[Trennmuster] Absatzumbruch (was: Alternative Trennmusterverwendung mit LuaTeX)

Stephan Hennig sh-list at posteo.net
Do Okt 1 02:34:11 CEST 2020


Am 30.09.20 um 15:36 schrieb Keno Wehr:
> Am 26.09.20 um 16:48 schrieb Stephan Hennig:
>
>> Dazu braucht man ein aussagekräftiges Maß für die Ordentlichkeit eines
>> Umbruchs.
> 
> Hier gilt: Das Auge entscheidet. Der Algorithmus hat  sich nach der 
> Ästhetik zu richten, nicht umgekehrt.
> 
>>    Die Demerits von TeX taugen dazu leider wenig.  Penalties in
>> die dritte Potenz erhoben (wenn ich mich recht erinnere) o.ä., sind
>> alles andere als anschaulich und für feine Abwägungen ungeeignet.  Auch
>> das ließe sich mit einer eigenen Lua-Implementierung des Absatzumbruchs
>> beheben.  ...
> 
> Dass die Penalties in die 3. Potenz erhoben werden, stimmt nicht; in die 
> 3. Potenz wird das Verhältnis aus tatsächlicher Dehnung und Dehnbarkeit 
> bei der Berechnung der „badness“ erhoben. „badness“ der Zeile und 
> „penalty“ der Umbruchstelle gehen quadratisch in die Demerit-Berechnung 
> ein (siehe TeX-Book, S. 97/98).

Ah, ja.  Das ändert aber nichts daran, dass der Einfluss der Änderung
bei dieser Art Verknüpfung von Parametern nicht intuitiv erfassbar ist.


> Ich gehe davon aus, dass diese Berechnungsformel von D. Knuth nach 
> sorgsamer Abwägung und unzähligen Versuchen aufgestellt wurde.
> Diese Formel pauschal zu kritisieren ist natürlich einfach, aber man 
> wird kaum ebenso einfach ein besseres Umbruchverfahren finden.

Das Optimierungsverfahren ist ja allgemein anerkannt und steht außer
Frage.  Aber die Bewertung verschiedener Umbrüche hat Macken.
Gewünschte feine Abwägungen verschiedener Ziele werden durch
Potenzierung nämlich verunmöglicht.  Irgendwann wird auch bei einem
Maximum abgeschnitten und so verschiedene, schlechte Lösungen in einen
Topf geworfen, die durchaus nicht gleich schlecht sind.  Zum Beispiel im
schmalen Zeitungssatz entstehen häufig ausgedehnte Wortzwischenräume.
Zum einen sind Leser das gewohnt und tolerieren das.  Andererseits
stören sie den Lesefluss auch tatsächlich weniger als bei langen Zeilen,
da (vereinzelt auftretende) kurze Zeilen unabhängig von der Länge der
Wortzwischenräume mit einem Blick erfasst werden können.  Während eine
irreführende Trennung den Lesefluss stärker stören kann (zum Beispiel).

Damit du mich nicht falsch verstehst, ich meine nicht, Knuth hätte Käse
dahinprogrammiert.  Mir sind die Gründe für das Zustandekommen seiner
Implementierung bekannt, einerseits technische (beschränkter
Wertebereich auf damals üblicher Hardware) sowie Abwägung zwischen
Aufwand und Nutzen (Rechenzeit und Ästhetik).  Aber man kann auf seiner
Implementierung der Bewertung des Umbruchs schlecht aufbauen.  Eine
Änderung der Abwägungen ist – bis auf die Anpassung einiger Parameter –
meines Wissens auch in LuaTeX nicht möglich.


> Aus Sicht des Deutschsprachigen krankt der knuthsche Umbruch vor allem 
> daran, dass alle Trennstellen gleichgewichtet werden. Das ließe sich 
> aber über ein differenzierteres Vorgehen bei der Einfügung der penalties 
> für die potentiellen Trennstellen beheben, ohne dass der 
> Umbruchalgorithmus selbst angetastet werden müsste.

Ich bin gespannt. :-)

Viele Grüße,
Stephan Hennig



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