[Pirateninfo] (Freitag Nr. 06/2004): GEN-KAMPF IN SACHSEN-ANHALT

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Don Feb 5 23:17:36 CET 2004


Freitag 06 vom 30.01.2004
Stephan Schulz
Mund auf, Augen zu


GEN-KAMPF IN SACHSEN-ANHALT
Der Lobbyist Jens Katzek und der Ökologe Oliver Wendenkampf

Ein Gen-Keks gefällig? "Was iss´n das?" fragt die Rockerlady. "Ist 
lecker, greifen´se zu", antwortet Jens Katzek. Wie er da im Edelanzug 
in der Magdeburger Innenstadt steht, mit Schlips und Denkerbrille, 
könnte man meinen, er ist Versicherungsvertreter. Doch Jens Katzek  
ist Lobbyist für den Anbau genveränderter Pflanzen. In dem 
Bastkörbchen, das er in seiner rechten Hand hält, liegen Plätzchen - 
gebacken aus genmanipuliertem Mais.
Katzek spricht lieber von "genveredeltem Mais". Er verteilt die 
Plätzchen  an Passanten. Basisarbeit nennt das der 40-Jährige. Er 
will den Leuten die Angst nehmen - frei nach dem Motto, wer einmal 
Genfood gegessen hat und nicht gleich tot umgefallen ist, wird immer 
wieder Genfood essen. 

Wenn doch einmal das Unwort "Langzeit-Risiko" fällt, das die  Gentech 
Industrie gar nicht gern hört, beruhigt Jens Katzek: "Ehe ein 
genverändertes Lebensmittel in Europa auf den Markt kommt, prüfen 50 
Behörden dessen Sicherheit." Doch ist das eine Garantie? "Sicher", 
sagt Katzek. Zumindest sei weltweit kein Fall bekannt, dass je ein 
Mensch durch ein genverändertes Nahrungsmittel zu Schaden gekommen 
ist. Katzek, sonst eher der ruhige Typ, kommt in Fahrt. Seine Stimme 
gewinnt an Schärfe, sein Gesicht wird seltsam rot. Er scheint sich zu 
ärgern, spricht von selbsternannten Verbraucherschützern, die 
hierzulande die Weiterentwicklung der Pflanzengentechnik blockierten. 
Er meint die Umweltverbände, die Ökobauern und vermutlich auch das 
grüne Verbraucherschutzministerium in Berlin: "Die bevormunden die 
Verbraucher. Jeder sollte selbst entscheiden dürfen, was er essen 
will." Die Rockerlady neben Katzek entscheidet sich für einen Genkeks 
aus dem Bastkörbchen. "Schmeckt gar nicht schlecht", sagt sie - 
grinst und verschwindet in den  Straßen Magdeburgs. Sie hat nicht mal 
gefragt, was für Gene in Katzeks Keksen stecken. 

Sollte jemand mehr wissen wollen, wäre der Lobbyist um eine Antwort   
nicht verlegen. Fall nötig, würde Katzek darauf hinweisen, dass in 
seinem Werbegeschenk Proteinreste des Bacillus thuringiensis  
enthalten sind, eines für Fraßinsekten giftigen Proteins, das aber 
für Menschen völlig ungefährlich sei. Wie zum Beweis hätte er den 
ökologischen Landbau angeführt. Denn dort wird das Bakterium seit 80 
Jahren als biologisch abbaubares Pflanzenschutzmittel verwendet. 
"Nein, das glaub ich nicht", hätte der Passant ihm dann geantwortet, 
um dann, nach Katzeks entschiedenem "doch, doch", vielleicht 
einzusehen: "Wenn selbst die Ökos mit diesem - wie heißt der doch 
gleich - Bacillus thuringiensis arbeiten, dann kann ich ja gleich  
Genfood essen." "Genau", hätte Katzek gerufen und zufrieden 
gelächelt. Stolz wäre er gewesen, einen Genskeptiker zum Genfood-
Esser bekehrt zu haben. 

Für Jens Katzek wäre ein solches Gespräch der Idealfall. In   
Wirklichkeit beißt er sich als Gentechnik-Missionar die Zähne aus. 
Die Phalanx  der Gentechnikgegner steht. "Was der Jens da erzählt, 
stimmt einfach  nicht", sagt Oliver Wendenkampf, der für den BUND in 
Sachsen-Anhalt das  Zepter hochhält. Dass ist die Umweltorganisation, 
die auf ihrer  Internetseite warnt: "Die Risiken von Gen-Food sind 
nicht abzusehen." Der Mann mit der grünen Allwetterjacke und den 
schwarz getönten Haaren glaubt ein  chlagendes Argument gegen Katzeks 
Bacillus-thuringiensis-Theorie zu haben: "Im ökologischen Landbau 
wird das Bakterium von außen auf die Pflanze aufgebracht. Wenn nun 
beispielsweise Kartoffelkäfer das Bakterium fressen, setzt es im Darm 
 der Tiere ein tödliches Toxin frei. Die Schädlinge sterben, die 
Pflanze aber gedeiht weiter. Bis zur Ernte sind die Reste des 
Bakteriums biologisch abgebaut. Bei der Gentechnik aber serviere ich 
ihnen das, was ich vorher dem Kartoffelkäfer serviert habe - ein 
Toxin, das durch Gentechnik in die Pflanze eingebaut wurde. Und das 
ist ein gravierender Unterschied zum Ökolandbau." Das leuchtet ein. 

Doch Jens Katzek hält dagegen. Die BT-Proteine seien harmlos für   
Menschen und nützliche Insekten, sagt er. Oliver Wendenkampf 
widerspricht:  "Der Stoff steht im Verdacht, Allergien auszulösen." 
Argument und Gegenargument jagen einander. Für Katzek ist die 
Gentechnik ein Heilsbringer, der Krankheiten heilen und den 
Welthunger stillen könnte, für Wendenkamp hingegen ist die Gentechnik 
eine teuflische Erfindung, die Menschen krank und Großkonzerne reich 
machen werde. 

Katzek und Wendenkampf sind sich nicht grün. Dabei waren sie einst  
Weggefährten. Wendenkampf lernte Katzek kennen, als der noch  
überzeugter Gentechnik-Gegner beim BUND war und seine Brötchen als  
wissenschaftlicher Mitarbeiter von Edelgard Bulmahn (SPD) verdiente, 
die damals noch Bundestagsabgeordnete war und seit 1998 
Bundesforschungsministerin ist. Wendenkampf profitierte vom 
Fachwissen des promovierten Biochemikers Katzek. Beide kämpften für 
die gleichen Ziele. Sie hätten Freunde werden können. Doch dann 
wechselte Katzek das Lager, ging zur "Industrievereinigung 
Biotechnologie". Für Wendenkampf, der Katzek konsequent duzt, gibt es 
keinen Zweifel: "Der Jens hat sich von der Industrie kaufen lassen." 
Natürlich hat Katzek eine ganz andere Erklärung parat: "Ich bin 
gegangen, weil ich mit dem Fundamentalismus der Umweltschützer nichts 
mehr anfangen kann. Das Geld war es jedenfalls nicht. Ich hätte 
Staatssekretär werden können, da hätte ich weitaus mehr verdient." 

Den Entschluss, das Lager zu wechseln, fasste Katzek Mitte der   
neunziger Jahre, kurz nachdem er genetisch veränderte Enzyme in 
Waschmitteln als ökologische Errungenschaft gepriesen hatte, weil man 
mit ihnen angeblich nicht mehr so heiß waschen muss. Katzeks Äußerung 
kam bei seinen  Ökofreunden gar nicht gut an. Es kam zum Eklat. Die 
Industrie stellte Katzek  daraufhin mit Kusshand ein. Seit einem Jahr 
ist er nun Geschäftsführer der BIO-Mitteldeutschland GmbH, die von 
Firmen wie Hexal, Sungene und Bayer finanziert wird und die für 
Sachsen-Anhalts CDU/ FDP-Landesregierung eine Biotechnologieoffensive 
inszeniert. Was, wenn man an die Kekse denkt, zunächst wie eine PR-
Aktion mit "biologischen Waffen" aussieht, ist in Wirklichkeit ein 
millionenschweres Förderprogramm für Bio-Tech Firmen. Die Regierenden 
des wirtschaftlich schwachen Bundeslandes wollen die Branche in den 
nächsten fünf Jahren mit 150 Millionen Euro fördern. Sachsen-Anhalt 
soll zum Vorzeigeland für Biotechnologieprodukte werden, mit einem 
national wie international erstklassigen Ruf. Und Jens Katzek bastelt 
maßgeblich mit an diesem Ruf. Derzeit plant er seinen größten Coup. 
Im  Schulterschluss mit der Landesregierung und sechs Großkonzernen, 
darunter BASF und Bayer, will er das erste Mal in Deutschland 
großflächig Genmais anbauen - auf den fruchtbaren Böden der Altmark 
und der Magdeburger Börde.


"Wir haben die Genehmigung für 1.000 Hektar", sagt Katzek, als er mit 
 einem schwarzen Aktenkoffer in der Hand den Raum der 
Landespressekonferenz im Magdeburger Landtag betritt. Er ist als 
Zuschauer gekommen, nicht als Redner. Vorn im Podium sitzen die 
Gegner - Oliver Wendenkampf vom BUND, Carsten Niemann, der Sachsen 
Anhalts Ökobauern vertritt, und Maria Wagner, 
Globalisierungskritikerin von Attac. Die 22-jährige Studentin 
beginnt: "Ich bin hier, weil ich gegen Gen-Food bin. Ich will kein 
Dracula-Essen." Oliver Wendenkampf gibt das Motto aus: "Bleib mir vom 
Acker - kein Genfood in Sachsen-Anhalt." Und der Ökobauer Carsten 
Niemann sagt: "Wir haben die Mauer, die Deutschland teilte, 
eingerissen, weil sie ein Irrtum der Geschichte war. Wenn wir uns bei 
der Gentechnik irren, gibt es kein Zurück mehr." Er meint die Schäden 
für Mensch und Natur, die entstehen, wenn die Technik auf die Felder 
kommt und langfristig versagt. Sie alle fordern einen Stopp des 
Genmais-Projektes in Sachsen-Anhalt. Sogar einen Volksentscheid regen 
sie an. 

Der Bauer Carsten Niemann beschwört die Gefahren für den   
Ökolandbau, der in  Sachsen-Anhalt noch ganz am Anfang steht: "Wenn 
genmanipulierte Pollen auf unsere Felder fliegen, wäre das der Tod 
für unsere Betriebe." Er verweist auf das Beispiel Kanada, wo 
Langnese den Ökobauern keinen Honig mehr abkaufe, weil die Landwirte 
dort gentechnisch veränderte Sojabohnen und Maiskolben ernten. Seine 
Forderung: "Für Verdienstausfälle der Ökobauern und gesundheitliche 
Langzeitschäden müssen die Produzenten des Gen-Saatgutes haften, aber 
auch die Landwirte, die ein solches Saatgut in den Verkehr bringen  
nd die Biotechnologiefirmen, die in diesem Bereich forschen." Niemann 
hofft, dass im neuen Gentechnik-Gesetz der Bundesregierung die 
Haftungsfrage klar geregelt ist. 

Jens Katzek hört aufmerksam zu, macht sich Notizen und wird   
hellhörig, als Maria, die Studentin, meint, 80 Prozent der Deutschen 
lehnten Gen-Food ab. Als Quelle führt sie das Emnid-Institut an. Die 
anwesenden Journalisten notieren die Zahl in ihre Notizbücher. Später 
wird Jens Katzek eine Studie des Allensbach-Instituts in die 
Redaktionen faxen, das eine zunehmende  Akzeptanz genveränderter 
Lebensmittel festgestellt habe. Das ist effektive Lobbyarbeit, Katzek 
 kennt sein Handwerk. Manchmal allerdings hat er kein glückliches 
Händchen. Sein Genmais-Projekt machte er bekannt, ohne die 
Bauernverbände im Land hinreichend darüber zu informieren. Voreilig 
erklärte er: "Die sind mit im Boot." Tatsächlich reagierten die 
Bauernverbände mit Empörung. In eilig verfassten Pressemitteilungen 
äußerten sie "große Sorge" über die Initiative der Landesregierung 
und der beteiligten Unternehmen. 

Und dann ist da noch Katzeks Ton, der ihn angreifbar macht: Er wirft  
den Umweltverbänden Dogmatismus und Demagogie vor, spricht von einer 
Ökodiktatur, die Deutschland kaputt mache. Als er jüngst von Heike 
Moldenhauer, Gentechnikexpertin beim BUND, gefragt wurde, wo genau 
die Felder seien, auf denen der so genannte transgene BT-Mais 
angebaut werden soll, habe Katzek ihr unterstellt, sie wolle das nur 
wissen, um die Pflanzen wieder rauszurupfen. Katzek verteufele alle 
anderen als Ideologen und merke nicht, dass er oft selbst zum 
Ideologen werde, sagen die Weggefährten von einst. Oliver 
Wendenkampf, der Mann mit dem BUND-Marienkäfer am Revers, freut sich 
jedenfalls, wenn Katzek als Elefant im Porzellanladen daherkommt. 
Dass Jens die Bauern gegen sich hat, weil er sie zu spät informierte, 
war wirklich nett von ihm", sagt Wendenkampf. Denn ohne die Bauern 
werde die Gen-Tech-Lobby in Sachsen-Anhalt langfristig keinen Erfolg 
haben.