[Pirateninfo] Gegen Biopiraterie in Namibia (Hoodia)

Silke Pohl sipohl@yahoo.com
Tue Oct 29 12:33:47 2002


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http://www.oneworldweb.de/tdh/presse/jb2002_namibia.html

Das Wissen der San - Namibia: Wie Kulturen aufeinander treffen

Von Ulrich Tietze
terre des hommes-Koordinator für das südliche Afrika


Die alte Qoama kennt sich mit den wilden Früchten der Kalahari aus.
Dass ihre Enkelkinder gerne die Morama-Nüsse essen, die sie im
April von den gedrungenen buschigen Bäumen pflücken, macht sie
sehr zufrieden. Sie weiß, dass diese Nüsse nicht nur eine
Abwechslung auf dem Speiseplan ihrer Familie sind, sondern eine
wichtige Ergänzung zu dem eher eintönigen Maisbrei bedeuten, der
heute normalerweise ihre Kinder und Enkel satt macht.

Dass diese Nuss reich an Vitaminen ist, weiß sie nicht. Ein Wort für
Vitamin gibt es in ihrer Ju|’hoan- Sprache - einer von vielen
Sprachen der San-Gruppen im südlichen Afrika - nicht. Auch ihre
Nachbarn, die Naro sprechen, und auch die !Kung können mit
diesem Begriff aus den Wissenschaften des Nordens wenig
anfangen.

Überleben in der Kalahari

Qoama lebte mit ihrem Mann Gamnqoa lange in der Wüste.
Wasser, das sie nach morgendlichem Tau-Nebel fanden, füllten sie
in Straußeneier, die sie dort vergruben, wo Gamnqoa mit den
anderen Männern auf Jagd ging. Nahrung konnten sie auf ihren
langen Treibjagden nicht zu sich nehmen. Die bis zu 40 Stunden
dauernden Hetzjagden, in denen sie die großen Kudu-Antilopen bis
zur Erschöpfung trieben, ließen ihnen keine Zeit dazu. »Der Große
Tanz« nannten sie diese Hetzjagden. Hier wurde der Jäger eins mit
dem Kudu, er versetzte sich in das Kudu, ahnte seine Wege voraus
und erlegte es zuletzt aus kurzer Distanz mit seinem Speer. Die
getrockneten Fleischstreifen der Beute waren dann für viele Wochen
die Proteingabe, die die Menschen am Leben hielten. Aushalten
konnten sie die Strapazen in der Kalahari, indem sie während der
Jagd auf Stücken des Hoodia-Kaktus kauten, einer gurkengroßen
Pflanze, die das Hunger- und Durstgefühl unterdrückte.

Buschmann-Folklore statt Anerkennung

Die San - früher auch Buschmänner genannt - wissen wie kein
anderes Volk Afrikas in den unwirtlichsten Gegenden dieses
Kontinents zu überleben. Viele meinen deswegen - manchmal in
romantischer Verklärung nach dem »edlen Wilden« Ausschau
haltend -, dass die San schon immer als ihr eigener Souverän in den
Wüsten gelebt hätten und hierfür ideal ausgestattet seien. Aber das
Leben in der Wüste ist ein Überleben in den Refugien, in die sie die
schwarzen Bantu-Stämme schon vor hunderten von Jahren
vertrieben haben, als diese aus dem zentralen Afrika kommend den
Süden des Kontinents besiedelten.

Kleiner im Körperbau, mit einer eher gelblichen Haut, lassen sich die
San leicht von den dunklen und groß gewachsenen Bantus
unterscheiden. Welche Bedeutung die San hatten, zeigt sich auch
daran, dass sich die typischen Klicklaute ihrer Sprache - im Zeitalter
der Computertastatur mit vor- oder nachgestellten Sonderzeichen
wie !, | , ’ oder ¶ dargestellt - auch in heute weit verbreiteten
afrikanischen Sprachen wie der der !Xhosa wiederfinden.

Auch wenn das Bild des frei in der Wüste jagenden Buschmanns in
den Brosch?ren der Namibia- und Botswana-Touristen gerne weiter
kolportiert wird - es ist anders um die San bestellt: Die freien
Flächen, die sie zum Jagen und zum Auffinden der Feldfrüchte
brauchen, werden immer mehr reduziert; ehemalige San-Gebiete
gehören weißen Farmern oder wurden in Gemeinschaftsland
(»Communal Land«) umgewandelt, welches überwiegend von
Schwarzen bewohnt wird.

In Botswana wurden große Gebiete zu Safari-Parks umdeklariert,
die hohe Einnahmen versprechen. Die Ethno-Touristen stoßen an
den Bars der schicken Lodgen auf das Pflanzenwissen der San mit
industriell gefertigtem »Kahlahari Liquor« aus der Wüstenmelone an.
Die San haben sich vielfach mit diesem Tourismus arrangiert, auch
wenn es nur die Brocken vom Tisch der Reichen sind, die beim
Verkauf von Schmuck aus Straußeneiern und dem Vorführen ihrer
traditionellen Tänze für sie abfallen.

Harter Überlebenskampf: Gemüsebeet mitten in der Wüste
Foto: Steve Felton
Pflanzenwissen für Diät-Wahn

Nun hat die westliche Pharmaindustrie den Hoodia-Kaktus entdeckt:
Im April letzten Jahres verkündete die kleine Firma Phythopharm,
dass sie sich unter dem Codenamen P57 die Patentrechte eines
Appetitzüglers, basierend auf einem afrikanischen Kaktus, gesichert
hat: eine mögliche Wunderdroge für alle, die ohne Nebenwirkung
dünner werden wollen. Phythopharm hatte die Rechte vom
»Südafrikanischen Rat für Wissenschafts- und Industrieforschung«
(CSIR) gekauft. Die Presse feierte die Droge schon als
»Schlankheitstraum« und die Pharmaindustrie prognostizierte eine
Revolutionierung des sieben Milliarden Euro schweren Diätmarktes.
Kein Wunder also, dass der amerikanische Pharmagigant Pfizer,
erfolgreich bereits mit der Lifestyle-Droge Viagra, kurz darauf die
Rechte an P57 für 17 Millionen Euro erwarb und sich sofort an die
klinische Prüfung machte. Sehr bald stellte sich aber heraus, dass
die Firmen ganz offensichtlich in keiner Weise an die !Kung gedacht
hatten, auf deren Wissen ihre Entdeckung basierte.

Die San fühlten sich betrogen: »100.000 San, die in Südafrika,
Namibia, Botswana und Angola leben, sind empört«, sagte Roger
Chenells, Anwalt der San in dieser Sache. »Es ist, als ob ihnen
jemand das Familiensilber gestohlen hätte und es jetzt mit riesigem
Gewinn verkauft. Sie haben nichts dagegen, dass ihr Wissen zur
Herstellung von Medikamenten genutzt wird, aber man hätte zuerst
mit ihnen darüber reden müssen.« Richard Dixey, der
Geschäftsführer von Phythopharm, beteuerte treuherzig: »Ich hatte
wirklich geglaubt, sie wären längst alle ausgestorben.«

Erfolg im Kampf gegen Biopiraterie

Jetzt hat sich ein erster Erfolg eingestellt: Nachdem Roger Chenells
angekündigt hatte, den amerikanischen Multi Pfizer wegen
Biopiraterie zu verklagen, lenkten die Pharma-Unternehmen ein: Im
März 2002 einigte man sich auf eine Beteiligung der San an den zu
erwartenden Einnahmen. Zum ersten Mal gelang es, eine
internationale Firma daran zu hindern, sich das Wissen über lokale
Pflanzen anzueignen und damit ungestraft zu verschwinden.

Ob Qoamas Enkel tatsächlich etwas von diesem Erfolg haben
werden, hängt auch von dem terre des hommes-Partner WIMSA,
der »Arbeitsgruppe für einheimische Minderheiten im südlichen
Afrika«, ab. Farmprojekte sind geplant, vielleicht auch die
großflächige Kultivierung des Hoodia-Kaktus. An den Details wird
noch emsig gearbeitet.

Unterdessen geht es für WIMSA aber auch weiter darum, die
Rechte der San zu verteidigen: Erst kürzlich half WIMSA den !Kung,
sich gegen die Verlegung des Flüchtlingslagers Osire in ihr
traditionelles Siedlungsgebiet zu wehren. Und in den Siedlungen
Sonneblom und Donkerboos wird nach Wasser gebohrt, um den
dort lebenden San-Gruppen der Naro und Ju|’hoansi durch
Viehhaltung ein Überleben ohne ihre traditionellen Jagdgründe zu
ermöglichen. Joram |Useb, stellvertretender Direktor von WIMSA im
namibischen Windhoek, beklagt: »Nur ein kleiner Bruchteil der
38.000 San in Namibia hat wirklich Zugang zum Land ihrer
Vorfahren.« Es ist eine Frage des Überlebens für die San, sich auch
auf neue Lebensformen einzustellen.


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