[Trennmuster] Trennung lateinischer Wörter
Keno Wehr
keno.wehr at abgol.de
Mo Aug 27 17:02:56 CEST 2018
Am 27.08.2018 um 16:40 schrieb Werner LEMBERG:
>>>> [*] Ausnahme sind wohl lateinische Fremdwörter, wo ja die im
>>>> deutschen angewandten Trennregeln fast gar nichts mehr mit den
>>>> lateinischen Silben zu tun haben.
>> An welche Beispiele lateinischer Wörter denkst du da? Meiner Meinung
>> nach gibt es keine nennenswerten Diskrepanzen zwischen lateinischen
>> Silben und deutscher Fremdworttrennung.
> An das da:
>
> https://de.wikipedia.org/wiki/Lateinische_Wortteilung
>
> Ohne jetzt die Richtigkeit des Artikels zu kennen: die Trennungen
> schauen teilweise schon ganz anders aus.
>
O je, schon wieder dieser irreführende Wikipedia-Artikel. Dazu habe ich
mich kürzlich folgendermaßen geäußert:
Am 13.06.2018 um 23:47 schrieb Keno Wehr:
>
> Mit diesem Wikipedia-Artikel ist Vorsicht geboten. Zu Recht steht zu
> Beginn der Warnhinweis wegen unzureichender Belege. (Die am Ende
> angegebene »Lateinische Wortkunde« von Raab ist den hiesigen
> Bibliotheken leider nicht zu bekommen.)
> Auch wird in dem Artikel darauf hingewiesen, dass es einen Unterschied
> zwischen lateinischer Wortteilung und Silbentrennung gebe, ohne zu
> sagen, worin dieser liegt und was überhaupt die unterschiedliche
> Bedeutung der beiden Begriffe sein soll (vermutlich geht es um
> orthographische vs. Sprechsilbentrennung).
>
> Soweit ich es überblicken kann, gibt es für das Lateinische mindestens
> drei verschiedene Trennphilosophien. Mit aufsteigender Tendenz zur
> Konsonantenhäufung am Zeilenanfang sind dies:
>
> 1. Trennung nach den von modernen Altphilologen aufgestellten Regeln,
> die sich an (klassischen) lateinischen Lautgesetzen und Sprechsilben
> orientieren und durch die Worttrennung in antiken Inschriften
> weitgehend unterstützt werden. Hier bleiben bei Konsonantenclustern
> nur b/p/d/t/g/c + l/r zusammen, wie neulich von mir aus der Grammatik
> von Rubenbauer/Hofmann zitiert. Trennmuster nach diesen Regeln sind
> für TeX unter dem Namen »classiclatin« (Babel-Sprachoption
> »latin.classic«) verfügbar (funktionieren aber nicht in allen Fällen
> zuverlässig, wie mir scheinen will). Diese Regeln passen in meinen
> Augen am besten zu der im deutschen Sprachraum üblichen lateinischen
> Aussprache.
>
> 2. Trennung nach leicht modifizierten italienischen Trennregeln. Dies
> wird durch die in Italien und vielen weiteren Ländern übliche
> Aussprache des Lateins gerechtfertigt. Die Grundregel ist hier, dass
> alles auf die neue Zeile kommt, womit ein italienisches Wort beginnen
> kann. Über die unter 1 genannten Konsonantengruppen hinaus bleiben
> etwa »gn«, »st«, »str«, »sp«, »sc«, »scr« zusammen. Die
> TeX-Trennmuster hierzu haben den Namen »latin« (mit gleichlautender
> Babel-Sprachoption). Dazu existiert ein TUG-Boat-Artikel von C.
> Beccari (Jg. 13, 1992, S. 23).
>
> 3. Trennung nach griechischen Trennregeln. Dies entspricht dem, was
> der Wikipedia-Artikel »Lateinische Wortteilung« beschreibt. Hier
> bleiben weitere Konsontengruppen, beispielsweise »ct«, »gm« und »mn«,
> ungetrennt. Rubenbauer/Hofmann schreiben hierzu: »Dagegen weichen die
> römischen Nationalgrammatiker hiervon [d. h. von den unter 1 genannten
> Regeln] hauptsächlich in der Vorschrift ab, daß zur zweiten Silbe alle
> diejenigen Konsonantengruppen zu ziehen seien, die im Wortanlaut
> stehen können; die Regel beruht nicht auf lebendiger
> Sprachbeobachtung, sondern auf mechanischer Übertragung von Gesetzen
> der grch. Silbentrennung.« TeX-Trennmuster existieren für diese Regeln
> nicht. Sie kommen aber beispielsweise im Gotteslob für die Trennung
> lateinischer Gesangstexte zum Einsatz.
>
> Dies sollte deutlich machen, dass es im Lateinischen keine kanonische
> Silbentrennung gibt, auf die man sich bei der Fremdworttrennung
> berufen könnte. Ich vermute, dass § 112 und Vorgängerregelungen
> Kompromisslösungen sind, die sicherstellen, dass Fremdwörter aus den
> am stärksten relevanten Herkunftssprachen (Latein, Griechisch,
> Französisch) unter Anwendung einer überschaubaren Regel weitestgehend
> angemessen getrennt werden.
>
Wie ich eben erfuhr, gibt es ein neues Projekt zur lateinischen
Silbentrennung in liturgischen Texten. Die Regeln werden hier
beschrieben und sind zwischen den oben genannten Varianten 1 und 2
anzusiedeln:
https://github.com/gregorio-project/hyphen-la/blob/master/doc/phonetic-rules.md
Valete
Keno
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