Re: [Debatte-Grundeinkommen] Sozialneid und Lösungen

Bernd Hückstädt joytopia at web.de
Di Dez 6 09:11:07 CET 2005


Lieber Herr Schumacher, liebe Leserinnen und Leser der Liste,

Herr Schumacher beschrieb den Sozialneid als einen der größten  
Vorbehalte gegen ein Grundeinkommen. Ich möchte dieses Thema gerne  
aufgreifen und untersuchen, welchen Beitrag unser Geld- und  
Steuersystem dazu leistet, Sozialneid schlicht weg zu provozieren.

Wenn wir von Steuern sprechen, meinen wir im Allgemeinen Geldfluss- 
Steuern. Einkommenssteuer und Umsatzsteuer (um nur die wichtigsten zu  
nennen) kommen zum tragen, wenn das Geld fließt, also seinen Besitzer  
wechselt. Wir haben uns so sehr daran gewöhnt, dass wir diese  
Tatsache meist gar nicht mehr hinterfragen.

Der berühmte Zehnte war etwas ganz anderes: Der wurde auf einen  
tatsächlichen Ertrag erhoben, z.B. die Ernte, die ja jedes Jahr  
nachwächst. Geld wächst aber nicht nach, indem es seinen Besitzer  
wechselt.

Was hat das mit Sozialneid zu tun?
In Deutschland sind zu Zeit etwa 50% der Bürger erwerbstätig. Das  
heißt, die eine Hälfte verdient kein Geld, die andere Hälfte muss für  
zwei verdienen. Sofern es sich bei den nicht Verdienenden um  
Familienangehörige, Alte, Kranke usw. handelt, ist das  
gesellschaftlich einigermaßen akzeptiert. Menschen, die ohne  
gesellschaftlich akzeptierten Grund erwerbslos sind, bekommen  
Repressalien zu spüren.

Was aber, wenn jedem ein GE gewährt wird, ohne einen Antrag stellen  
zu müssen? Jeder Mensch steht dann vor der Frage: verdiene ich für  
zwei oder verdiene ich lieber gar nicht. Wenn dann statt 50% nur noch  
25% der Bevölkerung Geld verdienen wollen, müssen diese für vier  
verdienen.

Götz Werner versucht dieses Problem auf den Konsum abzuwälzen. Das  
mag vielleicht bei Waren funktionieren, die man im Geschäft kauft,  
aber auch nur vielleicht.

Schauen wir uns ein einfaches Beispiel an. Zwei selbständige  
Dienstleister wollen für einander tätig werden mit Leistungen des  
privaten Bedarfs.

A leistet an B für 100 €.
Von den 100 € muss A ca. 50 € Steuern bezahlen, egal ob  
Einkommensteuern, Umsatzsteuern oder eine Kombination aus beiden.

Nun will B an A für 100 € leisten.
A hat aber nur noch 50 €

Vielleicht werden Sie sagen: das ist doch ganz normal! Ja, normal ist  
es, aber ist es auch sinnvoll?

Und was ist, wenn noch mehr Menschen sich entschließen, kein  
zusätzliches Geld zu verdienen? Oder wenn sie weniger verbrauchen?  
Werden dann nicht die Staatseinnahmen sinken?

Genau wie jeder einzelne Mensch ein bedingungsloses Grundeinkommen  
braucht, braucht auch der Staat ein bedingungsloses Staatseinkommen  
proportional zu Anzahl seiner Bürger. Nur so ist er unabhängig von  
der wirtschaftlichen Produktivität und vom Konsum. Was wir für den  
einzelnen Menschen fordern, müssen wir auch für die Gemeinschaften,  
also die Staaten fordern. Es gibt Lösungen.

Viele Grüße

Bernd Hückstädt


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