[IMI-List] [0669] Spendenaufruf / IMI-Magazin (Dezember 2024): Atomwaffen / Analyse: Rüstungsindustriestrategie
IMI-JW
imi at imi-online.de
Di Dez 10 15:59:28 CET 2024
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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0669 – 27. Jahrgang
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Liebe Freundinnen und Freunde,
in dieser IMI-List finden sich
1.) ein Spendenaufruf zum Jahresende;
2.) die neue Ausgabe des IMI-Magazins mit dem – leider – sehr aktuellen
Thema Atomwaffen;
3.) die Auswertung der kürzlich vom Kabinett verabschiedeten
Rüstungsindustriestrategie.
1.) Spendenaufruf für die Unterstützung unserer Arbeit
Liebe Unterstützer*innen (oder die, die es noch werden wollen),
ein politisch sehr turbulentes und forderndes Jahr 2024 liegt so gut wie
hinter uns. Seien es die fortwährenden Kriege in der Ukraine oder in
Gaza, die tagtäglich Schlagzeilen produzieren, die Re-Militarisierung
von Bildung und Forschung, die neue Wehrpflicht, die geplante
Stationierung von Mittelstreckenwaffen oder auch der von der westlichen
Medienlandschaft eher wenig beachtete Krieg im Sudan: wir haben sie aus
einer antimilitaristischen Perspektive analysiert und haben so versucht
diese komplexen Diskurse mitzugestalten.
Damit wir auch im Jahr 2025 weiterhin als eine antimilitaristische
Servicestelle mit samt und sonders (bis auf manche Bücher) kostenlos
zugänglichen Inhalten im gewohnten Umfang weitermachen können, brauchen
wir EUCH! Wir sind ein gemeinnütziger Verein, der sich komplett aus
Spenden finanziert, die wir für Lohnkosten unseres Büroteams, die
technische Infrastruktur (PCs, Drucker, sonstige Hardware, Internet- und
Telefonkosten...), Büro- und Versandmaterial, Organisation des
alljährlichen IMI-Kongresses etc. benötigen.
Long story short: wenn ihr euer Geld vertrauenswürdig anlegen wollt,
anstatt mit einem ETF Sparplan aus Versehen in einen bewaffneten
Konflikt zu investieren, seid ihr bei der Informationsstelle
Militarisierung an der richtigen Adresse!
Antimilitarismus braucht Analysen! IMI braucht EUCH und Eure Spenden!
Bankdaten:
Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Spendenkonto:
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KSK Tübingen (BIC: SOLADES1TUB).
Besonders freuen wir uns natürlich über Mitglieder, die unsere Arbeit
dauerhaft unterstützen möchten, das geht zB online hier:
https://www.imi-online.de/mitglied-werden/
2.) Ausdruck (Dezember 2024): Schwerpunkt: Atomwaffen
Leider brandaktuell ist unser Schwerpunkt „Atomwaffen“ in der
Dezemberausgabe unseres Magazins AUSDRUCK. Die neue russische
Nukleardoktrin und die Pläne von Donald Trump sind ebenso problematisch
wie deutsche und europäische Atomwaffenträume, die wie vieles andere
mehr Thema in der soeben erschienenen Ausgabe sind.
Sie kann wie immer hier gratis heruntergeladen werden:
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck_119_Gesamt_neu.pdf
INHALTSANGABE
SCHWERPUNKT: ATOMWAFFEN
Atomwaffen
-- Editorial – Ben Müller
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck_119_01_Mueller.pdf
-- Von der Kernspaltung zur Atomkriegsgefahr – Ben Müller
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck_119_02_Mueller.pdf
-- Atomwaffen – Andreas Seifert
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck_119_03_Grafik.pdf
-- Frieden durch US-Atomwaffen? Trumps Nuklearpolitik – Regina Hagen
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck_119_04_Hagen.pdf
-- Atomkrieg durch konventionelle Waffen? – Jürgen Scheffran
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck_119_05_Scheffran.pdf
-- Ein neues europäisches Raketenzeitalter? – Claudia Haydt
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck_119_06_Haydt.pdf
-- Nukleare Teilhabe – Xanthe Hall
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck_119_07_Hall.pdf
-- Gefährliche Atomwaffenträume – Claudia Haydt
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck_119_08_Haydt.pdf
-- Vabanques Kalkül, Zur russischen Nukleardoktrin – Wolfgang Schwarz
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck_119_09_Schwarz.pdf
-- Atomkrieg aus Versehen? – Karl Hans Bläsius
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck_119_10_Blaesius.pdf
-- Langzeitfolgen von Atomwaffenexplosionen – Victoria Kropp
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck_119_11_Kropp_neu.pdf
-- Atomwaffenverbotsvertrag – Juliane Hauschulz und Aicha Kheinette
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck_119_12_Hauschulz_Kheinette.pdf
MAGAZIN
DEUTSCHLAND UND DIE BUNDESWEHR
-- Bereitschaft für „stärkeres Engagement“ in der Arktis – Ben Müller
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck_119_13_Mueller.pdf
-- Rostock und der Zwei-Plus-Vier-Vertrag – Bernhard Klaus
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck_119_14_Klaus.pdf
-- Drohnen im Deutschlandfunk – Christoph Marischka
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck_119_15_Marischka.pdf
-- „Blank“ dastehen und trotzdem überall mitmischen? – Christoph Marischka
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck_119_16_Marischka.pdf
RÜSTUNG
-- Duell der Panzerbauer: Rheinmetall vs. KMW – Jürgen Wagner
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck_119_17_Wagner.pdf
-- „Rheinmetall-Theater“? – Martin Kirsch
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck_119_18_Kirsch.pdf
-- Rüstung im Deutschland-Tempo – Jürgen Wagner
UKRAINE-KRIEG
-- Verhandlungen oder Eskalation? – Jürgen Wagner
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck_119_20_Wagner.pdf
AUSSTELLUNG
Antimilitarism – Illustrations from a Dialogue
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck_119_20_Ausstellung.pdf
3.) IMI-Analyse: Rüstungsindustriestrategie
Am 4. Dezember hat das Kabinett eine Nationale Sicherheits- und
Verteidigungsindustriestrategie verabschiedet. Sie deckt sich in weiten
Teilen mit einem Entwurf, der im Sommer an die Öffentlichkeit geraten
war und den wir bereits in IMI-Standpunkt 2024/20 ausführlich unter die
Lupe genommen haben. Allerdings geht er in einigen Teilen, besonders bei
den Finanzierungsaspekten auch noch einmal über den ohnehin schon
problematischen Entwurf hinaus.
IMI-Analyse 2024/52
Bürgergeld für Leistungsträger
Kabinett verabschiedet Nationale Sicherheits- und Verteidigungsstrategie
- Der Rüstungsindustrie werden Türen und Tore geöffnet
https://www.imi-online.de/2024/12/10/buergergeld-fuer-leistungstraeger/
Andreas Seifert und Jürgen Wagner (10. Dezember 2024)
Rüstung ist der neue Hoffnungsträger: SPD, die CDU sowieso, die Grünen
aus anderen Gründen und auch einige Gewerkschaften wollen in der
Rüstungsindustrie einen Garanten für „unseren“ Wohlstand sehen. Neben
der sich verkleinernden Autoindustrie eine weitere Branche, die eine für
ganz Deutschland gültige Wohlstandsblase erzeugen soll! Die Industrie
selbst sieht sich ohnedies als Garanten von fast allem: Wohlstand,
Freiheit, Demokratie usw.. Genauer besehen ist Rüstung dennoch vor allem
ein Garant für umfangreiche Profite. Der Rheinmetall Konzern, als
Beispiel, hat in seiner Sparte „Waffen und Munition“ 2023 einen
operativen Gewinn von 20 bis 22 % in Aussicht gestellt – und auch in
anderen Rüstungsbetrieben sieht es nicht viel anders aus. Rüstung ist so
vor allem ein Projekt der Umverteilung von Vermögen aus den Steuerkassen
in die Taschen von Aktionären. Aus der Sicht der Rüstungsindustrie
sollen diese Gewinne aber nicht nur punktuell, sondern dauerhaft fließen.
Ein anderes Beispiel illustriert die Umverteilung von Macht noch
deutlicher: Der Stadtrat von Troisdorf beschließt, sich gegen den Ausbau
einer im Zentrum der Stadt gelegenen Waffenfabrik zu stellen und von
seinem Vorkaufsrecht für ein Grundstück Gebrauch zu machen. Der
betroffene Diehl-Konzern, der am Standort ein Joint-Venture mit
Rheinmetall betreibt, interveniert und bestellt ein politisches Konzert
(in der Hauptrolle Agnes Strack-Zimmermann, als Souffleur und eifriger
Landesfürst Hendrik Wüst), das das Bedürfnis der Troisdorfer nicht in
Nachbarschaft einer Sprengstofffabrik zu leben, ins Lächerliche zieht.
Schlussendlich umgeht Diehl das Problem dieser Schildbürger dadurch,
dass es sich nicht das Grundstück, sondern dessen besitzende
Gesellschaft einverleibt und damit natürlich auch besagtes Grundstück,
das nun nicht mehr zum Verkauf steht: Ausbau gesichert. Dass die FAZ
diesen Deal als die Beilegung bzw. Lösung des Konflikts bezeichnet,
zeigt die Arroganz mit der Besitzende über die Bedürfnisse der Anwohner
hinweggehen.
Wer dies als Auswüchse – Ausrutscher? – in einer aufgeheizten Debatte
empfindet, der kann sich auf eine Zukunft einstellen, in der dies zur
Regel werden wird. Der ausscheidende Verteidigungsminister, den sich ja
auch Teile der Presse gern als Kanzlerkandidaten gewünscht hätten, hat
sich zuletzt nicht mit allen Wünschen im Haushalt durchsetzen können und
die 100 Mrd. des Sondervermögens sind schon längst verplant: Die
Bundeswehr lebt schon wieder weit über ihre Verhältnisse. Doch die
Perspektive eines durch gesteigerte Rüstung gesicherten Deutschlands
verfängt scheinbar so sehr, dass die nun vorgelegte „Nationale
Sicherheits- und Verteidigungsindustriestrategie“ Aussicht hat, trotz
allem umgesetzt zu werden.
Bereits Mitte August 2024 gelangte der Entwurf einer "Nationalen
Sicherheits- und Verteidigungsindustriestrategie" (NSVIS) ins Internet.
Schon daraus wurde ersichtlich, dass die Regierung plante, der
Rüstungsindustrie den roten Teppich auszurollen (siehe IMI-Standpunkt
2024/20). Daran hat sich auch in der am 4. Dezember 2024 vom Kabinett
nun endgültig verabschiedeten Fassung nichts geändert. Die geopolitische
Gemengelage erfordere eine starke heimische Industrie, die nur durch
eine Unterstützung der Exportaktivitäten (um hohe Produktionsmargen
sicherzustellen), den Abbau aller erdenklicher Hürden für das schnelle
Hochfahren der Produktion sowie den vereinfachten Zugang zu
Finanzmitteln zu haben sei, so die Kernbotschaft der neuen Strategie.
Das nun gemeinsam von Verteidigungs- und Wirtschaftsministerium
vorgelegte Dokument übernimmt alle schwierigen Teile des Entwurfs und
schafft es auch noch vor allem im Bereich der Rüstungsfinanzierung
allerlei problematische Aspekte hinzuzufügen.
Rüstungsexporte für Schlüsselindustrien
Wie schon im Entwurf und in den beiden Vorgängern aus den Jahren 2015
(siehe IMI-Standpunkt 2014/56) und 2020 (siehe IMI-Analyse 2020/06)
definiert die Strategie eine Reihe von Schlüsselindustrien, die gänzlich
(Militärische und sicherheitsrelevante IT- und
Kommunikationstechnologien, Künstliche Intelligenz, Marineschiffbau
(Über/Unterwasserplattformen), Behördenschiffbau, geschützte/gepanzerte
Fahrzeuge, Sensorik, Schutz, Elektromagnetischer Kampf) oder zu großen
Teilen (Quantentechnologien, Flugkörper und Flugkörperabwehr,
Raumfahrttechnologien, Munition, unbemannte Systeme) in nationalen
Händen verbleiben sollen.
Nur wenig verklausuliert wird in der Strategie hervorgehoben, dass
nationale Schlüsselindustrien ohne die Erschließung ausländischer Märkte
aufgrund zu geringer Absatzzahlen nicht überlebensfähig werden –
Rüstungsexporte werden dadurch in den Bereich eines wichtigen nationalen
Interesse verfrachtet: „Der nationale Markt als Absatzmarkt für
bestimmte Güter der deutschen SVI hat sich bislang als unzureichend
erwiesen, um die Wertschöpfungsketten (einschließlich Forschungs- und
Entwicklungsaktivitäten) auf Dauer zu erhalten und auszubauen.“ (NSVIS:
S. 6)
Man verfolge zwar weiter eine „restriktive Rüstungsexportpolitik“, bei
der die „Menschenrechte im Empfängerland“ eine Rolle spielen würden,
aber eben auch „die Bündnis- und Sicherheitsinteressen, die veränderte
geopolitische Lage und die Anforderungen einer verstärkten europäischen
Rüstungskooperation“, die „gleichermaßen Berücksichtigung finden“
müssten. „In diesem Rahmen unterstützen wir Exportaktivitäten von in
Deutschland ansässiger SVI [Sicherheits- und Verteidigungsindustrie] in
EU-, NATO- und NATO-gleichgestellte Länder sowie in ausgewählte
Partnerstaaten, leisten damit einen Beitrag zur Stärkung der
verteidigungsindustriellen Basis und setzen so eine verlässliche
Industriepolitik um.“ (NSVIS: S. 6)
Oder in die Praxis umformuliert: Wenn es der Entwicklung und dem
Kapazitätsaufbau in Deutschland oder Europa hilft, ist jeder Export
akzeptabel – zur Not müssen lästige „Kriterien“ so angepasst werden,
dass es möglich ist, strategisch und abseits moralischer oder ethischer
Bedenken zu exportieren. Die ökonomische Stabilität und gesicherten
Gewinne der Rüstungsunternehmen haben Vorrang vor anderen Bedenken.
Auch an anderer Stelle spielen die Schlüsselindustrien und –technologien
eine Rolle. Die „strikte Trennung zwischen anwendungsorientierter
ziviler und militärischer Forschung“ soll überwunden werden, weil dies
„Spill-over-Effekte verhindern und die Entstehung eines innovativen
gesamtstaatlichen Ökosystems hemmen“ würde (NSVIS: S. 7). Gesucht werde
ein „Gesamtansatz zur engeren Verzahnung von ziviler sowie sicherheits-
und verteidigungsbezogener Forschung und Entwicklung.“ (NSVIS: S. 10)
Weiter setze man sich für eine „ergebnisoffene Diskussion über die
Zivilklauseln ein, um breitere Forschung zu ermöglichen.“ (NSVIS: S. 10)
Hier wird zweierlei signalisiert: Einerseits verweist dies auf den
Willen, mehr staatliches Geld in die „sicherheitsrelevante Forschung“
stecken zu wollen und damit die bisherige z.B. über die Deutsche
Forschungsgemeinschaft (DFG) etablierte Praxis der „Selbstregulierung“
in der Forschungsagenda aufzukündigen und noch stärker darauf
hinzuwirken, zu welchen Themen eigentlich geforscht wird. Zum anderen
ist da aber auch das Signal, dass die „Verzahnung“ auch dazu führen
wird, dass Forschende schlussendlich auch immer bereit sein müssen, ihre
Ergebnisse mit Akteuren der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie zu
teilen, was einem empfindlichen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit
gleichkäme.
Abnahmegarantien und Erleichterungstatbestände
Wie ein roter Faden zieht sich durch die Strategie das Ziel, die
„Kapazitäten für die Produktion“ bei Bedarf auch „kurzfristig drastisch
erhöhen zu können.“ (NSVIS: S. 5) Hierfür seien die erforderlichen
„Kompetenzen und Kapazitäten aufzubauen“, als Motivation sollen die
Möglichkeiten für „Voraus Bestellungen für die Bundeswehr […] für die
nächsten zehn Jahre und darüber hinaus“ sowie für
„Kapazitätsvorhalteprämien“, ja selbst die Erstattung von
„Leerlaufkosten“ geprüft werden. „Weiterhin sollen feste Abnahmemengen
gegenüber der Industrie ermöglicht werden.“ (NSVIS: S. 11)
Außerdem gehe es darum, dem Fehlen von „angemessenen gesetzlichen
Ausnahme- und Erleichterungstatbeständen“ entgegenzuwirken, die „beim
Auf- und Ausbau von Produktionskapazitäten zu zeitlichen Verzögerungen“
führen würden. (NSVIS: S. 7) Worum es konkret geht, ist nicht benannt,
denkbar sind aber alle möglichen Regularien, von Umweltauflagen bis zum
Denkmalschutz, die hierüber abgeräumt werden könnten: „Die
Bundesregierung […] prüft Maßnahmen zum Abbau insbesondere von planungs-
und genehmigungsrechtlichen sowie bürokratischen Auflagen beim Auf- und
Ausbau von Produktions-, Lager- und Unterstützungskapazitäten.“ (NSVIS:
S. 11) Generell gehe es darum, regelmäßig „hemmende Regularien
identifizieren und bei Bedarf regulatorisch nachbessern“ zu wollen
(NSVIS: S. 11). Ferner müsse sichergestellt sein, dass die Industrie
„verlässlich auf (kritische) Rohstoffe“ zugreifen könne (NSVIS: S. 6).
Hierfür solle geprüft werden, ob „Sicherstellungs- und Vorsorgegesetze“
dementsprechend angepasst werden könnten, „um eine priorisierte
Belieferung der SVI auch im Krisenfall“ zu ermöglichen (NSVIS: S. 11).
Schließlich solle es der Bundesregierung in „strategischen Fällen“
möglich sein, sich „an Unternehmen der SVI zu beteiligen.“
Mit diesen Vorhaben werden langfristige Verbindlichkeiten aufgebaut, die
im aktuellen Haushalt nicht zu finanzieren sind und eine Bürde für
jedwede zukünftige Debatte darstellen werden. Entscheidend ist zudem,
dass der Aspekt einer effizienten Industrie, die angemessene Preise
erhebt, oder gar termingerecht liefert (betrachtet man die
Beschaffungsprojekte der letzten Jahrzehnte ist das eine Ausnahme)
keines Wortes würdig sind. Die Ineffizienz der deutschen
Rüstungsindustrie wird wie unter dem Deckmäntelchen der
Alternativlosigkeit überhaupt nicht erwähnt. Reale Probleme der
Vertragsgestaltung, die schon in der Vergangenheit dazu geführt haben,
dass die Rüstungsindustrie nahezu sich kontinuierlich steigernde und
nicht mehr nachvollziehbare Kostenrechnungen in den Haushalt geschrieben
haben, werden ignoriert und damit eine unheilvolle Praxis überteuerter
Rüstungsgüter quasi fortgeschrieben. Kapazitätsvorhalteprämien oder
Leerlaufkosten sind im Gesundheitswesen angemessen, in der Rüstung sind
dies schlichte Aktionärsprämien.
Während sich die oben zitierten Passagen recht weit mit dem Entwurf aus
dem August 2024 decken, gehen die Abschnitte zur Rüstungsfinanzierung
wie gesagt noch einmal darüber hinaus.
Nachhaltige Rüstung
Im Strategieentwurf vom Sommer 2024 signalisierte noch ein Platzhalter,
dass sich wesentliche Fragen über den Zugang der Rüstungsindustrie zu
Finanzmitteln als damals letzter Punkt noch in der Ressortabstimmung
befanden. Damals hieß es lediglich, es werde geprüft, „inwiefern das
deutsche Förderbankensystem zur Finanzierung der Sicherheits- und
Verteidigungsindustrie aktiviert werden kann.“
Nun ist explizit die Rede davon auszuloten, inwiefern die „Kreditanstalt
für Wiederaufbau“ eingespannt werden kann, auch der „Europäischen
Investitionsbank“ soll hier künftig eine Rolle zukommen. Außerdem solle
geprüft werden, „inwieweit Instrumente der Wirtschaftsförderung für
Unternehmen der SVI [Sicherheits- und Verteidigungsindustrie] geöffnet
werden können.“ (NVSIS: S. 12)
Ein besonderer Dorn im Auge der Rüstungsindustrie sind die
ESG-Nachhaltigkeitskriterien, die die Aspekte Umwelt, Soziales und
Unternehmensführung betreffen. Viele Fonds investieren nur, wenn
Unternehmen nach diesen Kriterien als nachhaltig eingestuft wurden – und
genau das soll künftig ausgerechnet mit der Rüstungsindustrie geschehen.
Im Entwurf wurde dazu „nur“ betont, „aus Sicht der Bundesregierung“
seien Aktivitäten der Rüstungsindustrie „kompatibel mit ESG-Kriterien“.
Diese Passagen wurden nun in der abschließend beschlossenen Fassung noch
einmal deutlich geschärft: „Die Bundesregierung […] unterstreicht, dass
der Zugang zur Finanzierung durch Banken und Kapitalmärkte
sichergestellt werden muss. Regulatorik zu Sustainable Finance schränkt
die Finanzierung der SVI nicht ein und darf keine Auswirkung auf die
Finanzierung haben. Die Verteidigungsindustrie leistet einen wichtigen
Beitrag zu Resilienz, Sicherheit und Frieden, selbstverständlich unter
Berücksichtigung völkerrechtlicher Grundsätze, Übereinkommen und
Verträge. In Bezug auf nachhaltige Geldanlagen heißt dies aus Sicht der
Bundesregierung zum Beispiel: Ein gemäß europäischer und deutscher
Regulierung nachhaltiger Fonds kann selbstverständlich auch in
Unternehmen der SVI investieren.“ (NSVIS: S. 13)
Dass insbesondere der ungehemmte Export von Waffen und
„Sicherheitstechnologien“ ins Ausland oftmals das Gegenteil von
Nachhaltigkeit erreicht, bleibt bei dieser Betrachtung auf der Strecke.
Auch die in der Strategie vorgesehenen umfangreichen Ausnahmen für die
„negativen ökologischen Folgen bei der Herstellung und Einsatz der
Produkte der SVI“ sind damit nicht vereinbar. Auch hier ist es die
angebliche Alternativlosigkeit, die dazu anhält, dass man den Sinn der
europäischen Gesetzgebung und speziell der Vorgaben für nachhaltige
Investitionen ad absurdum führt.
Totale Rüstung
Die Strategie für die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, die hier
von Wirtschafts- und Verteidigungsministerium vorgelegt wurde, ist vor
allem eines: Ein Freibrief für die Industrie und ein Garantieversprechen
für hohe Profite. Sämtliche bürokratischen Hürden, die einmal eingeführt
wurden, um die Rüstungsindustrie überhaupt in ihrem Streben nach
ungehemmten Geschäften zu bändigen, werden hier über den Haufen
geworfen. Die Unternehmen erhalten Zugang zu preiswertem Geld, seltenen
Rohstoffen und qualifiziertem Personal und man stellt ihnen die
erleichterte Genehmigung von Ausbauplänen in Aussicht. Auch beim Verkauf
der Waren will die Regierung helfen und wenn das nicht klappen sollte,
kommt der Staat (vielleicht?) für die Unterschiedskosten auf. Nicht
alles in dem Papier kostet in der Umsetzung Geld, das Meiste aber eben
doch.
Die Rüstungsindustrie dringt mit der Industriestrategie gerade in
Bereiche vor, von denen sie früher allenfalls hätte träumen können. Aus
Sicht der Branche stellt das Dokument eine überaus geeignete Basis dar,
von der aus nun weiter operiert werden kann. So soll kürzlich Hans
Christoph Atzpodien, Chef des größten deutschen Rüstungslobbyverbandes
(BDSV), laut Spiegel Online (2.12.2024) dem Kanzler in spe kürzlich
bereits seine Wunschliste präsentiert haben: „Die Industrie hat längst
ausgemacht, bei wem sie künftig ansetzen muss: Friedrich Merz,
Kanzlerkandidat der CDU. Der bekam gerade Besuch von Hans Christoph
Atzpodien, dem Cheflobbyisten der Rüstungsindustrie. Er präsentierte dem
CDU-Chef einen Zehnpunkteplan, der dem SPIEGEL vorliegt. Darin schlägt
Atzpodien eine Rhetorik an, die selbst [Rheinmetall-Chef] Papperger
zurückhaltend klingen lässt. »Totale Verteidigung erfordert schnelle
Ausführung.« Es brauche mehr Geld, mehr Planbarkeit, mehr Waffenexporte,
mehr Fabriken. Für deren Bau solle es »Ausnahmen von Umweltgesetzen«
geben. Einen Regierungswechsel schon fest im Blick fordert Atzpodien,
Abwägungsfragen zwischen Sicherheit und Nachhaltigkeit müssten geklärt
werden.“
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