[Debatte-Grundeinkommen] Neues Modell der Finanzierung des BGE

zippi zippi7 at gmx.de
Mo Dez 5 15:23:43 CET 2005


Hallo Liste,
Hallo Herr Hoffmann,

vorab, Ihr Vorschlag scheint gut durchdacht, und falls er einen 
möglichen Kompromiss darstellt bin ich bereit den Ansatz zu 
unterstützen. Vielleicht haben Sie ja eine ausgearbeitete Langfassung, 
um das System besser nachvollziehen zu können.

Nun meine Anmerkungen:

Zur Einkommenssteuer: Ich halte es für problematisch, sicherzustellen, 
dass wirklich alle Einkommen auf gleicher Basis besteuert werden. Wie 
halten Sie es mit steuermindernden Tatbeständen (Spenden u.ä.)? Ich 
denke, dass die Nichtbesteuerung von Unternehmen zu viele Schlupflöcher 
lässt, allerdings erfordert das Problem der Doppelbesteuerung auch 
vermehrten Verwaltungsaufwand.

Mein Vorschlag: Statt Einkommenssteuer eine Ertragssteuer. D.h. 
besteuert werden alle Erträge (Umsatz ohne Verbrauchs-/Konsumsteuern 
minus Kosten) aus wirtschaftlicher Tätigkeit. Es wird damit die nicht 
bezahlte Arbeitsleistung besteuert, dem liegt der Gedanke zu Grunde, 
dass in den Produkten die Werte der zur Herstellung notwendigen 
Arbeitsleistung stecken. Die Produkte also kummulierte 
gesellschaftliche Arbeitsleistung sind, und keinen "Eigenwert" haben. 
Die Löhne sinken um den Betrag der Einkommenssteuer, die 
Bemessungsgrundlage für die Ertragssteuer steigt, da die Kosten sinken 
(ich denke es ist klar, dass die Lohnsteuern im heutigen Modell Teil 
der Unternehmenskosten sind). Wie diese Steuer ausgestaltet wird, ist 
politische Entscheidung (flat, progressiv, mit oder ohne über das BGE 
hinausgehenden Grundfreibetrag). Es gilt zu berücksichtigen, dass es 
neben Großkonzernen auch Kleinstunternehmen und Freiberufler gibt. Was 
übrig bleibt steht den Unternehmen "frei" zur Verfügung.

Zur Konsumsteuer: Diese würde ich lieber als Umweltsteuer gestaltet 
sehen. Ganz pragmatisch könnten hier verschiedene Kategorien, die 
Umweltbelastungen unterschiedlich hoch besteuern, festgesetzt werden. 
Wichtig ist hierbei, den gesamten Produktlebenszyklus und 
Produktionsprozess zu erfassen. Ich sehe darin eine Möglichkeit, den 
Gebrauchsgütern mehr Langlebigkeit zu verschaffen, Verpackungsmüll 
würde die Produkte unnötig verteuern. Nebenbei, Atomkraft würde wohl so 
exorbitant teuer werden, dass sie niemand bezahlen kann.

Aus welchen Einnahmequellen der Staat nun seine Ausgaben (inkl. BGE) 
bestreitet, finde ich erstmal nebensächlich, obwohl ich auch eher 
"zweckgebundene Steuern" favorisiere.

zu Staatsaufgaben:
Äußere Sicherheit: Da ich mich intensiv mit der EU Aussen- und 
Sicherheitspolitik beschäftigt habe, bin ich sehr skeptisch, ob ich für 
die Aufrüstung der EU bezahlen sollte.
Innere Sicherheit: Ich denke, dass das BGE schon ein sehr wichtiger 
Beitrag zur inneren Sicherheit ist. Ich hoffe, die Menschen werden ein 
gut Stück gelassener.
Bildung: Mit dem BGE könnte sich Bildung tatsächlich wieder mehr an 
privaten Interessen orientieren als an wirtschaftlicher Verwertbarkeit. 
Im Moment sehe ich staatliche Bildungspolitik hauptsächlich als 
sozialisierte Unternehmenskosten.
Wichtigste Staatsaufgabe: Bewahrung der bürgerlichen Freiheitsrechte 
als Voraussetzung für weitergehende Emanzipation der Individuen. (Hier 
sehe ich allerdings einen gegenläufigen Trend)

Noch ein Wort zur Globalisierung: Erstens gibt es die schon sehr lange, 
zweitens sehe ich sie als positive Entwicklung. Zu kritisieren ist der 
einseitige Protektionismus der EU und der USA.

Weiterhin schreiben Sie an einer Stelle: "mancher ist dumm geboren, 
mancher hat dumme Eltern", diese Wortwahl finde ich sehr unglücklich. 
Ansonsten stimme ich mit Ihnen in dem Punkt überein, dass das BGE ein 
wichtiger Baustein für mehr Chancengleichheit ist.

viele Grüße
matthias

Am 03.12.2005 um 12:43 schrieb Florian Hoffmann:

> Das Ganze hat etwas mit ausgleichender Gerechtigkeit zu tun, mit
> Chancengleichheit. Nicht jeder hat gleich viel Chancen. Mancher ist 
> dumm
> geboren, mancher hat dumme Eltern, mancher hat Pech, das falsche 
> Klima, die
> falsche Umgebung, ist mit seinen Begabungen in die falsche Zeit 
> geboren, hat
> das Falsche gelernt, studiert. Bei anderen ist des umgekehrt: Der 
> richtige
> Zeitpunkt, die richtige Konjunktur, die richtigen Beziehungen, die 
> richtigen
> Zufälle, und schon schwimmt man oben und kassiert ab. Ich kannte mal 
> einen
> Bankdirektor, der sagte: Ich hab' schon Millionäre husten sehen und
> Milliardäre kotzen, heißt: Es ist nicht so, dass Glück etwas ist, was
> bleibt, sondern es ist in Bewegung, und: Wer will bewerten, ob einer 
> gerade
> in diesem Jahr aus Dummheit, Faulheit oder aus Pech nichts verdient 
> hat und
> umgekehrt auf Glück, etc. viel. Objektive Bewertung geht nicht.




Mehr Informationen über die Mailingliste Debatte-Grundeinkommen