[Pirateninfo] Erfüllungsgehilfe I.Kober (EPA)/sz-Inerview

Martin Sundermann Martin.Sundermann at ruhr-uni-bochum.de
Die Mai 20 18:55:01 CEST 2003


SZ-Gespräch mit Ingo Kober 

Patentamt weist Gen-Kritik zurück 

Behördenchef gibt Verantwortung für Patente an Politik weiter / Wettlauf
um Rechte an Erbgut 

Von Markus Balser 
  
München – Das Europäische Patentamt (EPA) weist die Kritik an seiner
Praxis zurück, Patente auf Gensequenzen, ganze Pflanzen, Tiere und sogar
Felder zu erteilen. Die Verantwortung für die Patentierbarkeit von
Teilen der Natur liege nicht in seiner Behörde, sondern in den Vorgaben
der Politik, sagt Ingo Kober, Präsident des Europäischen Patentamtes. 

 
Kober weist den Vorwurf von Umweltschützern entschieden zurück, seine
Behörde lote mit einer liberalen Patentpolitik die Grenzen des ethisch
Machbaren aus. „Wir müssen nach dem Recht handeln, das uns die Politik
vorgibt. Und die Europäische Biopatentrichtlinie, auf deren Grundlage
wir arbeiten, erlaubt auch Patente auf Gensequenzen von Pflanzen oder
Tieren“, sagte Kober der Süddeutschen Zeitung. „Einem Patentprüfer lässt
die Richtlinie insofern keinen Ermessensspielraum.“ 

Das Europäische Patentamt sah sich wegen der Erteilung von Patenten auf
Soja- und Maispflanzen zuletzt heftiger öffentlicher Kritik ausgesetzt.
Beide Patente wurden inzwischen in Teilen widerrufen, nachdem
Umweltschützer, Entwicklungshilfeorganisation und Regierungen von
Entwicklungsländern Einspruch eingelegt hatten. Sie fürchten, dass
Unternehmen künftig Lizenzgebühren von Bauern für den Anbau von Saatgut
verlangen und damit der Landwirtschaft in der Dritten Welt schaden
könnten. 
 
Taktische Erfindungen 
 
Fehlentscheidungen in Einzelfällen räumt der EPA-Chef allerdings ein. So
hätte das inzwischen widerrufene „Edinburgh-Patent“ auf die Züchtung und
Verwendung embryonaler Stammzellen nicht erteilt werden dürfen. Die
Patentbehörde sei nicht fehlerlos, sagte Kober. Der Widerruf sei jedoch
keine Grundsatzentscheidung über die Patentierbarkeit embryonaler
Stammzellen. „Die Frage wird derzeit noch intensiv diskutiert und es
sieht so aus, als würde man sie in absehbarer Zeit nicht abschließend
beantworten können. Vielleicht wird man unter diese Diskussion nie einen
Schlussstrich ziehen können“, erklärt Kober. 
 
Strategische Überlegungen spielen bei Patentanträgen eine immer größere
Rolle. „Wirklich bahnbrechende Erfindungen sind rar geworden.“
Unternehmen versuchten, sich immer häufiger mit umfassenden
Patentansprüchen vor der Konkurrenz zu schützen. „In den letzten
Jahrzehnten haben taktische Patente deutlich zugenommen.“ Der EPA-Chef
spricht sich deshalb für eine neue Diskussion um den Umfang des Rechts
am geistigen Eigentum aus: „Die Frage zu stellen, wie weit der
Patentschutz reichen darf, ist sinnvoll. Patente dürfen die
Erfindungsfreude nicht erschweren.“ 
 
Dass die Behörde bereits erteilte Patente in zahlreichen Fällen
nachträglich einschränken musste, sieht Kober nicht als eine Schwäche
des Prüfverfahrens. Gerade der Widerruf von Entscheidungen beweise, dass
das Patentamt über einen ausgefeilten Mechanismus zur Fehlerkorrektur
verfüge. Zudem gewährten Patente lediglich den Schutz am geistigen
Eigentum, nicht aber eine Erlaubnis zur Anwendung einer neuen
Technologie. Darüber müssten die nationalen Gesetzgeber entscheiden.
„Unsere Aufgabe ist es, auf der Grundlage gesetzlicher Vorschriften
Einzelfälle auf ihre Patentierbarkeit hin zu prüfen. Ob das Ergebnis dem
Präsidenten oder der Öffentlichkeit gefällt, spielt dabei keine Rolle.“
Das Patentamt könne einen Antrag nur dann ablehnen, wenn die Anwendung
einer Erfindung erkennbar gegen die guten Sitten verstoße, sagt Kober. 
 
In seinem letzten Amtsjahr – die Amtszeit Kobers endet mit dem
Jahreswechsel – räumt der EPA-Chef der Beschleunigung der Arbeitsabläufe
hohe Priorität ein. Zwar hätten die Mitarbeiter mit der hohen Zahl der
Patentanmeldungen zu kämpfen. Allein im vergangenen Jahr seien 160000
Anträge eingegangen und 47500 Patente erteilt worden. „Wir werden die
Bearbeitungsdauer dennoch deutlich reduzieren.“ Bis zum Jahr 2007 soll
sie von derzeit vier bis fünf auf drei Jahre sinken, kündigt Kober an. 
 
Allerdings liege das Kernproblem nicht in der Länge des Prüfverfahrens.
Schon jetzt verspreche ein Programm, dass eine Patentanmeldung innerhalb
von 18 Monaten bearbeitet werde. Aber nur fünf Prozent der Anmelder
machten davon auch Gebrauch, erklärte Kober. Offenbar seien Unternehmen
nicht immer an einer raschen Patenterteilung interessiert. Oft reiche
ihnen bereits der durch ein laufendes Verfahren gewährte Schutz aus. 
  
http://www.sueddeutsche.de/sz/wirtschaft/red-artikel6443/

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