatleute bezahlte Dienstleistungen wie
Putzfrau oder Maler steuerlich absetzen können.

> solange ist das System nicht wirklich selbstregulierend [...]
> und die Menschen
> darin nicht wirklich frei.

Interessanter Freiheitsbegriff.

> Außerdem ist dem System nicht die "Notwendigkeit" zum Konsum.

Hoffentlich.

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Reimund Acker




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