[Debatte-Grundeinkommen] Frage zur Abwesenheit eines Arbeitszwangs

Werner Schumacher schumacher.marburg at freenet.de
Do Dez 1 12:30:54 CET 2005


Lieber Herr Westphal,

>Nun zum Schluss: Für mich ergibt sich aus a) und b), dass ein (B)GE nur
>funktionieren kann, wenn:
>1) Bildung (in alln ihren Facetten) die oberste Priorität in der
>Gesellschaft bekommt
>  
>
Ihre Argumente sind sehr gut und stimmen in mancher Hinsicht mit meinen 
Überlegungen überein. Insbesondere Ihr Hinweis auf Bildung ist genau 
das, was der entscheidende, auch der entscheidende Geld-Faktor für die 
Möglichkeit eines GE sein wird.
Ich misstraue allen bisher vorgetragenen Finanzierungsmodellen, auch 
denen von Herrn G. Werner und zwar deshalb, weil in allen Modellen die 
Kosten für die bislang nicht meßbare Größe des "Sozialen" einfach gar 
nicht vorkommt. Deshalb meine ich, vielleicht ähnlich wie Sie, dass die 
Kosten für ein gesellschaftliches Lern- und Bildungsprogramm die Kosten 
für die Alimentierung durch ein GE weit, weit übersteigen werden. Oder 
auch so formuliert: Der Wegfall der bisherigen Kontroll- und 
Verwaltungskosten durch eine idiotische Verteilungsbürokratie würde von 
den Kosten für ein soziales Bildungsprogramm der Gesellschaft schnell 
aufgefressen. Deshalb bin ich, was die Finanzierung eines GE angeht, 
nicht ganz so optimistisch, weil keiner sagen kann, woher das viele Geld 
kommen soll, wenn es, wie gegenwärtig, zu hundert Prozent als 
Verschuldung in die Welt kommt. Würde man damit einfach weiter machen, 
wäre der monetäre Overkill nicht zu befürchten, sondern würde zum 
gewöhnlichen Normalfall werden.

>2) Der Bezug von (B)GE eine gewisse bewusste "Gegenleistung" erfordert
>  
>
Nein, weil das ein Rückfall in die alte Sozialpolitik sein würde, deren 
Scheitern wir jeden Tag beobachten können.

>Ich denke, wir brauchen nicht nur eine neue Theorie der Ökonomie, sondern
>auch Einsicht in die conditio humana, um die Implikationen eines so
>radikalen Wandels zu verstehen.
>  
>
Was diese Überlegung angeht, bin ich eher skeptisch, weil alle 
Forschungsprogramme zur Ergründung der Conditio Humana gescheitert sind. 
Denn all das, was sich Psychologen, Pädagogen, Theologen, ich zähle 
sogar die Humanbiologie dazu, bislang ausgedacht haben, hat bis heute 
nur dazu geführt, dass den jeweiligen Vormeinungen über die Natur des 
Menschen - seien sie wissenschaftlich gestützt oder nicht - schnell 
Menschenverbesserungsprogramme auf den Fuß folgten. Gegenwärtig können 
wir die Gehrinforschung dabei beobachten, wie sie von Bildprojektionen 
des Gehrins ohne Umwege auf Menschverbesserung umschalten, gleich so, 
als sei die Welt, die ich verstehe, in hoch auflösenden 
Bildgebungsverfahren analysierbar. Sozialdarwinisten, humanistische 
Psychologen, Sozialisten, antiautoritäre Pädagogen, Befreiungstheologen, 
christliche Soziallehrer, Existenzialphilosophen, Antroposophen und was 
der der Schulen, Parteien, Gruppen und Glaubensgemeinschaft mehr geben 
mag, sie alle arbeiten sich am Menschen ab. Wenn ich diese Forschungs- 
und Menschenbildungsprogramme durcharbeite (und nicht etwa die 
Forscher), komme ich zum Schluß, dass der Mensch inzwischen gründlich, 
mehr als genug druchgearbeitet wurde mit nur mangelhaftem Erfolg. Wer 
das leugnen möchte soll bitte die Sprach- und Hilflosigkeit nach dem 
nächten Amoklauf beobachten und sich fragen, woher diese Ratlosigkeit 
nur kommt. Es ist ein reiner Abergalube zu meinen, das Menschliche sei 
noch nicht genügend verstanden worden. Kämen wir nicht besser weiter, 
wenn wir fragen, ob das Menschliche überhaupt verstanden werden kann, 
vielleicht nicht einmal verstanden zu werden braucht? Wern von uns 
müsste zuerst die Frage beantworten, was Zeit ist, um den Buss nicht zu 
verpassen? Nur weil wir diese Frage beiseite lassen, finden wir zur 
rechten Zeit den rechten Ort.

Natürliche stellt die conidito humana die wichtigste Bedinung für das 
funktionieren der Gesellschaft da, aber können wir die Gesellschaft nur 
verstehen unter der Bedinung, dass wir die "Bedinung Mensch" erforschen? 
Wenn ja, dann hat alles, was in dieser Hinsicht erforscht, nichts, rein 
gar nichts mit Menschen zu tun, sondern nur mit der Bedingung, die 
Bedingung ernst zu nehmen. Und ich frage mich warum? Dürfte man nicht 
auch darüber lachen?

>
>Und natürlich braucht es dafür Freiheit statt Fünfjahresplan.
>  
>
Absolut richtig.

Alles Gute. Werner Schumacher.



Mehr Informationen über die Mailingliste Debatte-Grundeinkommen