[Debatte-Grundeinkommen] Experimente

Werner Schumacher schumacher.marburg at freenet.de
Mo Dez 5 11:31:24 CET 2005


Lieber Peter Scharl,
der eigentliche Zweck der von Ihnen so gering geschätzten Experimente 
ist nicht, mit einem großen Wurf alle Probleme, was ein GE angeht, zu 
lösen. So etwas geht gar nicht und niemand bildet sich ein, so etwas zu 
können. Es geht um etwas anderes.
Die Akzeptanz eines GE stößt in der Gesllschaft auf sehr große 
Vorbehalte, der wichtigste in der Sozialneid; und das größte 
Missverständnis in der Diskussion um ein GE besteht in dem Irrtum, 
mithilfe eines GE könne man soziale Probleme lösen. Beides, der 
Sozialpessimismus wie der Sozialoptimismus blockieren das Gespräch, 
blockieren sämtliche Strukturen.
Man irrt sich, wenn man glaubt, mit Überzeugungskraft ein GE 
durchsetzbar zu machen. Nein, mit Überzeugungskraft geht es nicht. Die 
Einsicht in die Notwendigkeit eines GE geschieht auf sozial-ökonomischem 
Wege, das sind Wege, die in unseren Alltag, in unsere Küche, 
Nachbarschaft und Arbeitsplatz führen müssen, nur dort können die 
Vorbehalte ausgeräumt werden und nicht in den Stuben der Gelehrten oder 
in den Parlamenten; nur, wer selber nachrechnen kann, kann sich auch 
selbst überzeugen.
Ihre Geringschätzung kann ich zwar gut verstehen, ich ahne, woher sie 
kommt. Aber praktisch führt kein Weg daran vorbei, eine unvorhersehbare 
Zukunft praktisch zu erproben und die daraus resulierenden Erfahrungen 
zu reflektieren, was auch heißt, die Konzepte ggf. als gescheitert zu 
betrachten. Aber soweit ist es ja noch lange nicht! Die drei genannten 
Projekte zusammen binden mehrere hundert Menschen, deren Alltagsgeschäft 
auch in der Kalkulation von Preisen, im Bilanzieren von Erträgen und 
Aushandeln von Verträgen besteht. Dies einfach ungeprüft gering zu 
schätzen hieße, sich über eine große Menge von Erfahrungen 
hinwegzusetzen, die notwendig sind, um das zu erreichen, was auch Sie 
erreichen wollen.

So gesehen haben sie recht: die genannten Experimente können nicht 
funktionieren, wenn man sie ungeprüft verwirft. Prüfen heißt aber nicht, 
sich darüber eine Meinung zu bilden, prüfen heißt ausprobieren, prüfen 
heißt auch, sich einer ökonomischen Fantasie zu bedienen. Aber solange 
man meint, mit Meinungen überzeugen zu können, solange wird man es nicht 
für nötig halten, etwas durch Arbeit verändern zu wollen. Und ich gebe 
zu: die Fantasielosigkeit ist unser größtes Problem, nicht der 
Staatshaushalt, nicht die Arbeitslosigkeit, nicht die Korruption, nicht 
die Langeweile der Tagesschau. Die Zeit, in der soziale und ökonomische 
Kreativität wertgeschätzt werden, lassen leider auf sich warten. Kein 
Wunder, dass die Vorbehalte in der Gesellschaft nahezu unüberwindlich sind.

Mit freundlichen Grüßen
Werner Schumacher

>     Hallo Bernd Hückstädt,
>      
>     ... es tut mir leid, aber Dein(e) Modell(e) www.joytopia.de
>     <http://www.joytopia.de> , der Westerwaldtauschring von Michael
>     Musiil und der Goldring von Günter Koch sind Experimente im
>     privaten Bereich, die man/frau NICHT auf Volkswirtschaften
>     übertragen kann, geschweige auf Europa oder die Welt.  Ich
>     beobachte alle drei Modelle seit Jahren, da ich auch sehr aktiv in
>     der Tauschring-Landschaft "unterwegs" bin. Wo der Ansatz eines
>     Funktionierens in diesem Bereich vorhanden ist, ist beim TTKV
>     Talente-Tauschkreis Vorarlberg mit seiner ZwEIT-Währung, Die
>     erheben aber auch nicht den Anspruch etwas für eine
>     Volkswirtschaft zu kreieren, sondern begnügen sich mit den
>     positiven Effekten im Kommunalbereich.  www.tauschkreis.net
>     <http://www.tauschkreis.net> >>> Vorarlberg.
>      
>     Bei Deinem Modell hatte ich mich in den letzten Jahren mehrfach
>     eingeklinkt, aber mehr wie 30-50 Leute habt Ihr ja noch nicht
>     aktivieren können. Meiner Meinung nach seid Ihr sehr idealistisch,
>     so idealistisch, dass sich nach kurzer Zeit schon viele Leutchen
>     wieder abwendenn. Sorry, aber das ist es.
>      
>     Michael Musil habe ich glaube ich schon mindestens 5-mal
>     aufgefordert "Butter bei die Fische" zu machen und mit
>     nachvollziehbaren Zahlen über sein Bürgergeldmodell rüberzukommen.
>     Iss leider nichts damit. Da kommt nix.
>      
>     ... und Günter Koch´s Goldring sprengt mit seinem 2-Personenmodell
>     plus "König" die Grenzen nach unten.
>      
>     Ich hoffe Ihr verschont diese Mailingliste mit aufdringlicher
>     Werbung für Eure privaten Experimente.
>      
>     Ciao Peter Scharl
>      
>
>         *----- Ursprüngliche Nachricht -----*
>         *Von:* joytopia at web.de (Bernd Hückstädt)
>         *Gesendet am:* Donnerstag, 01. Dezember 2005 14:10
>         *An:* debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
>         *Betreff:* Re: [Debatte-Grundeinkommen] Frage zur Abwesenheit
>         eines Arbeitszwangs
>          
>         ODY style="word-wrap: break-word; -khtml-nbsp-mode: space;
>         -khtml-line-break: after-white-space; ">
>         Am 01.12.2005 um 12:30 schrieb Werner Schumacher:
>
>>         Als Beispiel nenne in den Westerwaldtauschring von Herrn
>>         Michael Musil 
>>
>>         und den Goldring von Günter Koch. Es spricht einiges dafür,
>>         dass die 
>>
>>         dort gewonnen Erfahrungen für die Verbreitung eines GE sehr
>>         weitreichend 
>>
>>         sein werden.
>>
>
>
>         Lieber Herr Schumacher,
>
>         Auch bei Joytopia haben wir bereits wertvolle Erfahrungen und
>         Erkenntnisse.
>         Und ich bin immer wieder positiv überrascht, wie Gedanken, die
>         wir bereits vor Jahren dachten, jetzt langsam ins allgemeine
>         Gedankengut sickern. In soweit kann ich ganz gut damit leben,
>         wenn unsere Arbeit jetzt oft noch als Unsinn abgetan wird.
>
>         Viele Grüße
>         Bernd Hückstädt
>
>      
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