[Pirateninfo] Fw: Biopiraterie: Brasilien (FR)

Matthias Bauer matthias.bauer@dnr.de
Thu, 12 Sep 2002 19:29:56 +0200


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Gesendet: Donnerstag, 12. September 2002 09:33
Betreff: Biopiraterie: Brasilien (FR)


Frankfurter Rundschau
Dienstag, 03. September 2002, Nr. 204
Seite 7, Rundschau
Wer Blumen pflückt, wird Gewinne ernten
Rein pflanzlich, doch oft nicht gut verträglich: Das Geschäft mit Brasiliens
Bioreserven
Von Wolfgang Kunath

Was Mike Kovach vor einigen Wochen bei einer Autofahrt im Norden Perus
entdeckte, machte ihn fast sprachlos: "Es hat mich einfach umgehauen. So ein
tolles Ding! Mir blieb der Mund offen stehen", erinnert sich der
Blumenzüchter aus Virginia, als ihm eine Indianerfamilie am Straßenrand eine
Blume anbot, wie Kovach sie noch nie gesehen hatte.
Die magenta- und purpurfarbene Einzigartigkeit, die er den Einheimischen für
6,50 Dollar abkaufte, trägt inzwischen den Namen "Phragmipedium kovachii"
und
gilt als die spektakulärste Orchideen-Entdeckung der letzten hundert Jahre.
Kurze Zeit nach Kovachs Schnäppchen war der Hang, an dem hunderte dieser
Blumen wuchsen, bis auf den letzten Halm abgegrast, und amerikanischen
Orchideenzüchtern wurde die floristische Neuheit unter der Hand angeboten,
für 5000 Dollar pro Stück.
Der vergleichsweise lächerliche Kaufpreis, der illegale Export in die USA,
die hektische wissenschaftliche Beschreibung und eigenwillige Benennung, die
hohen Gewinnerwartungen - Phragmipedium kovachii ist ein typischer Fall von
Biopiraterie. Obwohl vor zehn Jahren auf dem Umweltgipfel von Rio de Janeiro
ein Abkommen über die biologische Vielfalt verabschiedet wurde, das nicht
nur
Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Biodiversität, sondern auch die
gerechte Verteilung der Gewinne aus der Verwertung zum Ziel hat, ist
Biopiraterie nach wie vor gängige Praxis.
Schon dem deutschen Gelehrten Alexander von Humboldt schlug Misstrauen
entgegen, als er vor zwei Jahrhunderten aufbrach, um in der brasilianischen
Flora zu forschen. Schließlich haben sich nicht draufgängerische Waldläufer,
sondern renommierte Wissenschaftler und angesehene Kolonialbeamte am
folgenreichsten als Freibeuter des Dschungels betätigt.
Wie beispielsweise Sir Clements Markham und Robert Cross, die nach langen
Studien befanden, der südamerikanische Kautschuk-Baum Hevea brasiliensis
eigne sich hervorragend für den Plantagenanbau in Südostasien. Die
Verpflanzung brachte daraufhin den brasilianischen Kautschukboom binnen
kürzester Zeit zum Erliegen.
Heute sind es oft findige Anwälte, die im Auftrag von Pharma- und
Biotechnikfirmen bestimmte Wirkstoffe und deren kodierende Gene patentieren
lassen und damit eine exklusive Nutzung beanspruchen - mitunter sogar von
Substanzen, die seit Menschengedenken von den Einheimischen gebraucht
werden.
Vor allem die USA sind berüchtigt dafür. Das Biodiversitäts-Abkommen wurde
bislang von 175 Staaten unterzeichnet, die Vereinigten Staaten gehören nicht
dazu.
Das Marktpotenzial, das die Bioreserven der Erde darstellen, lässt sich
seriös kaum berechnen. Aber unter den Bestsellern der Pharinaindustrie
finden
sich genug frappierende Beispiele dafür, wie sich mit der Natur das große
Geld machen lässt. Das Produkt "Captopril" und seine Derivate etwa: Das
Mittel gegen Bluthochdruck, das weltweit jährlich bis zu fünf Milliarden
Dollar einbringt, basiert auf dem Gift der brasilianischen Schlangenart
Bothrops jararaca.
Von den Pflanzen des tropischen Regenwaldes gilt knapp jede dritte als
medizinisch verwertbar. Wie, das wissen oft nur die Einheimischen, doch wie
deren Kenntnisse gerecht zu honorieren wären, ist unklar.
Seriöse Unternehmen haben ein Interesse daran, den Zugang zu Gen-Ressourcen
zu regeln und angemessen zu bezahlen; niemand mag sich schließlich als
Biopirat brandmarken lassen. Auf der jüngsten Vertragsstaaten-konferenz des
Biodiversitäts-Abkommens in Den Haag wurden entsprechende Verfahren
beschlossen; danach muss ein Unternehmen die Behörden des jeweiligen Landes
genau über das Vorhaben informieren und sich mit ihnen über den finanziellen
Ausgleich einigen: Das können Gewinnbeteiligungen sein, aber auch
Entwicklungshilfeprojekte sind denkbar.
Voraussetzung dafür sei, dass Brasilien und die anderen Amazonas-Anrainer
den
interessierten Firmen Ansprechpartner mit Kompetenz in Wissenschaft und
Management anbieten können, sagt der deutsche Professor Thomas Mitschein,
der
sich im brasilianischen Belém mit nachhaltigen Nutzungsmöglichkeiten im
Amazonasbecken beschäftigt.
Als Schritt in die richtige Richtung bezeichnet Mitschein die Gründung des
Bioamazonica - ein Institut, das die Zusammenarbeit von Wirtschaft,
Wissenschaft und Verwaltung bei der nachhaltigen Nutzung der natürlichen
Ressourcen Amazoniens vorantreiben soll. Dieser Tage nimmt es in Manaus,
derr
Hauptstadt des Bundesstaates Amazonas, einen neugebauten biotechnologischen
Laboratoriumskomplex in Gebrauch.

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