[Pirateninfo] Artikel aus der Frankfurter Rundschau zu geistigem Eigentum

Silke Pohl sipohl@yahoo.com
Thu Nov 7 10:18:27 2002


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Ein umfassendes Patentsystem nützt den armen Ländern wenig 


Die bisherige Praxis zum Schutz des geistigen Eigentums kommt häufig nur dem reichen Norden zugute /Aus dem Kommissionsbericht der britischen Regierung 

Derzeit berät die Bundesregierung den Gesetzentwurf für ein "Urheberrecht in der Informationsgesellschaft". Er ist stark umstritten. Denn Kritiker sehen darin eine einseitige Förderung der IT-Industrie und fürchten die Plünderung der globalen informationellen Umwelt. Darüber wird auch am 8. November auf einer Tagung der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin diskutiert. Neuer Zündstoff hat eine von der britischen Regierung eingesetzte Experten-Kommission gebracht, die im September 2002 ihren Bericht vorlegte. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die ärmsten Länder ihre Entwicklungsbedürfnisse besser ohne strenge Urheber- und Patentsysteme befriedigen können. Wir dokumentieren das Papier gekürzt. Die Langfassung ist auf der Website der Heinrich-Böll-Stiftung www.wissensgesellschaft.org zu finden.


1. Überblick 


In den Entwicklungszielen für das Jahrtausend kommen der Bekämpfung von Armut und Hunger, den Verbesserungen auf dem Gebiet der Gesundheit und Bildung und der Sicherung von Nachhaltigkeit in der Umwelt eine wichtige Bedeutung zu. Unter Berufung darauf hat sich die internationale Gemeinschaft dazu bekannt, die Zahl der in Armut lebenden Menschen bis zum Jahr 2015 um die Hälfte zu verringern. 1999 lebten etwa 1,2 Milliarden Menschen von weniger als einem Dollar pro Tag und fast 2,8 Milliarden Menschen hatten weniger als zwei Dollar am Tag zur Verfügung. Ungefähr 90 Prozent der Menschen lebten in Süd- oder Ostasien oder in Sub-Sahara Afrika. HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria fordern in diesen Ländern jedes Jahr Millionen Menschenleben. Mehr als 120 Millionen Kinder im Grundschulalter haben keine Chance auf Bildung. (. . .)

Einige Stimmen, ganz besonders aus Wirtschaft und Politik in den Industrieländern, behaupten nachdrücklich, geistige Eigentumsrechte trügen dazu bei, wirtschaftliches Wachstum anzuregen und die Armut zu verringern. Sie sagen, es gäbe keinen Grund dafür, nicht davon auszugehen, dass das, was in den Industrieländern ausgezeichnet funktioniere, sich nicht genauso auf die Entwicklungsländern auswirken könne. Andere Stimmen, vor allem aus Entwicklungsländern und NGO behaupten genauso nachdrücklich das Gegenteil. Geistige Eigentumsrechte können kaum etwas dazu beitragen, Erfindungen in den Entwicklungsländern anzukurbeln, weil Voraussetzungen wie menschliches und technisches Kapital nicht gegeben seien. Darüber hinaus steigern sie die Kosten für dringend notwendige Medikamente und landwirtschaftliche Produktionsfaktoren, so dass gerade Arme und Bauern besonders davon betroffen sind.

Das Niveau, der Spielraum, die territoriale Ausdehnung und die Rolle des geistigen Eigentumsschutzes haben sich in den vergangenen 20 Jahren in beispielloser Geschwindigkeit verändert und erweitert. Genetisches Material ist in großer Zahl patentiert worden. Geistige Eigentumsrechte sind verändert oder neu geschaffen worden, um neue Technologien, vor allem im Bereich der Bio- und Informationstechnologie, abzudecken. Im öffentlichen Sektor produzierte Technologien werden routinemäßig patentiert. Durch das Abkommen zum Schutz handelsrelevanter geistiger Eigentumsrechte der Welthandelsorganisation (WTO) (Trips-Abkommen) sind Mindeststandards für den geistigen Eigentumsschutz weltweit durchgesetzt worden. In der WIPO (Weltorganisation für geistiges Eigentum) finden fortlaufend Gespräche über eine stärkere Harmonisierung des Patentsystems statt, das an die Stelle des Trips-Abkommens treten könnte. Darüber hinaus enthalten bilaterale oder regionale Handels- und Investitionsabkommen 
 zwischen Industrie- und Entwicklungsländern häufig ein gegenseitiges Bekenntnis zur Umsetzung von Regelungen im Bereich des geistigen Eigentums, die über die im Trips-Abkommen festgehaltenen Mindeststandards hinausgehen. Auf diese Weise wird auf die Entwicklungsländer nachhaltig Druck ausgeübt, ihre eigenen Schutzstandards für geistiges Eigentum zu erhöhen und sich dabei am Niveau der Industrieländer zu orientieren.

Die Mechanismen der Systeme des geistigen Eigentumsrechts rufen selbst in den Industrieländern echte Bedenken hervor. Die Zahl der Patentanmeldungen hat in den letzten Jahren sehr stark zugenommen. Auch entsteht immer mehr der Eindruck, dass viele Patente von minderer Qualität und sehr breitem Umfang eingereicht werden. 

Den Unternehmen können bedeutende finanzielle Kosten und Zeitverluste dadurch entstehen, dass festgestellt werden muss, wie bzw. ob Forschung möglich ist, ohne dabei die Patentrechte anderer Unternehmen zu verletzen oder weil die eigenen Patentrechte gegenüber anderen Unternehmen geschützt werden müssen. Daher stellt sich die Frage, ob die enormen Prozesskosten im Bereich der Patente ein notwendiger Preis sind, der für die Anreize, die das Patentsystem bietet, gezahlt werden muss oder ob es Wege gibt, diese Kosten zu senken. Wie wirkt sich diese starke Zunahme von Patenten auf Wettbewerb und Forschung aus?

Die Bedenken in den Industrieländern hinsichtlich der Auswirkungen des geistigen Eigentums in Industrieländern sind auch für die Entwicklungsländer von Bedeutung. Beim Entwurf ihres eigenen Systems können die Entwicklungsländer auf die Erfahrungen der Industrieländer zurückgreifen. Darüber hinaus hatte das System des geistigen Eigentums in den Industrieländern bereits früher direkte Auswirkungen auf die Entwicklungsländer. Beschränkte Zugangsmöglichkeiten zu Material oder Daten im Internet können jeden betreffen. 

Die Regeln und Bestimmungen im Bereich des geistigen Eigentums können die Forschung an wichtigen Krankheiten oder neuen Nutzpflanzen erschweren und so Auswirkungen auf die Entwicklungsländer haben, obwohl die Forschung eigentlich in den Industrieländern stattfindet. Die Entwicklungsländer könnten nicht angemessen von der Vermarktung ihres Wissens und ihrer genetischen Ressourcen profitieren, wenn diese in den Industrieländern patentiert werden.

Die Hauptaufgabe der Kommission bestand darin herauszufinden, inwiefern die Regeln und Institutionen für den Schutz des geistigen Eigentums in ihrer heutigen Form zur Entwicklung und Verringerungen der Armut in den Entwicklungsländern beitragen können. Wir sind der Meinung, dass ein gewisses Maß an geistigem Eigentumsrechtsschutz zu einem bestimmten Zeitpunkt sinnvoll für die Entwicklungsländer ist. Dieses System bietet Anreize für die Erfindung und Entwicklung neuer Technologien, die der Gesellschaft zugute kommen können.

Allerdings wirken sich die Anreize je nach Art des entstehenden Folgebedarfs unterschiedlich aus. Sie verursachen Kosten für Konsumenten und andere Nutzer der geschützten Technologien. Die Gewichtung von Kosten und Nutzen wird unterschiedlich ausfallen und hängt davon ab, wie die Rechte jeweils angewendet werden und wie die wirtschaftlichen und sozialen Umstände des Landes, in dem sie angewendet werden, beschaffen sind. 

Die Standards für den Schutz geistigen Eigentums, die für Industrieländer geeignet sind, könnten in den Entwicklungsländern mehr Kosten als Nutzen verursachen, da diese, um ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen und die Entwicklung zu fördern, zu einem großen Teil von Wissen, das an einem anderen Ort geschaffen wurde, abhängig sind.

Obwohl die meisten Entwicklungsländer keine starke technologische Basis haben, verfügen sie über genetische Ressourcen und traditionelles Wissen, die von Wert für sie und die gesamte Welt sind. Hieraus ergibt sich eine weitere Schlüsselfrage. Ist das moderne geistige Eigentumssystem geeignet, diese Wissensressourcen zu schützen und dafür zu sorgen, dass von ihrem Nutzen alle gleichermaßen profitieren? Dem stehen die enormen Möglichkeiten für die Entwicklungsländer gegenüber, über das Internet Zugang zu Informationen auf dem Gebiet der Wissenschaft und Forschung zu bekommen, da ihr Zugriff auf traditionelle Medien auf Grund fehlender Finanzmittel sehr begrenzt ist. Allerdings könnte es sich paradoxerweise so verhalten, dass sich der Zugang zu diesem Material durch verschlüsselte Präsentationsformen und Regelungen zum geistigen Eigentum schwieriger als der Zugang zu gedrucktem Material zum gegenwärtigen Zeitpunkt gestalten könnte.

Es muss ebenfalls berücksichtigt werden, welche Art von Rechten durch den geistigen Eigentumsschutz verliehen wird. Die Übertragung von geistigen Eigentumsrechten ist ein Instrument der staatlichen Politik, das so beschaffen sein sollte, dass der Nutzen für die Gesellschaft (wie beispielsweise durch die Erfindung eines neuen Medikaments oder einer Technologie) nicht geringer sein darf als die der Gesellschaft entstehenden Kosten (wie beispielsweise höhere Kosten für ein Medikament oder durch Anwendung des Systems für geistigen Eigentumsschutz entstehende Kosten). 

Allerdings ist das geistige Eigentumsrecht ein privates Recht, so dass sich Kosten und Nutzen auf verschiedene gesellschaftliche Gruppen verteilen. Am zutreffendsten lässt sich das Recht zum Schutz des geistigen Eigentums als Mittel beschreiben, mit dessen Hilfe Staaten und Gesellschaften dazu beitragen können, die Umsetzung der wirtschaftlichen und sozialen Menschenrechte voranzubringen. Vor allem sind keine Umstände denkbar, unter denen die grundlegenden Menschenrechte den Anforderungen für den Schutz der geistigen Eigentumsrechte untergeordnet werden sollten. 

Die geistigen Eigentumsrechte werden von Staaten für einen begrenzten Zeitraum verliehen (zumindest in Bezug auf Patente und Urheberrechte), während Menschenrechte unveräußerlich und universell sind. Meistens werden geistige Eigentumsrechte heutzutage grundsätzlich wie Wirtschafts- und Handelsrechte behandelt, wie im Fall des Trips-Abkommens und liegen meistens bei Unternehmen und nicht bei einzelnen Erfindern. Aber die Tatsache, dass sie als Rechte beschrieben werden, sollte nicht über die wirklichen Schwierigkeiten hinwegtäuschen, die durch ihre Anwendung in den Entwicklungsländern entstehen, wo die zusätzlich entstehenden Kosten zu Lasten der Armen und ihrer lebensnotwendigen Bedürfnisse gehen.

Wir sind der Auffassung, dass politische Entscheidungsträger das verfügbare Faktenmaterial, so unvollständig es auch sein mag, berücksichtigen müssen, bevor sie die geistigen Eigentumsrechte weiter ausbauen. Allzu häufig bestimmen die Interessen des "Produzenten" die Entwicklung einer geistigen Eigentumspolitik, während die Interessen des Endkonsumenten weder gehört noch berücksichtigt werden. In den Diskussionen über geistige Eigentumsrechte zwischen Industrie- und Entwicklungsländern existiert ein vergleichbares Ungleichgewicht. Entwicklungsländer verhandeln aus einer eher schwachen Position heraus. Das Problem besteht darin, dass sie "Zweite" sind in einer Welt, die von den "Ersten" geprägt wurde. Es geht nun darum, dass sie, genau wie die Industrieländer in der Vergangenheit, ihr geistiges Eigentumssystem so gestalten, dass es ihren wirtschaftlichen, sozialen und technologischen Bedingungen optimal angepasst wird. (. . .) 
2. Geistiges Eigentum und Entwicklung 


(. . .) Auf Grund der Tatsache, dass Entwicklungsländer große Nettoimporteure von Technologie aus den Industrieländern sind, legt das aktuelle Faktenmaterial den Schluss nahe, dass die Globalisierung des geistigen Eigentumsschutzes zu einem bedeutenden zusätzlichen Nettotransfer aus den Entwicklungs- in die Industrieländer führen wird. Der Nutzen für die Entwicklungsländer aus dem geistigen Eigentumsschutz müsste aus einer ausgleichenden dynamischen Belebung des Handels, der technologischen Entwicklung, der Investitionen und des Wachstums kommen. (. . .)

Das Trips-Abkommen hat den weltweiten Schutz für die Hersteller von Technologie gestärkt, ohne jedoch die verschiedenen Ansätze einer Wettbewerbspolitik weltweit als Gegengewicht zu stärken. Daher wäre es nicht sinnvoll, sich allein auf das Trips-Abkommen als einem wichtigen Instrument für die Erleichterung von Technologietransfer zu konzentrieren. Es sollte eine breiter gefasste Agenda verfolgt werden, wie dies gegenwärtig innerhalb der WTO gehandhabt wird. Die Industrieländer sollten ihre Politik zur Belebung des Technologietransfers ernsthaft überdenken. Sie sollten darüber hinaus effektivere Forschung und die Zusammenarbeit mit und zwischen den Entwicklungsländern fördern, um damit ihre wissenschaftlichen und technologischen Kapazitäten zu stärken. In den Entwicklungsländern müsste eine effektive Wettbewerbspolitik durchgesetzt werden. (. . .) 
3. Gesundheit 


Zweifellos hätte die Wirtschaft ohne den Anreiz eines Patents nicht so viel in die Entdeckung und Entwicklung neuer Medikamente, von denen gegenwärtig viele sowohl in den Entwicklungs- als auch in den Industrieländern eingesetzt werden, investiert. Die Fakten weisen jedoch darauf hin, dass das System des geistigen Eigentums kaum eine Rolle für die Erforschung von Krankheiten spielt, die vor allem in den Entwicklungsländern auftreten, sieht man einmal von den Krankheiten (z. B. Diabetes oder Herzkrankheiten) ab, für die es auch einen bedeutenden Markt in den Industrieländern gibt. 

Es ist auch eher unwahrscheinlich, dass die Globalisierung des geistigen Eigentumsschutzes zu mehr Investitionen der privaten Wirtschaft in die Entwicklung von Behandlungsmöglichkeiten von Krankheiten, die in erster Linie die Entwicklungsländer betreffen, führen wird. Die gesammelten Fakten deuten auch darauf hin, dass der Patentschutz sich auf die Arzneimittelpreise auswirkt. In den Industrieländern führt der harte Wettbewerb auf dem Markt für Generika zu starken Preissenkungen, vor allem dann, wenn der Markt groß genug für eine ganze Reihe von Wettbewerbern im Bereich der Generika ist. Gäbe es in den Entwicklungsländern keine Patente, wären mehr Menschen in der Lage, sich die notwendigen Behandlungen leisten zu können. Wenn das Trips-Abkommen 2005 voll in Kraft tritt und gerade Länder wie Indien einen Patentschutz einführen müssen, wird der bestehende Wettbewerb zwischen den Herstellern von Generika zurückgehen. (. . .) 

Eine der im Bericht diskutierten Maßnahmen, mit deren Hilfe eine Verbilligung der Medikamente erreicht werden soll, besteht für die Staaten darin, den Mechanismus der so genannten Zwangslizenzen anzuwenden. Auf diese Weise erhalten die Staaten die Erlaubnis, die Herstellung von patentierten Arzneimitteln zu lizenzieren und an andere Hersteller zu vergeben, wenn es gewichtige Gründe dafür gibt, weil z. B. die Regierung der Auffassung ist, der Preis für ein Arzneimittel sei unverhältnismäßig hoch. Dies kann sich als Verhandlungsmittel in Preisverhandlungen mit Herstellern patentierter Arzneimittel ebenfalls als nützlich erweisen. (. . .) 

Das System des geistigen Eigentums kann dazu beitragen, unterschiedliche Preissysteme einzuführen, mit deren Hilfe die Preise für Arzneimittel in den Entwicklungsländern niedriger angesetzt werden und höhere Preise in den Industrieländern beibehalten werden könnten. Damit dieses differenzierende Preissystem funktionieren kann, muss dafür gesorgt werden, dass die Niedrigpreismedikamente nicht durch Schlupflöcher auf die Märkte der Industrieländer zurückgelangen. 
4. Landwirtschaft und genetische Ressourcen 


Die Kommission stellt fest, dass zwar die öffentlichen Mittel aus Industrieländern, die zur Finanzierung der für arme Bauern in den Entwicklungsländern relevanten Forschung bereitgestellt werden, stagnieren oder zurückgehen; das dynamische Element ist jedoch die Forschung im privaten Sektor, die vom Schutz des geistigen Eigentums und den Forderungen von Bauern in Industrieländern sowie den kommerziellen Sektoren einiger Entwicklungsländer unterstützt wird. Diese Kombination von Trends birgt die Gefahr in sich, dass die Forschungsprioritäten insgesamt immer weniger Relevanz für arme Bauern in Entwicklungsländern haben werden. (. . .) 

Während die geistigen Eigentumsrechte der Züchter - wie im Trips-Abkommen gefordert - in den letzten Jahren zunehmend gestärkt worden sind, ist in der Praxis wenig getan worden, um die Dienstleistungen von Bauern bei der Auswahl, der Entwicklung und dem Schutz ihrer traditionellen Arten anzuerkennen, die als Grundlage für moderne Zuchtverfahren dienen. (. . .) Wegen der Beschränkungen, die Patente der Verwendung von Samen durch Bauern und Forscher auferlegen können, sollten Entwicklungsländer im Allgemeinen keinen Patentschutz für Pflanzen und Tiere - wie unter dem Trips-Abkommen erlaubt - gewähren. (. . .) 
5. Traditionelles Wissen, Zugangs- und Gewinnaufteilung und geographische Angaben 


Es gibt eine Reihe von Gründen für den Schutz und die Förderung traditionellen Wissens. Hierzu gehören die Erosion traditioneller Lebensweisen und Kulturen durch Druck von außen, widerrechtliche Aneignung, der Erhalt der Artenvielfalt und die Förderung ihrer Verwendung für Entwicklungszwecke. Einige wollen traditionelles Wissen bewahren und vor kommerzieller Ausbeutung schützen. (. . .) 
6. Urheberrecht, Software und das Internet 


Es gibt Beispiele von Entwicklungsländern, die vom Urheberschutz profitiert haben. Die indische Software- und Filmindustrie sind ein gutes Beispiel. Es ist jedoch schwer, weitere Beispiele zu finden. Zwar gibt es in vielen Entwicklungsländern schon seit langem einen Urheberschutz; es hat sich aber herausgestellt, dass dies nicht ausreicht, um ein Wachstum urheberrechtlich geschützter Wirtschaftszweige herbeizuführen. Da die meisten Entwicklungsländer, besonders die kleineren, in hohem Maße Importeure von urheberrechtlich geschützten Materialien und die Hauptnutznießer dementsprechend ausländische Patenthalter sind, kann die Anwendung des Urheberschutzsystems diesen Ländern insgesamt mehr Kosten als Nutzen bringen. (. . .) 

In der Tat haben viele Arme in den Entwicklungsländern nur durch die Verwendung von unrechtmäßigen Kopien, die für einen Bruchteil des Preises des Originals erhältlich sind, Zugang zu bestimmten Werken. Eine unvermeidliche Auswirkung verstärkter Schutz- und Durchsetzungsmechanismen, die dem Trips-Abkommen zu Folge notwendig sind, wird deshalb darin bestehen, dass der Zugang zu wissensbezogenen Erzeugnissen in den Entwicklungsländern reduziert wird, was möglicherweise schädliche Folgen für Arme haben kann. Zum Beispiel sind die Kosten für Software ein großes Problem für Entwicklungsländer und der Grund für das hohe Maß an unrechtmäßiger Vervielfältigung. Das Urheberrecht kann auch eine Barriere für die Weiterentwicklung von Software sein, die speziell an den lokalen Bedarf und lokale Anforderungen angepasst ist.

Der Zugang zum Internet ist in Entwicklungsländern beschränkt, obwohl er in den meisten Ländern rasch zunimmt. Das Internet ist jedoch ein konkurrenzloses Mittel für den kostengünstigen Zugang zu Wissen und Information, das die Entwicklungsländer brauchen, weil ihr Zugang zu Büchern und Zeitschriften durch fehlende Ressourcen stark eingeschränkt ist. Aber die Anwendung von urheberrechtlichen Regelungen im Internet ist problematisch. Und historische Rechte auf "freie Nutzung" können durch verschiedene Formen technischer Schutzvorrichtungen, wie der Verschlüsselung, beschränkt werden, wodurch der Zugang sogar noch stärker eingeschränkt wird als durch das Urheberrecht. In den USA verbietet die jüngste Gesetzgebung (der Digital Millennium Copyright Act - DMCA) das Umgehen einer solchen technischen Schutzvorrichtung, sogar wenn der Zweck des Umgehens nicht gegen urheberrechtliche Gesetze verstößt. 

Die EU hat eine besondere Form des Schutzes von Datenbanken (die so genannte Datenbank-Richtlinie) eingeführt, die Investitionen in die Schaffung von Datenbanken belohnt und auch in Entwicklungsländern den Zugang zu Daten durch Wissenschaftler oder andere beschränken kann. Der WIPO-Urheberrechtsvertrag von 1996 enthält Elemente, die den Zugang von Entwicklungsländern zu Information beschränken können. (. . .) Entwicklungsländer sollten die Möglichkeit erhalten, in ihren staatlichen urheberrechtlichen Gesetzen weitreichende Ausnahmen für die Nutzung im Bildungs-, Forschungs- und Bibliothekswesen beizubehalten oder zu übernehmen. (. . .) 

Internetnutzern in Entwicklungsländern sollten Rechte auf freie Nutzung eingeräumt werden, beispielsweise das Recht, gedruckte Kopien von elektronischen Quellen in vertretbarer Zahl zu Ausbildungs- und Forschungszwecken zu erstellen und zu verbreiten und Abschnitte vertretbarer Länge in Kommentaren und Kritiken zu verwenden. In Fällen, in denen Herausgeber von digitalen Informationen oder Software versuchen, die Rechte auf freie Nutzung durch vertragliche Bestimmungen bezüglich der Verbreitung digitalen Materials einzuschränken, kann die relevante vertragliche Bestimmung als nichtig behandelt werden. (. . .) 
7. Patentreform 


Auf Grund der heterogenen Beschaffenheit von Entwicklungsländern, insbesondere in Bezug auf ihre technischen und wissenschaftlichen Möglichkeiten, müssen sie ein System des geistigen Eigentums auswählen, das ihrer Ansicht nach ihren Entwicklungszielen und ihrer wirtschaftlichen und sozialen Situation am besten gerecht wird. (. . .) Für die allermeisten Entwicklungsländer, insbesondere für jene mit niedrigem Einkommen, die hauptsächlich vom Import von Waren und Technologien abhängen, wäre vermutlich ein System am geeignetsten, das strenge Standards der Patentierbarkeit anwendet und dazu führt, dass weniger Patente die Kriterien für Patentierbarkeit erfüllen. Dies mag einem umfassenderen Schutzsystem vorzuziehen sein, das hauptsächlich ausländischen Patentinhabern nützen würde. Eine zweite Schutzstufe, die auf einer als "Gebrauchsmuster" bekannten Patentform basiert, die Schutz bei weniger strengen Patentierbarkeitskriterien bietet, könnte für die wirtschaftliche Situation in e
 inigen Entwicklungsländern geeigneter sein als das vollständige Patentsystem.
8. Institutionelle Kapazitäten 


Es ist kostspielig, ein System des geistigen Eigentums aufzubauen und zu unterhalten, und die Entwicklungsländer sollten keine Ressourcen aus dem ohnehin überstrapazierten Budget für Gesundheit und Bildung abzweigen, um die Verwaltung eines Systems der geistigen Eigentumsrechte zu finanzieren. Es scheint angebracht, dass die Kosten für die Verwaltung eines solchen Systems vorrangig von ausländischen Unternehmen im Rahmen einer angemessenen Gebührenstruktur getragen werden, da diese Unternehmen die Hauptnutznießer der Rechte an geistigem Eigentum in Entwicklungsländern sind.
9. 


Die internationale Architektur

Die Entwicklungsländer sind aufgefordert, die Schutzstandards des Trips-Abkommens bis zu einem nach eigenem Ermessen festgelegten Zeitpunkt zu übernehmen; den LDCs wurde eine Frist bis 2006 eingeräumt. Sich dieser Aufgabe zu stellen ist eine große Herausforderung und wird zu beträchtlichen Kosten führen, falls ein Regelwerk für geistiges Eigentum eingeführt werden sollte, das dem jeweiligen Entwicklungsstand nicht angemessen ist. Es gibt überzeugende Argumente dafür, den Entwicklungsländern selbst die Wahl des für sie am ehesten geeigneten Zeitrahmens zur Stärkung des geistigen Eigentumsschutzes zu überlassen. 

Übersetzt von: Susanne Hiller / Sebastian Krause (Akzént-Dolmetscherteam, Berlin) 

 

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Copyright © Frankfurter Rundschau 2002 
Dokument erstellt am 06.11.2002 um 21:09:03 Uhr
Erscheinungsdatum 06.11.2002 

 



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