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Stephan Hennig mailing_list at arcor.de
Di Dez 10 18:36:00 CET 2013


Am 08.12.2013 18:48, schrieb Jürgen Spitzmüller:
> Am Sonntag 08 Dezember 2013, 17:22:25 schrieb Stephan Hennig:
>
>> Hmm, verstand /sich/ so.  Aber ob die Schweizer ihn so verstanden, ist
>> eine andere Frage, über die ich gern offizielle Informationen hätte.
>> Ich kann mir allerdings auch vorstellen, dass es in der Schweiß gar
>> keine amtlichen Vorgaben zur Schreibung gab.
> 
> Die Schweizer haben sich den Beschlüssen der II. Orthographischen Konferenz 
> sofort angeschlossen und den Duden als Lehrwerk in den Schulen eingeführt. 

Gut.  Die 9. Auflage des Leipziger Dudens (1915) beginnt so (in
gebrochener Schrift, Auszeichnung im Original gesperrt):

  I. Zur Rechtschreibung
     In allen Stücken ist die Rechtschreibung befolgt, die auf Grund
  der Beschlüsse der Orthographischen Konferenz vom 17., 18. und 19.
  Juni 1901 in der »Neuen Bearbeitung« des amtlichen Regelbuchs für
  die deutsche Rechtschreibung angewandt und jetzt in Deutschland,
  Österreich und der Schweiz für alle Schulen und für den amtlichen
  Verkehr bindend ist.  Doch ist nicht mehr, wie in den früheren
  Auflagen, das vereinbarte amtliche Regelbuch^1 zugrunde gelegt
  worden, sondern es dienten die inzwischen erschienenen amtlichen
  Regelbücher und Wörterverzeichnisse mit einheitlicher Schreibung
  als Unterlage; und zwar steht im Text als /maßgebende/ Form immer
  nur die Schreibung der neuesten Bearbeitung des preußischen
  amtlichen Regelbuchs, die im Jahre 1914 erschienen ist.
  Abweichende^2 Schreibungen anderer amtlicher Regelbücher sind
  unter dem Text<Ende des Textkörpers />

  ^1 So nennen wir die /erste/, im Jahre 1902 erschienene preußische
  Ausgabe der »Regeln für die deutsche Rechtschreibung nebst
  Wörterverzeichnis«.
  ^2 /Abweichende/ Schreibungen einzelner Behörden [...] werden in
  diesem Buche als »behördlich« bezeichnet; [...] zuwiderlaufen, aber
  bei der zuständigen Behörde noch üblich.

  in Anmerkungen angegeben. [...]
     Die wichtigsten Punkte, in denen die neue einheitliche
  Rechtschreibung von der bis zum Jahre 1902 in Kraft gewesenen
  »Schulorthographie« und von der sogenannten »alten Orthographie«
  abweicht, sollen hier nebst einigen Ergänzungen angeführt werden.

Fraglich bleibt zunächst, ob die Regeln dieses Leipziger Dudens in genau
dieser Form in der Schweiz gültig waren.  Der Satz "Abweichende
Schreibungen anderer amtlicher Regelbücher ..." lässt eigene Schweizer
Regelbücher für möglich erscheinen.  Fußnote 2 scheint sich allerdings
nur auf sachfremde Behörden zu beziehen, die die amtlichen Regeln
lediglich noch nicht vollständig befolgen.

Der letzte Absatz wiederum lässt die Möglichkeit offen, dass der
Regelteil nicht vollständig ist und Schweizer Besonderheit ausgelassen
wurden.  Es findet sich im Duden nämlich nichts, was bezüglich der
S-Laute auf Schweizer Eigenarten eingeht.  (Ich habe nicht alle
Abschnitte aufmerksam nach Schweizer Regelungen durchsucht.)

Aufschluss darüber, ob dieser Leipziger Duden die in der Schweiz
gültigen Regeln wiedergibt, können wohl nur Schweizer Regelwerke aus der
damaligen Zeit geben.  Hat hier jemand die Möglichkeit, solche Werke in
die Hand zu nehmen?

Der Leipziger Duden von 1915 ist wie folgt gegliedert:

  Vorwort.
  Vorbemerkungen.
     I. Zur Rechtschreibung.
        ...
        Über die S-Laute.
        Zusammentreffen von drei gleichen Mitlauten.
        Über die Silbentrennung.
        ...
     II. Zur Sprachlehre.
     III. Die Satzzeichen.
     IV. Einzelvorschriften für den Schriftsatz.
  A
  B
  ...

Im Abschnitt "Über die S-Laute" findet sich die Regel, dass ss in
Großbuchstaben durch SZ zu ersetzten ist.  Im Abschnitt zur
Dreikonsonantenregel wird das s nicht erwähnt.  Erst in den Vorschriften
für den Schriftsatz heißt es:

  ßs, nicht ss.
     Wenn in einer /Antiquaschrift/ kein ß vorhanden ist, so ist statt
  dessen als /Notbehelf/ das ſs anzuwenden, z. B. Maſssachen.  Ist auch
  ſs nicht vorhanden, so bleibt nichts weiter übrig, als ss zu setzen,
  also Masssachen, /obwohl das mit der amtlichen Rechtschreibung
  durchaus unvereinbar ist/.  Gänzlich falsch dagegen wäre Massachen,
  denn die drei s sind gemäß der richtigen Schreibung (ßs) nur als
  /zwei/ Mitlaute aufzufassen, nicht als drei, von denen einer
  auszustoßen wäre.  Erst recht falsch wäre die Weglassung eines s in
  Wörtern wie Kongreßstadt, Reißschiene, in denen ß und die untrennbaren
  Buchstabenverbindungen st und sch zusammentreffen.  Es darf also
  /nicht/ Kongresstadt, Reisschiene gesetzt werden und nur im Notfalle
  Kongressstadt, Reissschiene.

Selbst wenn der Regelteil dieses Dudens vollständig in der Schweiz
Anwendung findet, bleibt noch die Möglichkeit, dass dies wiederum nicht
für die Vorschriften für den Schriftsatz gilt.  Und auch wenn diese so
in der Schweiz gelten sollten, ist nicht klar, warum ein Unterschied
gemacht wird zwischen Massachen (gänzlich falsch) und Kongresstadt (erst
recht falsch).  Ist Massachen vielleicht doch in der Schweiz tolerierbar?

Fragen über Fragen ...


> Dass der Duden in Deutschland ab 1954 dieses Quasi-Monopol bekam, hatte ja nur 
> damit zu tun, dass bereits eine Reform in Aussicht war und ein Bertelsmann-
> Lexikon (in Erwartung der Neuregelungen) publiziert wurde, das vom Duden 
> erheblich abwich. Man wollte einfach kurzzeitig Verwirrung verhindern und 
> hatte dabei schlicht nicht damit gerechnet, dass die Reform so lange dauert.

Interessant, das war mir nicht bekannt.  Immerhin fällt auf, dass in der
9. Auflage Regeln häufig mit "(Wörtlich aus dem preußischen
Regelbuche:)" beginnen.  (Welches möglicherweise Schweizer
Besonderheiten ausließ.)


> Varianten gab es ja trotzdem weiterhin genug (Leipziger und Mannheimer Duden, 
> Buchdruckerduden, auch verschiedene Dudenauflagen).

Die 9. Auflage des Leipziger Dudens war eine "Verschmelzung der achten
Auflage von Dudens »Orthographischem Wörterbuch« mit der zweiten Auflage
seiner »Rechtschreibung der Buchdruckereien deutscher Sprache«", welche
sich insbesondere im Anteil der verzeichneten Fremdwörter unterschieden.
 1954 war der "Buchdruckerduden" daher wohl nur noch aus praktischen
Gründen für den Satz von gebrochener Schrift von Interesse.


>> Es kann aber ein Hinweis darauf sein, dass der Duden vor 1996
>> eben nicht verbindlich für die Schweiz war.
> 
> Verbindlich wohl nicht (wie vemutlich auch nicht für die Österreicher).

Gab es denn damals andere amtliche Regelwerke in der Schweiz?


> Aber nach 1996 ist er es erst recht nicht (auch nicht für die
> Deutschen). Trotzdem zieht ihr ihn für die neue Rechtschreibung zu
> Rate?

Für die reformierte Rechtschreibung eher selten.  Und die Dokumentation
der "Hausorthographie" ist auch nicht als fest bzw. vollständig
anzusehen.  Zum Beispiel bieten ältere Regelwerke als der
"Einheitsduden" von 1991 eine viel bessere Orientierung bezüglich der
Schreibung von langem und rundem S.  Die Dokumentation kann noch in so
mancher Hinsicht verbessert werden.


> Jedenfalls wurde und wird der Duden (neben dem für den druckgraphischen 
> Bereich geschriebenen Buch von Heuer) auch in der Schweiz zurate gezogen, wenn 
> es um die Rechtschreibung geht (wer schaut schon in die Amtlichen Regelungen?)

Steht denn in irgend welchen Schweizer Regelwerken etwas

  1. zur Schreibung und Trennung von ß bzw. ss,

  2. zur Anwendung der Dreikonsonantenregel auf das s?

Viele Grüße,
Stephan Hennig



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