[Debatte-Grundeinkommen] Mindestlöhne

j.behncke j.behncke at bln.de
Di Apr 12 18:31:30 CEST 2005


Auf Empfehlung der Koordinatoren hier meine mail ein zweites Mal:

Liebe Ingrid, liebe Mitleser!

Da die Verwirrung um die "Debatte Grundeinkommen" kaum größer sein könnte,
weiß ich jetzt nicht recht, wer überhaupt meine mail erhält. Eine Antwort
würde mich trotzdem interessieren.

Da Ingrid aber einem sehr verbreiteten Irrtum aufgesessen ist, möchte ich
mich hier doch noch einmal äußern, in der Hoffnung, daß meine mail doch noch
einige erreicht.

Grundeinkommen und Mindesteinkommen gleichzeitig zu verlangen ist ein
Widerspruch in sich. Wenn auch so bedeutende Organisationen wie attac und
auch andere diesem Irrtum unterlegen sind.

Begründung: Das Grundeinkommen ist eine Art aus Steuergeldern finanzierter
Mindestlohn, wie früher schon die Sozialhilfe.

Die Forderung nach Mindestlöhnen stellt einen  Eingriff in die Tarifpolitik
und die Marktwirtschaft dar. Löhne sollten frei zwischen den Tarifpartner
verhandelt werden können und den marktwirtschaftlichen Prinzipien ( Angebot
und Nachfrage ) unterliegen. Es sei denn, man will die Marktwirtschaft
abschaffen ( was keiner direkt fordert ).

Bestes Beispiel ist die Spargelstecherdebatte dieser Tage: Würde es einen
Mindestlohn geben, würde der Spargel um soviel teurer werden, daß der Absatz
sinkt und der Spargel im Boden bleibt. Nur durch den Rückgriff auf
motivierte, meist polnische Landarbeiter, die zu Löhnen arbeiten, die in der
deutschen Volkswirtschaft weniger als existenzsichernd sind, ist es möglich,
Spargel zu marktverträglichen Preisen anzubieten. Also: Entweder Mindestlohn
und kein Spargel oder aber Grundeinkommen und Spargel in Hülle und Fülle,
den man sich dann vielleicht auch vom Grundeinkommen leisten kann und damit
für Binnennachfrage sorgt.

Die Diskussion um Mindestlöhne bis in erzkonservative Kreise wie der CDU ist
geradezu ein Treppenwitz der jüngsten Geschichte: Wollten wir nicht die
wirtschaftliche und politische  Vereinigung durchaus unterschiedlicher
Volkswirtschaften von fast noch Agrarländern wie Polen bis zu
hochentwickelten Industrieländern wie Deutschland? Wollten wir nicht einen
Europäischen Binnenmarkt ohne vorher Konvergenz in den wirtschaftlichen
Eckdaten abzuwarten? Erst ein Grundeinkommen macht diese Prozesse möglich.
Leider hat das noch niemand in der poltischen Führungsschicht so verstanden.
Wie kleine Kinder wollen sie einfach alles. Nach den Spargelstechern und
Fliesenlagern und Schlachtern kommt dann die Fensterputzer Debatte. Es geht
grundsätzlich um den wenig wertschöpfenden Niedriglohnsektor in unserer
Wirtschaft. Das ist der Punkt.

Grüße

Dr. Joachim Behncke
Gründungsmitglied und Sprecher des AK Grundsicherung/Grundeinkommen von
Bündnis90/Die Grünen, Berlin






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