[Debatte-Grundeinkommen] Neues Modell der Finanzierung des BGE

Florian Hoffmann florian.hoffmann at intereasy.de
Sa Dez 3 12:43:24 CET 2005



Lieber Herr Schumacher,

ich verfolge seit einigen Tagen die Debatte und habe mich ja auch schon ein
anderes mal zu Ihren Ausführungen zu Wort gemeldet. Erneut finde ich jetzt
einen Text, der mich herausfordert, Ihnen zu antworten:

"Ich misstraue allen bisher vorgetragenen Finanzierungsmodellen, auch
denen von Herrn G. Werner und zwar deshalb, weil in allen Modellen die
Kosten für die bislang nicht meßbare Größe des "Sozialen" einfach gar
nicht vorkommt. Deshalb meine ich, vielleicht ähnlich wie Sie, dass die
Kosten für ein gesellschaftliches Lern- und Bildungsprogramm die Kosten
für die Alimentierung durch ein GE weit, weit übersteigen werden. Oder
auch so formuliert: Der Wegfall der bisherigen Kontroll- und
Verwaltungskosten durch eine idiotische Verteilungsbürokratie würde von
den Kosten für ein soziales Bildungsprogramm der Gesellschaft schnell
aufgefressen. Deshalb bin ich, was die Finanzierung eines GE angeht,
nicht ganz so optimistisch, weil keiner sagen kann, woher das viele Geld
kommen soll, wenn es, wie gegenwärtig, zu hundert Prozent als
Verschuldung in die Welt kommt. Würde man damit einfach weiter machen,
wäre der monetäre Overkill nicht zu befürchten, sondern würde zum
gewöhnlichen Normalfall werden."

Ich denke, Sie legen den Finger auf die Wunde. Deshalb möchte ich an dieser
Stelle einen neuen Lösungsvorschlag für ein Finanzierungsmodell in die
Debatte einbringen, bzw. mit Ihnen diskutieren und würde mich freuen, wenn
Sie darin einen denkbaren Ansatz fänden:

Ich meine, das Modell des Bedingungslosen Grundeinkommens hat keine Chance
auf Verwirklichung, wenn nicht auch die Seite der Finanzierung schlüssig und
plausibel ist. Ich sehe da momentan - genau wie Sie - eine Schwäche, die es
zu beseitigen gilt.

Mein Vorschlag für eine Lösung klingt (fast) gleich wie das Dogma des BGE:
Dort heißt es richtigerweise:

	"Jeder bekommt gleich viel und niemand muß einen Antrag stellen."

Nach meiner Vorstellung hieße es für die Finanzierungsseite:

	"Jeder zahlt gleich viel und niemend muß einen Antrag stellen."

In der Umsetzung ginge das m. E. so:

Die Säulen der staatlichen Einnahmen sind die Umsatzsteuern und die
Einkommensteuern. Weshalb ich diese Steuerarten den Plural setzte, ist
einfach. Im Prinzip sind die Verbrauchsteuern (Mineralölsteuer, etc.) auch
Umsatzsteuern, und die Körperschaftssteuer und die Gewerbesteuer sind auch
Einkommensteuern, weil sie in Abhängigkeit der "Einkommen", d. h. der
Netto-Wertschöpfung erhoben werden. Es gibt noch kleinere Steuern, wie die
Grundsteuer, etc. die aber eher Gebührencharakter haben.

Zuerst zur Umsatzsteuer: Hinter den Umsatzsteuern steht das Prinzip, dass
ein Teil des Umgesetzten, d.h. der verkauften Güter, an den Staat geht
(wobei der Staat heute davon ausgeht, dass letztlich alles, was produziert
wird, auch verkauft wird). Zehn Prozent Umsatzsteuer wären der "Zehnte", der
schon historisch als (mehr oder weniger hoheitliche) Abgabe tief im
Bewußtsein verwurzelt ist. Der Staat bekommt also einen Anteil an den
Marktumsätzen, wobei der Anteil der Höhe nach nicht gewinnabhängig, sondern
umsatzabhängig ist, d. h. es geht nicht nur um die letzte Wertschöpfung, den
Ertrag (den Mehrwert), sondern um die Gesamtwertschöpfung. Der Staat soll
seinen Anteil haben. Das ist gerecht, denn er liefert wichtige
Gegenleistungen: Vor allem Organisation, Infrastuktur und Sicherheit!

Wenn man einmal annimmt, dass der Staat die Umsatzsteuer bekommt (z. B. 25
%) und sonst nichts, dann bekommt er immerhin ein Viertel aller verkauften
Waren. Er bekommt sie allerdings in Geld, d. h. sein Ausgabenportfolio kann
er frei zusammensetzen und muß nicht das verwerten, was er anteilig an Waren
bekommt. Niemand käme auf die Idee, dass der, der mehr umsetzt, auch eine
höhere Mehrwertsteuer zu zahlen hätte. Also neu-deutsch: Flatrate 25 %.

Für mich wäre das Thema Staat (und Umsatzsteuern) damit insoweit
abgeschlossen, als man den Steuersatz der Höhe nach politisch bestimmen und
festlegen kann. Die jeweilige Regierung wird daran gemessen, was sie aus
diesem Anteil am Sozialprodukt macht, wie sie haushaltet, welche Überschüsse
sie erwirtschaftet (Effizienz), ob sie in der Lage ist, den Steuersatz zu
senken, etc.. Staatsverschuldung dürfte es nicht geben!

Unser eigentliches Thema ist die Einkommensteuer!

Das Prinzip, das hinter der Einkommensteuer steckt, ist: Wer wenig verdient,
gibt wenig ab (keine oder wenig Steuern), wer viel verdient gibt einen
höheren Anteil ab (höherer Steuersatz). Hinter der
Einkommensteuer-Progression steckt ein allgemeines Gerechtigkeitsgefühl, das
einerseits sicher als sozial gerechtfertigt angesehen werden kann,
andererseits stellt sich die Frage, ob es nicht auch anders geht, wie z. B.
in Hong Kong mit 20 %.

Die erste Frage die ich mir bei der Einkommensteuer stelle, ist: Wer bekommt
das Geld? Der Staat hat doch seinen Anteil. Weshalb braucht er mehr? Für das
Militär, die Polizei, die Verwaltung, die Bürokratie, die Kultur, die
Bildung? Wohl nicht.  Also wer bekommt das Geld?

Meine Antwort wäre: Für mich ist die Einkommensteuer eine echte
Sozialsteuer. Wer viel verdient, soll viel abgeben, wer wenig verdient
wenig. Nicht der Staat bekommt das Geld, sondern die Bürger bekommen es -
zurück! als bedingungsloses Grundeinkommen, ohne Ansehen der Person, der
Bedürftigkeit, der Berechtigung, etc.. Jeder gleich viel!

Das Ganze hat etwas mit ausgleichender Gerechtigkeit zu tun, mit
Chancengleichheit. Nicht jeder hat gleich viel Chancen. Mancher ist dumm
geboren, mancher hat dumme Eltern, mancher hat Pech, das falsche Klima, die
falsche Umgebung, ist mit seinen Begabungen in die falsche Zeit geboren, hat
das Falsche gelernt, studiert. Bei anderen ist des umgekehrt: Der richtige
Zeitpunkt, die richtige Konjunktur, die richtigen Beziehungen, die richtigen
Zufälle, und schon schwimmt man oben und kassiert ab. Ich kannte mal einen
Bankdirektor, der sagte: Ich hab' schon Millionäre husten sehen und
Milliardäre kotzen, heißt: Es ist nicht so, dass Glück etwas ist, was
bleibt, sondern es ist in Bewegung, und: Wer will bewerten, ob einer gerade
in diesem Jahr aus Dummheit, Faulheit oder aus Pech nichts verdient hat und
umgekehrt auf Glück, etc. viel. Objektive Bewertung geht nicht.

Ergo: Wenn man einen Gerechtigkeitsfaktor einführen will, dann kann der
nicht bewertend variieren, weder objektiv, noch subjektiv. Wenn man an einer
Stelle echte staatliche Gerechtigkeit einführen will, dann geht das nur
dann, wenn jeder (anteilig) gleich viel zahlt und jeder (absolut) gleich
viel bekommt. ("An einer Stelle" will heißen: Natrülich gibt es andere
Bereiche, wo die Bewertung durchaus Sinn macht, auch im sozialen Bereich z.
B. bei schweren Fällen sozialer Schieflage durch Unglücke, etc. aber auch im
Bereich der Bildung oder Kultur.)

Also: Die Einkommensteuer ist eine allgemeine Steuer des sozialen
Ausgleichs, eine Gerechtigkeitssteuer. Sie ist so etwas ähnliches wie eine
permantente Teilenteignung der Grundbesitzer zu früheren Zeiten, um die
tendenzielle Schieflage der Besitzverhältnisse auszugleichen, die sich
tendenziell durch ungleiche Ernten wegen Wind, Wetter, Geschick, Glück und
Können entwickelt hat. So ähnliche Modelle der Landreform hat es früher
gegeben. Heute geht es in Flüssigem, in Geld.

Angenommen, es gibt ein Grundeinkommen von 500 Euro für jeden (z. B. über 14
Jahre; das Einstiegsalter beeinflußt die Reproduktionsrate einer
Gesellschaft). Was spricht dann dagegen, alle Geld-Einkommen gleichermaßen
mit 25, 30, oder 40 Prozent zu besteuern (Die Höhe des Steuersatzes ist ein
gesondertes Thema; z. B. gleiche Höhe wie die Umsatzsteuer, dann gäbe es für
Einkünfte insgesamt nur noch einen Steuersatz).

Die Steuererklärung macht die Bank, indem sie von jedem Euro Geldeingang z.
B. dreißig Cent in den großen Sozial-Steuer-Topf überwiest. Einmal im Monat
wird der Sozial-Steuer-Topf gelehrt und an jeden Gemeldeten ein gleichgroßer
Betrag Grundeinkommen ausgekehrt. Für die ganze Berechnung und Verteilung
bedarf es für ganz Deutschland eines kleinen Rechners von der Größe, wie ihn
heute fast jeder zuhause stehen hat.

Die Höhe der effektiven Auszahlungen an Grundeinkommen variiert dann nach
den Einnahmen: Steigen die privaten Einkommen, steigen die Auszahlungen,
verdinen die Leute weniger, strengen sie sich weniger an, Geld zu verdienen,
fallen die Einkommen und die Zahlungen... Die Sache könnte sich in ein
Gleichgewicht einpendeln. (Die Auswirkungen auf das Verhalten der Menschen
sind gleichfalls ein eigenes Kapitel.)

Ergo: Das simple Prinzip des Grundeinkommens gilt auch bei der Erhebung:
Jeder zahlt gleich viel und niemand muß einen Antrag stellen.

Natürlich ist die Darstellung etwas verkürzt, aber ich denke, dass das
Prinzip in sich schlüssig ist. Ich habe es nicht dezidiert nachgerechnet.
Ich denke aber, aber dass es anhand aktueller Zahlen rechenbar ist.

Natürlich stellt sich sofort die Frage, ob der einheitliche Steuersatz nicht
unsozial ist. Ich meine, dass der Satz niedrig sein sollte. Dann zahlt jeder
diese Steuer gerne, auch weil er weiß, dass er stets und auf Dauer selbst
davon profitiert. Und wer viel verdient, soll auch viel behalten und die
Gelegenheit bekommen, nochmehr zu verdienen. Denn desto mehr zahlt er ein in
den Sozialtopf. Und dann auch gerne, weil er zum einen einen Teil
zurückbekommt, zum anderen weiß, dass diese Einnahmen auch in Zeiten, wo er
nichts selbst verdient, nicht wegfallen!

Das Wort "Schwarzarbeit" wird in Vergessenheit geraten und nur noch an die
finstersten Zeiten staatlicher Ignoranz und Ausbeutung erinnern!

Und: Das Schöne an diesem Prinzip ist, dass der Steuersatz die einzige freie
Variable ist. Sie wird durch den politischen Willen beeinflusst. Die
Argumente werden sich um das Verhalten der Menschen drehen, ob genug im Topf
ist, und ob sie sich insgesamt genug anstrengen, dass ein auskömmliches
Sozialprodukt zur Verfügung steht!

Da jeder für sein Arbeits- oder sonstiges Einkommen Steuern in gleicher Höhe
bezahlt (den sozialen Ausgleich, den Freibetrag, liefert das steuerbefreite
Grundeinkommen), geht es auch jeden an und niemand wird sagen: Die anderen
sollen einen höheren Satz bezahlen! Wer einen höheren Satz fordert, muß ihn
dann ja auch selbst bezahlen. Dann werden auch Mehrheitsentscheidung in der
Weise abgebremst, als sie nicht übermäßig die Belastung anderer zum Ziel
haben.

Und auch der Übergang ist einfach: Der Staat erarbeitet ein langfristiges
Programm, in welchem er sich z. B. über einen Zeitraum von 30 Jahren der
Einkommensteuer in dem Maße entäußert und im Sozial-Topf beläßt, als er
Bürokratie abbaut.

Ich hoffe, mein Vorschlag macht Ihnen Spaß!

Beste Grüße
Florian Hoffmann

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