[Trennmuster] Nottrennung »-ti-on«?
Guenter Milde
milde at users.sf.net
Mo Jul 9 00:44:39 CEST 2018
On 7.07.18, Keno Wehr wrote:
> Am 05.07.2018 um 23:15 schrieb Guenter Milde:
> > Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer) https://www.dwds.de/wb/Ion
> >
> > Ion n. elektrisch geladenes Atom (oder Atomgruppe), Molekül (oder
> > Molekülgruppe). 1834 wird von dem englischen Physiker Faraday griech.
> > ión (ἰόν), das substantivierte Part. Präs. Neutr. zu griech. iénai
> > (ἰέναι) ‘gehen’, im Sinne von ‘Gehendes, Wanderndes’ aufgenommen zur
> > Bezeichnung des wandernden Teilchens, das sich bei der Elektrolyse zu
> > den Elektroden hin bewegt.
> >
> > Zu ἰέναι finde ich bei en.wiktionary.org/wiki/ἰέναι
> >
> > Pronunciation
> >
> > (5th BCE Attic) IPA(key): /i.é.nai̯/
> > (1st CE Egyptian) IPA(key): /iˈɛ.nɛ/
> > (4th CE Koine) IPA(key): /iˈe.nɛ/
> > (10th CE Byzantine) IPA(key): /iˈe.ne/
> > (15th CE Constantinopolitan) IPA(key): /iˈe.ne/
> >
> > Auch die englischen Aussprache /ˈaɪən/, /ˈaɪɒn/ korrespondiert mit der
> > Idee der Vereinbarkeit von Sprachgeschichte und der zweisilbigen
> > Aussprache I-jon.
> Diese Begründung mag man gelten lassen; sie entspricht aber genau der Art
> von Wissenschaftlichkeit, die mir suspekt ist.
> Die Ausspracheangaben halte ich für weitgehend irrelevant, da Westeuropa mit
> der vorherrschenden Sprache Latein (inclusive der darin aufgenommenen
> griechischen Fremdwörter) seit der Spätantike eine eigene
> sprachgeschichtliche Entwicklung genommen hat, auf die das mittelalterliche
> byzantinische Griechisch keinen nennenswerten Einfluss mehr gehabt haben
> dürfte. Die Art und Weise, wie wir griechisch-lateinische Fremdwörter heute
> aussprechen beruht auf dieser Entwicklung.
Dies trifft für einen Teil dieser Fremdwörter und/oder für einen Teil der
deutschen Sprachgemeinschaft zu.
> Kennzeichnend dafür ist
> beispielsweise, dass das lateinische c vor e, i, ä und ö zu z wird, sonst zu
> k. So wird aus lat. circus dt. Zirkus (entsprechend in anderen
> westeuropäischen Sprachen, bspw. frz. cirque
> [siʁk]<https://fr.wiktionary.org/wiki/Annexe:Prononciation/fran%C3%A7ais>).
Aber Kirsche < lat. ceresia, Kaiser < cesar und die Wörter aus dem
Griechischen: Keramik, Kyrie, Askese, ...
> Weiter wird ein i am Wortanfang zu j, wenn ein Vokal folgt: iustitia >
> Justiz. In diesem Zusammenhang sind auch wohlbekannte Namen aus dem NT zu
> nennen: Ἰησοῦς > Jesus, Ἰωσήφ > Joseph/Josef. Mit in der Neuzeit neu
> gebildeten Fremdwörtern wurde entsprechend verfahren: ἰοειδής
> (veilchenfarbig) > Jod. In dieses System fügt sich die von mir bevorzugte
> Aussprache von Ion zwanglos ein (vgl. auch die frz. Aussprache [jɔ̃]).
Im Gegensatz zur Englischen Aussprache /ˈaɪən/, /ˈaɪɒn/ vs.
/ˈdʒiːzəs/, /ˈd͡ʒəʊzəf/, /dʒɒn/...
> Moderne Altphilologen ignorieren diese Traditionen meist zugunsten einer
> Rekonstruktion der angenommenen antiken Aussprache.
Andere gleichen englische oder griechische Wörter der latinisierten
Aussprache an (Aszetiker, Job, Jod).
Und nicht nur moderne Sprachgelehrte gehen zu den Wurzeln: Hiob wird seit
knapp 500 Jahren von der Hälfte der Deutschen zweisilbig gesprochen. (Womit
auch die Verwechslung einer Hiobsbotschaft mit einer Ankündigung von
Apple ausgeschlossen wird :-)
...
> Wie dem auch sei, ich will niemandem vorschreiben, wie er bestimmte Wörter
> auszusprechen hat, und Fakt scheint zu sein, dass es für »Ion« eine
> zweisilbige und eine einsilbige Aussprache gibt.
Wir müssen alle damit leben, dass es in natürlichen Sprachen (gerade bei
den Fremdwörtern) keine schöne Regelmäßigkeit sondern mehrere
Überlieferungslinien und viele Ausnahmen und/oder Varianten gibt.
Und oft stellen wir das eben auch für Fälle fest, wo uns nur eine Variante
als vollkommen natürlich und logisch erscheint (wie mir das I-jon).
> Welche Variante in Gesangstexten häufiger ist, lässt sich wohl kaum seriös
> ermitteln, da man – wenn überhaupt – nur sehr wenige Belege finden wird.
> Wenn man an mögliche Benutzerschnittstellen zur Nutzung von
> Gesangstexttrennmustern denkt, wird es vermutlich einfacher sein, eine
> zusätzliche Trennstelle einzufügen als eine zu unterdrücken.
Wie kommst Du darauf? Ich finde die [Entf] oder [<-] Taste nicht so viel
schwerer zu erreichen als [-]. (Und Ansteuern kann ich die Stelle leichter,
wenn ein - da steht.)
> Dies spricht dafür, die Auszeichnung in Schwankungsfällen auf der
> geringeren Silbenzahl beruhen zu lassen, wenn man kein besseres
> Kriterium hat.
> > > Ungeachtet meiner persönlichen Präferenz würde ich für die Auszeichnung in
> > > der Wortliste einem verlässlichen Aussprachewörterbuch (Duden Bd. 6 oder
> > > entsprechender Wahrig-Band, aber nicht gerade Wiktionary) folgen.
> > Einverstanden (Nur hab ich diese WB nicht da, im
> > Rechtschreibduden (2006) steht nur "Io̲n").
> Ich auch nicht, aber über meine Bibliothek habe ich Online-Zugriff auf das
> »Deutsche Aussprachewörterbuch«. Bei Interesse kann ich dort gern einiges
> nachsehen.
Danke.
Für Fälle mit etablierten Varianten wäre auch noch die Alternativenschreibung
(I[·/]on) möglich.
Günter
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