[Debatte-Grundeinkommen] Neues Modell der Finanzierung des BGE

Werner Schumacher schumacher.marburg at freenet.de
Sa Dez 3 18:48:12 CET 2005


Liebe Liste, liebe Mitdenkerinnen und Mitschreiber, lieber Herr Hoffmann,

Herr Hoffmann hat folgende Überlegung ins Gespräch gebracht:

>Nach meiner Vorstellung hieße es für die Finanzierungsseite:
>
>	"Jeder zahlt gleich viel und niemand muß einen Antrag stellen."
>  
>
Hoffmanns Argumente sind in der Liste verteilt worden und es wäre 
jammerschade, wenn sie nur archiviert werden würden. Das besondere an 
seinem Vorschlag ist nicht, dass er vollständig ist, denn wer kann schon 
ein komplexes Bedingungsgefüge konzipieren, das nicht auf Bedingungen 
stieße? Deshalb müsste schon aus wahrscheinlichkeitstheoretischen 
Gründen sein Vorschlag auf Einwände stoßen; es einfach nur 
durchzuwinken, gleichviel ob mit Zustimmung oder Ablehung, hieße, es 
nicht geprüft zu haben.
Da mir aus anderen Gesprächen die Tiefenstruktur seines Vorschlages 
bekannt ist, möchte ich in dieser Liste eine Diskussion um Einwände 
anbieten. Dies nicht deshalb, weil alle seine Argumente schlüssig sind, 
sondern deshalb, weil der größte Teil der Argumente auf Bedingungen 
tritfft, die längst schon erfüllt sind, wie ich meine. Aber dies in 
Erfahrung zu bringen scheint mir ein interessantes Gespräch wert.
Welche Einwände haben Sie gegen Herrn Hoffmanns Vorschlag?

Über Beitrage in der Sache würde ich mich sehr freuen.

Liebe Grüße.
Werner Schumacher

>Lieber Herr Schumacher,
>
>ich verfolge seit einigen Tagen die Debatte und habe mich ja auch schon ein
>anderes mal zu Ihren Ausführungen zu Wort gemeldet. Erneut finde ich jetzt
>einen Text, der mich herausfordert, Ihnen zu antworten:
>
>"Ich misstraue allen bisher vorgetragenen Finanzierungsmodellen, auch
>denen von Herrn G. Werner und zwar deshalb, weil in allen Modellen die
>Kosten für die bislang nicht meßbare Größe des "Sozialen" einfach gar
>nicht vorkommt. Deshalb meine ich, vielleicht ähnlich wie Sie, dass die
>Kosten für ein gesellschaftliches Lern- und Bildungsprogramm die Kosten
>für die Alimentierung durch ein GE weit, weit übersteigen werden. Oder
>auch so formuliert: Der Wegfall der bisherigen Kontroll- und
>Verwaltungskosten durch eine idiotische Verteilungsbürokratie würde von
>den Kosten für ein soziales Bildungsprogramm der Gesellschaft schnell
>aufgefressen. Deshalb bin ich, was die Finanzierung eines GE angeht,
>nicht ganz so optimistisch, weil keiner sagen kann, woher das viele Geld
>kommen soll, wenn es, wie gegenwärtig, zu hundert Prozent als
>Verschuldung in die Welt kommt. Würde man damit einfach weiter machen,
>wäre der monetäre Overkill nicht zu befürchten, sondern würde zum
>gewöhnlichen Normalfall werden."
>
>Ich denke, Sie legen den Finger auf die Wunde. Deshalb möchte ich an dieser
>Stelle einen neuen Lösungsvorschlag für ein Finanzierungsmodell in die
>Debatte einbringen, bzw. mit Ihnen diskutieren und würde mich freuen, wenn
>Sie darin einen denkbaren Ansatz fänden:
>
>Ich meine, das Modell des Bedingungslosen Grundeinkommens hat keine Chance
>auf Verwirklichung, wenn nicht auch die Seite der Finanzierung schlüssig und
>plausibel ist. Ich sehe da momentan - genau wie Sie - eine Schwäche, die es
>zu beseitigen gilt.
>
>Mein Vorschlag für eine Lösung klingt (fast) gleich wie das Dogma des BGE:
>Dort heißt es richtigerweise:
>
>	"Jeder bekommt gleich viel und niemand muß einen Antrag stellen."
>
>Nach meiner Vorstellung hieße es für die Finanzierungsseite:
>
>	"Jeder zahlt gleich viel und niemend muß einen Antrag stellen."
>
>In der Umsetzung ginge das m. E. so:
>
>Die Säulen der staatlichen Einnahmen sind die Umsatzsteuern und die
>Einkommensteuern. Weshalb ich diese Steuerarten den Plural setzte, ist
>einfach. Im Prinzip sind die Verbrauchsteuern (Mineralölsteuer, etc.) auch
>Umsatzsteuern, und die Körperschaftssteuer und die Gewerbesteuer sind auch
>Einkommensteuern, weil sie in Abhängigkeit der "Einkommen", d. h. der
>Netto-Wertschöpfung erhoben werden. Es gibt noch kleinere Steuern, wie die
>Grundsteuer, etc. die aber eher Gebührencharakter haben.
>
>Zuerst zur Umsatzsteuer: Hinter den Umsatzsteuern steht das Prinzip, dass
>ein Teil des Umgesetzten, d.h. der verkauften Güter, an den Staat geht
>(wobei der Staat heute davon ausgeht, dass letztlich alles, was produziert
>wird, auch verkauft wird). Zehn Prozent Umsatzsteuer wären der "Zehnte", der
>schon historisch als (mehr oder weniger hoheitliche) Abgabe tief im
>Bewußtsein verwurzelt ist. Der Staat bekommt also einen Anteil an den
>Marktumsätzen, wobei der Anteil der Höhe nach nicht gewinnabhängig, sondern
>umsatzabhängig ist, d. h. es geht nicht nur um die letzte Wertschöpfung, den
>Ertrag (den Mehrwert), sondern um die Gesamtwertschöpfung. Der Staat soll
>seinen Anteil haben. Das ist gerecht, denn er liefert wichtige
>Gegenleistungen: Vor allem Organisation, Infrastuktur und Sicherheit!
>
>Wenn man einmal annimmt, dass der Staat die Umsatzsteuer bekommt (z. B. 25
>%) und sonst nichts, dann bekommt er immerhin ein Viertel aller verkauften
>Waren. Er bekommt sie allerdings in Geld, d. h. sein Ausgabenportfolio kann
>er frei zusammensetzen und muß nicht das verwerten, was er anteilig an Waren
>bekommt. Niemand käme auf die Idee, dass der, der mehr umsetzt, auch eine
>höhere Mehrwertsteuer zu zahlen hätte. Also neu-deutsch: Flatrate 25 %.
>
>Für mich wäre das Thema Staat (und Umsatzsteuern) damit insoweit
>abgeschlossen, als man den Steuersatz der Höhe nach politisch bestimmen und
>festlegen kann. Die jeweilige Regierung wird daran gemessen, was sie aus
>diesem Anteil am Sozialprodukt macht, wie sie haushaltet, welche Überschüsse
>sie erwirtschaftet (Effizienz), ob sie in der Lage ist, den Steuersatz zu
>senken, etc.. Staatsverschuldung dürfte es nicht geben!
>
>Unser eigentliches Thema ist die Einkommensteuer!
>
>Das Prinzip, das hinter der Einkommensteuer steckt, ist: Wer wenig verdient,
>gibt wenig ab (keine oder wenig Steuern), wer viel verdient gibt einen
>höheren Anteil ab (höherer Steuersatz). Hinter der
>Einkommensteuer-Progression steckt ein allgemeines Gerechtigkeitsgefühl, das
>einerseits sicher als sozial gerechtfertigt angesehen werden kann,
>andererseits stellt sich die Frage, ob es nicht auch anders geht, wie z. B.
>in Hong Kong mit 20 %.
>
>Die erste Frage die ich mir bei der Einkommensteuer stelle, ist: Wer bekommt
>das Geld? Der Staat hat doch seinen Anteil. Weshalb braucht er mehr? Für das
>Militär, die Polizei, die Verwaltung, die Bürokratie, die Kultur, die
>Bildung? Wohl nicht.  Also wer bekommt das Geld?
>
>Meine Antwort wäre: Für mich ist die Einkommensteuer eine echte
>Sozialsteuer. Wer viel verdient, soll viel abgeben, wer wenig verdient
>wenig. Nicht der Staat bekommt das Geld, sondern die Bürger bekommen es -
>zurück! als bedingungsloses Grundeinkommen, ohne Ansehen der Person, der
>Bedürftigkeit, der Berechtigung, etc.. Jeder gleich viel!
>
>Das Ganze hat etwas mit ausgleichender Gerechtigkeit zu tun, mit
>Chancengleichheit. Nicht jeder hat gleich viel Chancen. Mancher ist dumm
>geboren, mancher hat dumme Eltern, mancher hat Pech, das falsche Klima, die
>falsche Umgebung, ist mit seinen Begabungen in die falsche Zeit geboren, hat
>das Falsche gelernt, studiert. Bei anderen ist des umgekehrt: Der richtige
>Zeitpunkt, die richtige Konjunktur, die richtigen Beziehungen, die richtigen
>Zufälle, und schon schwimmt man oben und kassiert ab. Ich kannte mal einen
>Bankdirektor, der sagte: Ich hab' schon Millionäre husten sehen und
>Milliardäre kotzen, heißt: Es ist nicht so, dass Glück etwas ist, was
>bleibt, sondern es ist in Bewegung, und: Wer will bewerten, ob einer gerade
>in diesem Jahr aus Dummheit, Faulheit oder aus Pech nichts verdient hat und
>umgekehrt auf Glück, etc. viel. Objektive Bewertung geht nicht.
>
>Ergo: Wenn man einen Gerechtigkeitsfaktor einführen will, dann kann der
>nicht bewertend variieren, weder objektiv, noch subjektiv. Wenn man an einer
>Stelle echte staatliche Gerechtigkeit einführen will, dann geht das nur
>dann, wenn jeder (anteilig) gleich viel zahlt und jeder (absolut) gleich
>viel bekommt. ("An einer Stelle" will heißen: Natrülich gibt es andere
>Bereiche, wo die Bewertung durchaus Sinn macht, auch im sozialen Bereich z.
>B. bei schweren Fällen sozialer Schieflage durch Unglücke, etc. aber auch im
>Bereich der Bildung oder Kultur.)
>
>Also: Die Einkommensteuer ist eine allgemeine Steuer des sozialen
>Ausgleichs, eine Gerechtigkeitssteuer. Sie ist so etwas ähnliches wie eine
>permantente Teilenteignung der Grundbesitzer zu früheren Zeiten, um die
>tendenzielle Schieflage der Besitzverhältnisse auszugleichen, die sich
>tendenziell durch ungleiche Ernten wegen Wind, Wetter, Geschick, Glück und
>Können entwickelt hat. So ähnliche Modelle der Landreform hat es früher
>gegeben. Heute geht es in Flüssigem, in Geld.
>
>Angenommen, es gibt ein Grundeinkommen von 500 Euro für jeden (z. B. über 14
>Jahre; das Einstiegsalter beeinflußt die Reproduktionsrate einer
>Gesellschaft). Was spricht dann dagegen, alle Geld-Einkommen gleichermaßen
>mit 25, 30, oder 40 Prozent zu besteuern (Die Höhe des Steuersatzes ist ein
>gesondertes Thema; z. B. gleiche Höhe wie die Umsatzsteuer, dann gäbe es für
>Einkünfte insgesamt nur noch einen Steuersatz).
>
>Die Steuererklärung macht die Bank, indem sie von jedem Euro Geldeingang z.
>B. dreißig Cent in den großen Sozial-Steuer-Topf überwiest. Einmal im Monat
>wird der Sozial-Steuer-Topf gelehrt und an jeden Gemeldeten ein gleichgroßer
>Betrag Grundeinkommen ausgekehrt. Für die ganze Berechnung und Verteilung
>bedarf es für ganz Deutschland eines kleinen Rechners von der Größe, wie ihn
>heute fast jeder zuhause stehen hat.
>
>Die Höhe der effektiven Auszahlungen an Grundeinkommen variiert dann nach
>den Einnahmen: Steigen die privaten Einkommen, steigen die Auszahlungen,
>verdinen die Leute weniger, strengen sie sich weniger an, Geld zu verdienen,
>fallen die Einkommen und die Zahlungen... Die Sache könnte sich in ein
>Gleichgewicht einpendeln. (Die Auswirkungen auf das Verhalten der Menschen
>sind gleichfalls ein eigenes Kapitel.)
>
>Ergo: Das simple Prinzip des Grundeinkommens gilt auch bei der Erhebung:
>Jeder zahlt gleich viel und niemand muß einen Antrag stellen.
>
>Natürlich ist die Darstellung etwas verkürzt, aber ich denke, dass das
>Prinzip in sich schlüssig ist. Ich habe es nicht dezidiert nachgerechnet.
>Ich denke aber, aber dass es anhand aktueller Zahlen rechenbar ist.
>
>Natürlich stellt sich sofort die Frage, ob der einheitliche Steuersatz nicht
>unsozial ist. Ich meine, dass der Satz niedrig sein sollte. Dann zahlt jeder
>diese Steuer gerne, auch weil er weiß, dass er stets und auf Dauer selbst
>davon profitiert. Und wer viel verdient, soll auch viel behalten und die
>Gelegenheit bekommen, nochmehr zu verdienen. Denn desto mehr zahlt er ein in
>den Sozialtopf. Und dann auch gerne, weil er zum einen einen Teil
>zurückbekommt, zum anderen weiß, dass diese Einnahmen auch in Zeiten, wo er
>nichts selbst verdient, nicht wegfallen!
>
>Das Wort "Schwarzarbeit" wird in Vergessenheit geraten und nur noch an die
>finstersten Zeiten staatlicher Ignoranz und Ausbeutung erinnern!
>
>Und: Das Schöne an diesem Prinzip ist, dass der Steuersatz die einzige freie
>Variable ist. Sie wird durch den politischen Willen beeinflusst. Die
>Argumente werden sich um das Verhalten der Menschen drehen, ob genug im Topf
>ist, und ob sie sich insgesamt genug anstrengen, dass ein auskömmliches
>Sozialprodukt zur Verfügung steht!
>
>Da jeder für sein Arbeits- oder sonstiges Einkommen Steuern in gleicher Höhe
>bezahlt (den sozialen Ausgleich, den Freibetrag, liefert das steuerbefreite
>Grundeinkommen), geht es auch jeden an und niemand wird sagen: Die anderen
>sollen einen höheren Satz bezahlen! Wer einen höheren Satz fordert, muß ihn
>dann ja auch selbst bezahlen. Dann werden auch Mehrheitsentscheidung in der
>Weise abgebremst, als sie nicht übermäßig die Belastung anderer zum Ziel
>haben.
>
>Und auch der Übergang ist einfach: Der Staat erarbeitet ein langfristiges
>Programm, in welchem er sich z. B. über einen Zeitraum von 30 Jahren der
>Einkommensteuer in dem Maße entäußert und im Sozial-Topf beläßt, als er
>Bürokratie abbaut.
>
>Ich hoffe, mein Vorschlag macht Ihnen Spaß!
>
>Beste Grüße
>Florian Hoffmann
>
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