[contraste.netz-bb] 30.04., 18h: KollegInnen aus Griechenland berichten

Elisabeth Voss post at elisabeth-voss.de
Mi Apr 24 11:34:20 CEST 2013


Widerstand gegen die Diktate der Troika
KollegInnen aus Griechenland berichten

Dienstag, 30. April 2013, 18 Uhr
in der ver.di-Bundesverwaltung
Paula-Thiede-Ufer 10 · 10179 Berlin · (Ostbahnhof )
Es laden ein: Real Democracy Now! Berlin/GR · ver.di Berlin
Brandenburg, FB Gesundheit, soziale Dienste, Wohlfahrt und
Kirchen · Arbeitskreis Internationalismus in der IG Metall
Berlin · Forum Betrieb, Gewerkschaft und soziale Bewegungen
Berlin · Griechland-Solidaritätskomitee Berlin
Unterstützt von der Stiftung Menschenwürde und Arbeitswelt

Auf dem Podium berichten und diskutieren:
Yannis Stathas, Vorsitzender der Betriebsgewerkschaft
des Aluminiumwerkes „Aluminium of Greece“ in Agios
Nikolaos und der einzige Abgeordnete aus der Arbeiterschaft
im griechischen Parlament (SYRIZA)

Makis Anagnostou, Vorsitzender der Arbeitergewerkschaft
des selbstverwalteten Betriebes
Viomichaniki Metaleftiki aus Thessaloniki

Babis Agrolabaos, Journalist der selbst verwalteten
Redakteurszeitung in Griechenland

Eurydike Bersi, Journalistin in der Auslandsredaktion
der Tageszeitung Kathimerini

Nikos Kalogiros, gewerkschaftlich aktiver Grundschullehrer
aus Athen

Theodoros Zdoukos, Polyxeni Andreadou und
Eva Babalona, aktiv in der solidarischen Gesundheitspraxis
in Thessaloniki

Christos Giovanopoulos, Netzwerk von prekären und
unbeschäftigten Arbeitern, Athen

Moderation: Rolf Becker

„Wir werden Wege finden, die parlamentarische Mitbestimmung
so zu gestalten, dass sie trotzdem auch marktkonform
ist.“ (Angela Merkel) Die Ergebnisse der
„marktkonformen Demokratie“ können wir in Griechenland
besichtigen: Das Sozialgefüge wurde zerstört,
die Löhne halbiert, Tarife abgeschafft und den Gewerkschaften
mit Hilfe von Notstandsgestzen das Streikrecht
genommen. Verhältnisse wie wir sie bisher nur aus
Ländern der „Dritten Welt“ kannten, haben in Griechenland
Einzug gehalten. Die Spardiktate der Troika
folgen dem Muster der „Strukturanpassungsmaßnahmen“,
die bereits in den 80er Jahren die Schuldnerländer
aus Afrika, Asien und Lateinamerika an den Rand
des Abgrunds geführt haben.

Durch die dritte Sparrunde – vom IWF, der EU-Kommission
und der EZB diktiert – nimmt die Verelendung
breiter Bevölkerungskreise weiter massiv zu. Dagegen
wehren sich die Menschen. Fast täglich kommt es zu
Demonstrationen, Blockaden und Streiks. Die Regierung
reagiert mit einer Verschärfung der Repression. Die
freie Berichterstattung wird eingeschränkt, die Übergriffe
der Polizei nehmen zu, langjährig besetzte Häuser
und soziale Zentren werden geräumt.

Den Streik der Metro-Beschäftigten beendete die
Regierung mit Hilfe von Notstandsgesetzen. Der
Arbeitskampf wurde verboten und die Metro-Beschäftigten
zwangsverpflichtet. Bei Zuwiderhandlung drohen
nicht nur die Entlassung, sondern bis zu fünf Jahren
Haft. Die Busfahrer in Athen und die Seeleute wurden
ebenfalls zwangsverpflichtet. Damit konnten deren
Streiks zunächst unterbunden werden. Nachdem in den
letzten drei Jahren das Arbeits- und Tarifrecht de facto
beseitigt wurde, soll den arbeitenden Menschen und
ihren Gewerkschaften das noch verbliebene Streikrecht
genommen werden.
Gewerkschaftliche Grundrechte und demokratische
Freiheiten müssen weichen, wenn die Abwälzung der
Krisenlasten auf die breite Bevölkerungsmehrheit zum
staatlichen Ziel wird. Bei diesen Regierungsmaßnahmen
zur Unterdrückung des Widerstandes drängen sich
Parallelen auf zum Ende der Weimarer Republik.
Zugleich wächst angesichts von Verelendung und
autoritärer Formierung der Einfluss der faschistischen
„Goldenen Morgenröte“. Ihre paramilitärischen Schlägertrupps
können auf die mehr oder weniger offene
Unterstützung durch Sondereinheiten der Polizei bauen.
Im gewerkschaftlichen Widerstand gegen die Spardiktate
in Griechenland geht es längst nicht mehr nur um die
Verteidigung von Löhnen und sozialen Standards. Die
Grundfragen der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung
sind unmittelbar berührt. Die Marktwirtschaft hat sich
ihrer sozialen Sicherungssysteme entledigt. An die Stelle
der Mitwirkung und Integration der lohnabhängigen
Bevölkerung und ihrer Gewerkschaften bei der Ausgestaltung
der „sozialen Marktwirtschaft“ ist der rücksichtslose
Klassenkampf von oben getreten. Dem fiel
nicht nur das soziale Gefüge Griechenlands zum Opfer.
Die Anwendung von Notstandsgesetzen zur Verhinderung
von Arbeitskämpfen stellt die Existenz unabhängiger
Gewerkschaften selbst in Frage.

Wir wollen uns aus erster Hand informieren und die
Frage erörtern, wie wir unsere giechischen Kolleginnen
und Kollegen unterstützen können. Es gilt hierzulande
das Bewußtsein zu schärfen, wie rasch die vermeintlich
sicheren Sozialsysteme zerstört werden können. Ein
Erfolg der Schocktherapie im Versuchslabor Griechenland
würde zur Blaupause für die marktkonforme
Umgestaltung weiterer EU-Mitgiedsländer. Genug
Gründe, den Angriffen der Troika unsere gemeinsame
Solidarität entgegenzusetzen.

Der Widerstand in Griechenland ist bunt und
vielfältig.
Er umfasst betriebliche Gewerkschaftsorganisationen,
besetzte und selbstverwaltete Betriebe, sowie soziale
Selbsthilfeinitiativen in den einzelnen Regionen und
Städten Griechenlands. Diese organisieren Suppenküchen
und Lebensmittelverteilungen für bedürftige
Familien. Sie bieten eine unentgeltliche medizinische
Grundversorgung für alle Menschen, gleich welcher
Herkunft, die vom Gesundheitssystem ausgeschlossen
sind.

-- 
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https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/solioeko
Radiosendung "Geld oder Leben" zu Solidarischer Ökonomie in 
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